Palast aus Gold und Tränen. Christian Handel

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Palast aus Gold und Tränen - Christian Handel

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Stattdessen musste ich hilflos beobachten, wie sich ihm zwei seiner Gefährten anschlossen. Ihre messerscharfen Schnäbel durchschnitten surrend die Luft. Der Schwertträger und Rose kämpften mit einem weiteren Vogel, der abwechselnd auf sie einstach. Der Mann mit dem Ast sprang zu den Frauen. Mit seiner provisorischen Waffe gelang es ihm, zwei der Vögel abzuwehren, aber der dritte fand ein Ziel. Eine der Frauen schrie auf. Ihr erschreckter Ruf wurde jedoch bald zu einem Gurgeln und verstummte dann ganz. »Veronique!« Ihre Gefährtin sank verzweifelt auf die Knie, während die Dame zu ihnen herumfuhr. Blut strömte in solchen Mengen aus dem Hals der verwundeten Frau, dass klar war, dass jede Hilfe zu spät kommen würde. Wenigstens gelang es dem Kämpfer mit dem Ast, dem Schwan den Garaus zu machen. Leider waren immer noch drei weitere übrig. Rose wirbelte wie ein Derwisch am Ufer entlang und hieb immer wieder mit ihrem Eschenstab nach den fliegenden Bestien. Ich war froh, dass ihre Waffe lang genug war, um die Vögel mit den langen Schnäbeln auf Abstand zu halten. Die Biester wichen allerdings gekonnt ihren Stockschlägen aus. Mit dem Kampfstab würde sie nicht viel ausrichten können. Als mein dritter Stein sein Ziel verfehlte, stieß ich einen Fluch aus und huschte näher ans Ufer heran. Es sah nicht gut für uns aus. Unweit der Feuerstelle lag zwar ein Jagdbogen und ein Köcher mit Pfeilen. Die Männer und Rose waren allerdings so sehr damit beschäftigt, die Schwäne auf Abstand zu halten und die Frauen zu beschützen, dass sich niemand von der Gruppe lösen konnte, um danach zu greifen. Die Frau kniete heulend neben ihrer Gefährtin, die sich nicht mehr regte. Die Dame beugte sich schützend über sie und suchte hektisch den Himmel ab. Inzwischen war auch der Mann mit dem Kurzschwert in die Knie gegangen. Er blutete aus einer Wunde. Die verbliebenen Schwäne schienen hingegen fast unverletzt.

      Mein vierter Stein fand endlich ein Ziel. Ich hatte sogar einen Volltreffer gelandet und einen der Vögel am Kopf getroffen. Wie ein Felsbrocken stürzte er aus dem Himmel und kam mit einem lauten Platschen auf der Seeoberfläche auf, wo er noch einen Moment lang trieb, ehe er in der dunkelblauen Tiefe versank. Noch drei, dachte ich, und dann zwei, als ich sah, dass die Männer sich gemeinsam auf eines der Tiere gestürzt hatten und mit ihren Waffen darauf einhackten. Der Mann mit dem Ast musste lebensmüde sein. Er hatte die Kreatur an den Füßen gepackt und ließ nicht los, bis sie sich nicht mehr regte. Mein fünfter Stein flog durch die Luft, als die letzten beiden Schwäne auch endlich meiner gewahr wurden. Sie flogen direkt auf mich zu. Mist, dachte ich, und nestelte so schnell ich konnte einen weiteren Stein aus meinem Beutel. Jetzt musste jeder Wurf sitzen. Gleichzeitig konnte ich mir nicht die Zeit nehmen, genau zu zielen, denn wenn ich zu lang wartete, wären die Biester heran und dann würde mich zumindest ein Schwan erwischen. Ich spürte, wie mir Schweiß in die Augen lief.

      Da gab es diesen Spruch, den meine Mutter mir als Kind beigebracht hatte. Eigentlich war er dazu gedacht, Muscheln zum Tanzen zu bringen.

      »Lauf weg!«, hörte ich Rose schreien.

      Meine Konzentration war unterbrochen.

      Die Vögel setzten bereits zum Sturzflug an.

      Ich ließ meinen Stein fliegen. Er traf sein Ziel und warf einen der Schwäne aus der Flugbahn.

      Ich fingerte nach einem weiteren Stein, wusste jedoch bereits, dass es zu spät war. Also hob ich den Silberdolch aus dem Gras, während sich der Schwan mit ausgestreckter Schnabelspitze auf mich stürzte. Ein dumpfes Geräusch ertönte und der silberne Körper vor mir wurde in die Höhe gerissen. Ungläubig sah ich, wie der lange Schwanenhals zur Seite geschleudert wurde. Etwas Heißes tropfte mir ins Gesicht. Der Vogelkörper flog über mich hinweg und landete hinter mir im Gras, von einem Pfeil durchbohrt, aber noch flatternd. Überrascht keuchte ich auf und wandte den Kopf. Rose kniete neben dem Lagerfeuer, den Bogen in der Hand. Hinter ihr stand die schöne Dame in ihrem hellgrünen Kleid. Das blonde Haar hing ihr wirr in die Stirn, die Hände umschlossen fest Rose’ Eschenholzstab. Sie sah nicht so aus, als ob sie wirklich wüsste, was sie damit anfangen sollte, wirkte jedoch entschlossen, den Stab einzusetzen, wenn von irgendwoher noch ein Schwan auftauchen sollte. Als Rose erkannte, dass es mir gut ging, ließ sie erschöpft den Bogen fallen und drehte sich zu dem Schwertkämpfer um, der von dem anderen Mann gestützt neben der weinenden Frau stand und sich einen abgerissenen Stoffärmel auf die Schulterwunde presste. Er schwankte gefährlich.

      Grimmig presste ich die Lippen zusammen, drehte mich um und stieß den Silberdolch mit kalter Wut in die Bestie vor mir. Der Schwan öffnete seinen gewaltigen Schnabel wie zu einem letzten Schrei, doch kein Laut erklang mehr. Warmes Blut quoll zwischen den silbernen Federn hervor, als ich meine Waffe wieder herausriss. Endlich trübten sich die Augen des seltsamen Wesens und sein Zittern erstarb. Der Schwan war tot.

      Als ich zu den anderen rannte, begriff ich erst, dass die Schlacht geschlagen war. Vor den Männern auf dem Boden lag ein toter Schwan. Sein Kopf war eine breiige Masse, wo der Ast ihn in die Erde gestampft hatte. Sie hatten dem Monster zusätzlich mit dem Kurzschwert den Hals durchtrennt.

      Bis auf unser Schnaufen und Keuchen und das Weinen der Frau war es still. Der Schreck saß allen tief in den Knochen. Die fremde Dame gab Rose den Kampfstab zurück und kniete sich neben ihre Gefährtinnen.

      »Sie ist tot.« Zärtlich strich sie der Leiche über die Wange.

      »Claude auch«, murmelte der Astträger geschlagen und die Dame stöhnte auf.

      Rose kam bis auf Armlänge auf mich zu und sah mir fest in die Augen. »Das war knapp.«

      »Danke«, sagte ich schlicht. Mehr nicht.

      Gern wäre ich ihr sofort in die Arme gefallen und hätte mich versichert, dass es ihr auch gut ging. Aber wir waren nicht allein.

      »Wer seid ihr?«, fragte der Schwertträger, legte seine Waffe zu Boden und presste sich die Hand auf die blutende Wunde. »Danke für eure Hilfe.« Er redete in der Gemeinen Zunge, eine Sprache, die über die Ländergrenzen hinweg verwendet wurde. Vielleicht stammte er auch nicht aus dem Zarenland. Er war ein Hüne mit schulter­langem Haar und gestutztem Bart, die Verletzung beeinträchtigte ihn, aber er wirkte wachsam.

      »Mein Name ist Rosenrot«, sagte Rose und deutete dann auf mich. »Das ist Schneeweißchen. Wir sind … Kämpferinnen.«

      Der Mann hob eine Augenbraue. Ehe er antworten konnte, trat die schöne Dame neben ihn. »Auch ich danke Euch sehr für Eure Hilfe. Seid Ihr Reisende?«

      Wir nickten.

      »Dann seid heute Nacht an unserem Lagerfeuer willkommen, wenn Ihr mögt.« Sie lächelte verhalten. »Ruht Euch aus und pflegt Eure Wunden.«

      »Wir sind nicht verletzt.«

      »Dann esst zumindest mit uns und stärkt Euch.«

      Rose und ich blickten einander an. Hinter den Baumwipfeln im Westen ging die Sonne unter.

      »Verratet Ihr uns Eure Namen?«, fragte ich und die Fremde nickte.

      »Mein Name ist Ilena. Ich bin die Königin von Burgund.«

      Die Gemahlin des Steinernen Königs

      Ich musterte die Fremde überrascht. Ilena von Burgund? Alle Welt kannte die Geschichte der Königin, deren Mann durch den Fluch einer Fee in eine steinerne Statue verwandelt worden war und der nur durch den Kuss der wahren Liebe gerettet werden konnte.

      Und nun stand sie vor uns – eine der schönsten Frauen, denen ich bisher begegnet war. Sie war hochgewachsen mit fein geschnittenen Gesichtszügen, umrahmt von honigblonden Haaren.

      Während wir am Seeufer ein Feuer entzündeten und die

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