Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада

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Wolf unter Wölfen - Ханс Фаллада

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des alten Herrn. Der Rittmeister von Prackwitz wohnte gut fünfhundert Meter weiter, schon zwischen den Feldern, außerhalb des Gutshofes, in einer kleinen Villa. Sechs Zimmer, moderner Maurermeisterstil, ein schlampiger, schon abblätternder Bau aus der ersten Inflationszeit. Das Schloß, aus dem der alte Herr nicht hatte wegziehen mögen, schon, um in der Nähe seiner geliebten Fichten zu bleiben und – nebenbei – dem Schwiegersohn ein wenig auf die Finger zu sehen – das Schloß war auch nur gelber Kasten, aber mit dreimal soviel Zimmern wie bei den jungen Leuten, und immerhin mit einer richtigen Freitreppe, einem Gartenzimmer mit Türen aus Glas bis an die Erde, der ›Saal‹ genannt, und einem Park.

      Am Schloß ging Negermeier vorüber. Dort hatte er nichts zu suchen und wollte er für dieses Mal auch nichts suchen – der erbosten Gnädigen wegen. Gleich kam, unbequem nahe, da zu sehr unter Aufsicht gelegen, das Beamtenhaus, in dem das Büro war und sein Zimmer (alles andere stand wegen der rittmeisterlichen Sparmethoden leer – aber der Rittmeister ist ein großer Mann). Da Meier sich beim gnädigen Fräulein wegen des Telefongesprächs mit dem Vater erkundigen wollte, ging er erst einmal auf sein Zimmer und wusch sich Hände und Gesicht. Dann goß er sich ein Parfüm ›Russisch Juchten‹ ausgiebig auf die Brust – es war unbedingt das richtige Parfüm fürs Land. Wie die Annonce gesagt hatte: ›herb, männlich, rassig‹.

      Hinterher besah er sich im Spiegel. Die Zeit, da er seine Kleinheit, die Wulstlippen, die eingedrückte Nase, die vorstehenden Augen als Schmach empfunden hatte, war natürlich längst vorbei. Seine Erfolge bei den Weibern hatten ihn gelehrt, daß es auf Schönheit nicht ankam. Im Gegenteil, ein bißchen apartes Aussehen lockte die Mädchen wie die Salzlecke das Wild.

      Freilich war es mit der Violet natürlich nicht so einfach wie mit irgendeiner Amanda Backs oder Sophie Kowalewski. Für sicher aber hielt es der kleine Meier – wieder einmal abweichend von seinem Arbeitgeber, dem Rittmeister –, daß die kleine Weio trotz ihrer fünfzehn Jahre schon ein Luder war. Diese Blicke, diese junge, eifrig markierte Brust, diese Redensarten, frech, und die Sekunde darauf blaueste Unschuld – das war für einen so erfahrenen Frauenjäger wie ihn nicht zu verkennen! Es war ja auch klar: schon aus dem Schlafzimmer der damals noch unverheirateten Mutter sollte der alte Herr von Teschow einen Liebhaber hinausgesetzt haben, mit der Peitsche, die nachher auch die Mama zu kosten bekam. Erzählten die Leute – na ja, die Welt war groß und möglich war in ihr alles. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Es wäre etwas übertrieben, den kleinen Feldinspektor Meier wegen seiner Gedanken vor dem Spiegel einen Intriganten und schurkischen Verführer zu nennen. Dies waren keine Pläne, es war jugendliches Gefasel, Eitelkeit – Wunschträume. Wie ein junger Hund hatte er ungeheuren Appetit, am liebsten hätte er alles benagt – und die Violet war wirklich sehr hübsch!

      Aber genau wie bei einem jungen Hund war seine Angst mindestens ebenso groß wie sein Appetit – bloß keine Prügel bekommen! So frech wie zu der Amanda ohne Anhang würde er zu dieser Weio nie sein können, hinter der ein jähzorniger Vater stand. Wenn er in seinen Träumen alles bis zur Entführung und heimlichen Trauung bestens erledigt hatte – vor der Heimkehr zum Schwiegervater graulte ihm doch. Nicht einmal die Heimkehrunterhaltung mit ihm konnte er sich ausdenken, am besten erledigte das die junge Frau. Vor ihr brauchte man weder Angst noch Respekt zu haben: wer einmal mit einem geschlafen hat, ist nichts Besseres mehr als der, mit dem sie schlief, und selbst die adlige Abstammung – geheimnisvoll, doch Ehrfurcht heischend – war dann abgegangen wie die Politur von einem Fabrikmöbelstück – alles bloß gemeines Fichtenholz!

      Negermeier grinst sich im Spiegel an. ›Dolle Marke bist du doch!‹ heißt das etwa, und wie zur Bestätigung seiner Eigenbewertung fällt ihm ein, daß der ›Leutnant‹ heute früh in einem ganz andern, viel kameradschaftlicheren Ton mit ihm gesprochen hat als mit dem ollen Schleicher, Förster Kniebusch.

      Meier grüßt sich mit der Hand im Spiegel, er winkt sich freundlich zu: ›Glück auf den Weg, Sohn des Glücks!‹ Und marschiert ab zu Violet von Prackwitz.

      Im Büro räumt Frau Hartig auf, Kutscherfrau, noch ganz gut imstande; möchte auch wohl, aber ab fünfundzwanzig sind die Frauen uralt. Die gute Hartig, etwa siebenundzwanzig, nicht weniger als acht Kinder, hat heute den Mund fest zusammengepreßt. Die Augen funkeln böse, die Stirn ist voller Falten, Meier schert das nicht, aber grade, als er an ihr vorbei will, fällt die gußeiserne Stehlampe mit drohendem Krach vom Schreibtisch, und der grüne Lampenschirm zerklirrt in hundert Scherben.

      Da muß Meier doch stehenbleiben und seinen Senf dazugeben.

      Na ja, sagt er grinsend. Scherben bringen Glück – gilt das nun Ihnen oder gilt das mir? Und als sie ihn nur stumm, aber böse funkelnd ansieht: Was ist denn mit Ihnen los? Gewitter? Schwül genug ist es dafür.

      Und er schaut ganz automatisch auf das Barometer, das seit Mittag langsam, aber ständig fällt.

      Mit mir lassen Sie Ihre Schweinereien! sagt die Hartig schrill und böse. Denken Sie, ich räume euch länger euern Dreck nach! Und sie fährt in die Schürzentasche, öffnet die Hand – drei Haarnadeln hat sie in ihr. (1923 hatte der Bubikopf noch nicht das flache Land erobert.) In Ihrem Bett haben die gelegen! kreischt sie fast. Saukerl, elender! Aber ich räume das nicht mehr auf, ich zeig’s der gnädigen Frau!

      Welcher denn, Frau Hartig? lacht Meier. Die alte weiß es – und betet schon für mich; die junge aber denkt es sich auch so und lacht erst recht!

      Er sieht sie überlegen, spöttisch an.

      So ein gemeines Weibsbild! kreischt die Hartig. Kann doch nachsehen im Bett, ehe sie abhaut. Aber nee, ich soll ihr das nachräumen, ich der Geflügelmamsell! Keine Scham hat so ’n Biest!

      Doch, doch, Frau Hartig, ganz bestimmt! sagt Negermeier ernst. Und wieder grinst er: Aber Ihr Jüngster hat ja so schöne rote Haare? Genau wie der Futtermeister. Soll der nun Kutscher werden wie der Vater oder Futtermeister wie der Stiefvater?

      Und damit marschiert Meier ab, in sich hineinkichernd, herrlich zufrieden, während drinnen noch böse, aber doch halb schon besänftigt Frau Hartig auf die drei Haarnadeln in ihrer Hand starrt. ›Er ist ja ein Aas, aber mit einem Pfiff, so klein er ist!‹

      Sie sieht die Haarnadeln noch einmal an, schüttelt sie, daß sie klappern, und steckt sie entschlossen in das eigene Haar.

      ›Dich krieg ich doch noch‹, denkt sie. ›Amanda regiert auch nicht ewig!‹

      Sie räumt die Scherben des Lampenschirms fort, sehr vergnügt plötzlich, denn sie ist fest davon überzeugt, daß sie ihr Glück bringen werden.

      Meier denkt auch an die Scherben und an das Glück, das sie ihm nun gleich sofort auf der Stelle bringen werden. In allerbester Stimmung langt er bei der Villa des Rittmeisters an. Erst späht er in den Garten – denn am liebsten träfe er Weio nicht in Hörweite der Mutter –, aber im Garten ist sie nicht. Das ist unschwer festzustellen, denn obwohl der Garten nicht ganz klein ist, kann man ihn doch auf einen Blick übersehen, diese vor ein paar Jahren aus dem blanken Feld gestampfte und halb schon wieder vertrocknete Gelegenheitsschöpfung der gnädigen Frau.

      Nichts kann im übrigen Festigkeit der Stellung in Neulohe und Abstand zwischen Besitzer und Pächter besser versinnbildlichen als die Betrachtung des Teschowschen Schloßparks und des Prackwitzschen Gartens: dort hundertjährige große Bäume, in aller Fülle, strotzend von Blättern und Saft, hier ein paar Dutzend kahle Stangen, mit wenigen, schon vergilbten Blättern. Dort weite Rasenflächen, dunkelgrün; hier spärliches Gras, hart, gelb, im aussichtslosen Kampf mit den wieder vordringenden Feldstiefmütterchen, Quecken, Schachtelhalm. Dort ein nicht ganz kleiner Teich mit Ruderboot und Schwan; hier ein sogenanntes Planschbecken, wohl aus Solnhofer Platten, aber mit einer grünen Jauche gefüllt. Dort ererbtes Wachstum, aus der Zeit kommend für die Zeit;

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