Palast aus Gold und Tränen. Christian Handel

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Palast aus Gold und Tränen - Christian Handel страница 16

Автор:
Серия:
Издательство:
Palast aus Gold und Tränen - Christian Handel

Скачать книгу

Luft. »Sagt ihr, Vasilisas Enkelin schickt euch.«

      Ich hob eine Augenbraue, sagte allerdings nichts. Ebenso wenig Rose. Wir warteten beide geduldig, bis Irina weitersprach. »Es gibt zahlreiche Geschichten über Menschen, die die Hexe aufgesucht und um Hilfe gebeten haben. Die meisten davon gehen nicht gut aus. Meiner Großmutter hat sie allerdings kein Haar gekrümmt. Sie hat ihr aus großer Not geholfen.« Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und ihr Blick verlor sich in der Vergangenheit. »›Sie ist mächtiger, als du dir jemals vorstellen kannst, Irinuschka‹, hat sie immer gesagt. ›Sie kann sehr grausam sein, aber sie schadet nie jenen, die mutig und reinen Herzens sind. Und das ist das Wichtigste: Zeig niemals Angst! Die Baba Yaga labt sich an ihr. Wenn du der Hexe begegnest, tritt ruhig und selbstbewusst auf. Sie hat eine Schwäche für mutige Mädchen.‹«

      Irina blickte uns wieder direkt an. »Ich glaube nicht, dass ich der Baba Yaga je begegnen werde. Und ich weiß nicht, ob euch der Name meiner Großmutter schützen wird. Einen Versuch ist es jedoch wert.«

      Aus einem Impuls heraus griff ich über den Tisch hinweg und drückte ihre Hand. »Danke. Wir können jeden Schutz gebrauchen, den wir bekommen können.«

      Irina lachte bitter auf. »Das befürchte ich auch.«

      Noch einmal griff sie in ihre Kötze. Diesmal fischte sie ein braunes Ledertuch hervor. Als sie es aufwickelte, kamen unsere Waffen zum Vorschein. Liebevoll betrachtete ich die winzige Scharte am Knauf meines Silberdolchs. Als ich nach ihm griff, hielt Irina mich auf. »Nimm den anderen.«

      »Warum?« fragte Rose sofort misstrauisch.

      Irina kam um den Tisch herum. »Weil ich eure Dolche mit einem Zauber belegt habe.«

      Wirkte meine Klinge deshalb matter als sonst? Sie reflektierte kaum die Morgensonne. Rose’ Dolch hingegen glänzte silbern wie eh und je.

      Ich ignorierte Irinas Einwurf und griff nach meiner Waffe. Es fühlte sich gut an, sie in den Händen zu halten. Nicht anders als sonst. Neugierig drehte ich ihn hin und her. Das einzig Seltsame war die Färbung der Schneide.

      »Was hast du damit gemacht?«

      Irina trat einen Schritt näher. »Es ist ein Zauber, den mir ein Geister­heiler in der Heimat meines Vaters beigebracht hat. Durch euer Blut und euer Haar sind eure Dolche jetzt mit euch verbunden. Sie spiegeln eure Verfassung. Solange die Klingen silbern glänzen, ist alles in bester Ordnung. Falls ihr euch trennen müsst, könnt ihr die Waffen tauschen und seht so immer, wie es der jeweils anderen geht.«

      Ich hob meinen Dolch in die Höhe. »Seine Klinge ist matt«, sagte Rose. »Liegt das an dem Hexenfluch?«

      Irina nickte. »Sorge dich deshalb nicht zu sehr. Solange die Klinge nur matt ist, heißt das, du bist krank. Wenn sich die Klinge allerdings rostbraun färbt, schwebst du in ernsthafter Gefahr.« Irina blickte Rose an. »Wenn das geschieht, weißt du, dass Muireann umgehend Hilfe braucht. Dann dürft ihr nicht aus falschem Stolz zögern, eine Hexe um Hilfe zu bitten.«

      Rose nickte ernst und streckte mir die Hand entgegen, damit ich ihr meinen Dolch geben konnte. Aufmerksam musterte sie das angelaufene Silber.

      Irina trat zu uns. »Wenn die Klinge schwarz wird …«

      »Ja?«, fragte ich. Ich ahnte ihre Antwort bereits, aber ich musste es hören.

      Sie holte tief Luft. »Dann kommt jede Hilfe zu spät.«

      Das Feentor

      Der Jungfernfelsen war eine hohe Gebirgsnadel, die sich am Ufer des Mains steil in die Lüfte reckte. Er war weithin sichtbar, weil er hoch über die Wipfel der Laubbäume hinausragte, die den Fluss zu beiden Seiten umgaben. Sein Name mochte romantisch klingen, bekommen hatte er ihn allerdings, weil immer wieder, Generation um Generation, Mädchen auf ihm verschwunden waren.

      Verborgen im Felsgestein gibt es ein Tor in die Anderswelt, erzählten die Menschen, die in seinem Schatten lebten. Nur unverheiratete Mädchen finden den Weg dorthin.

      Vor drei Jahren hatten Rose und ich allerdings herausgefunden, dass für das Verschwinden der Jungfrauen nicht das Feentor verantwortlich war, sondern ein Wassermann, der an dieser Stelle auf dem Grund des Flusses lebte. Ida, die Tochter eines Knopfmachers aus einem nahen Städtchen, nannte ihn ihren »grünen Prinzen mit den nassen Haaren«. Sie konnte von Glück sagen, dass ihre Tante klug genug gewesen war, zu erkennen, wer Idas Verehrer in Wirklichkeit war. Und dass sie mit der Frau eines Bauern befreundet war, der uns dafür bezahlte, seinen Kornspeicher von einer lästigen Koboldplage zu befreien. So hatten wir Ida retten können, ehe sie ihrem »grünen Prinzen« in sein nasses Reich folgen konnte. Es war uns sogar gelungen, den Wassermann zu vertreiben und dem Jungfernfelsen seinen Schrecken zu nehmen. Für eine Weile. Weder Rose noch ich waren so naiv zu glauben, den Wassermann für immer von seinem Zuhause verjagt zu haben. Aber vielleicht ließ er die Mädchen der Gegend für eine oder zwei Generationen in Ruhe. Ich hoffte, sie würden sich daran erinnern, wie man sich vor einem wie ihm schützen konnte, wenn er zurückkehrte.

      Als ich den Jungfernfelsen jetzt vor mir sah, war ich sofort wieder von seiner Schönheit gefesselt. Der helle Schiefer hob sich deutlich vom Dunkelgrün der Wälder ab. Schlank und majestätisch ragte er in den Himmel. Der Fluss zu seinen Füßen schimmerte im Licht der Spätnachmittagssonne wie ein silbernes Band.

      Um es schneller hierher zu schaffen, hatten Rose, Björn und ich den Nachmittag auf Pferderücken verbracht, und mir schmerzte gewaltig das Hinterteil. Immerhin lenkte mich das Reiten von den Hexenmalen auf meinen Unterarmen ab. Die Pferde hatten wir von Lennards und Helenes Nachbarn geliehen. Björn begleitete uns, damit er die Tiere zu ihm zurückbringen konnte.

      »Seht ihr?« Rose, die ein Stück vor Björn und mir ritt, drehte sich im Sattel um und grinste. »Ich habe euch doch gesagt, wir schaffen es vor Einbruch der Dunkelheit hierher.«

      »Freu dich nicht zu früh«, konterte er. »Ich sage euch, es wird heute noch gewittern.«

      Ich legte den Kopf in den Nacken und blickte hinauf in den Himmel, über den mehrere graue Wolkenfelder zogen.

      »Vielleicht nicht dort, wo wir hingehen«, sagte ich. Björn zuckte nur mit den Schultern.

      »So oder so, wir sollten weiter.« Mit einem Schenkeldruck gab ich meinem Pferd zu verstehen, zu Rose aufzuschließen. Björn folgte uns und eine Weile lang schwiegen wir.

      »Bist du aufgeregt?«, fragte ich Rose, als wir eine halbe Stunde später vor einem schmalen Spalt im Schiefer standen, aus dessen Tiefe uns ein geheimnisvolles blaues Licht entgegenleuchtete. Es hieß, Feentore schützten sich selbst und hielten sich vor den Augen der Menschen verborgen. Wir beide waren schon einmal hier gewesen und hatten es sofort wiedergefunden. Allerdings hatten wir es noch nie durchschritten.

      Rose konnte den Blick nicht vom seltsamen Durchgang nehmen. »Ich kann mir durchaus angenehmere Arten zu reisen vorstellen.«

      »Jedoch kaum schnellere.«

      »Nein.« Sie ließ den Kopf im Nacken kreisen, bis es knackte. Dann drehte sie sich zu Björn um, der mit unseren Pferden ein paar Schritt hinter uns stand. Wir hatten uns bereits von ihm verabschiedet, aber offenbar wollte er warten, bis wir tatsächlich das Feentor durchschritten, ehe er den Heimweg antrat. Rose hob zum Abschied ihren Eschenstab, ich winkte ihm. Björn lächelte uns aufmunternd zu.

      »Na komm.«

Скачать книгу