Der letzte Mensch. Mary Shelley
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Der Herzog von –––– und Mr. Ryland, Lord Raymonds alter Widersacher, waren die anderen Kandidaten. Der Herzog wurde von allen Aristokraten der Republik unterstützt, die ihn für ihren angemessenen Vertreter hielten. Ryland war der Volkskandidat; als Lord Raymond das erste Mal der Liste hinzugefügt wurde, erschienen seine Erfolgsaussichten gering. Wir zogen uns aus der Debatte zurück, die seiner Nominierung gefolgt war: wir, seine Ernenner, waren gekränkt; er war gänzlich entmutigt. Perdita tadelte uns bitterlich. Ihre Erwartungen waren geweckt worden; sie hatte keine Einwände gegen unser Projekt geäußert, im Gegenteil, sie war offensichtlich erfreut darüber; aber sein offensichtlicher Misserfolg änderte die Strömung ihrer Gedanken. Sie hatte das Gefühl, dass Raymond, wenn er erst einmal zu sich gekommen wäre, nie wieder ohne Murren nach Windsor zurückkehren würde. Seine Gewohnheiten waren aus dem Ruder gelaufen; sein ruheloser Geist aus seinem Schlaf erwacht, Ehrgeiz musste jetzt sein Begleiter durch das Leben sein; und wenn er bei seinem gegenwärtigen Versuch nicht erfolgreich wäre, sah sie voraus, dass Unglück und unheilbare Unzufriedenheit folgen würden. Vielleicht fügte ihre eigene Enttäuschung ihren Gedanken und Worten einen Stich hinzu; sie verschonte uns nicht, und unsere eigenen Gedanken trugen zu unserer Unruhe bei.
Es war notwendig, unsere Nominierung weiterzuverfolgen und Raymond zu überreden, sich am folgenden Abend den Wählern zu präsentieren. Er war lange Zeit halsstarrig. Er wäre lieber in einen Ballon gestiegen und in einen fernen Teil der Welt gesegelt, wo sein Name und seine Demütigung unbekannt waren. Aber das war nutzlos; sein Bestreben war registriert, sein Entwurf der Welt kundgetan; seine Schande könnte niemals aus den Erinnerungen der Menschen ausgelöscht werden. Es war ebenso gut, am Ende nach einem Kampf versagt zu haben, als jetzt zu Beginn seines Unternehmens zu fliehen.
Von dem Augenblick an, als er diesen Gedanken fasste, war er verändert. Seine Niedergedrücktheit und Ängstlichkeit vergingen; er wurde ganz Leben und Regsamkeit. Das Lächeln des Triumphes lag auf seinem Antlitz; entschlossen, seine Sache bis zum Äußersten zu verfolgen, schienen sein Betragen und sein Ausdruck für die Erfüllung seiner Wünsche verhängnisvoll zu sein. Nicht so Perdita. Sie war erschrocken über seine Fröhlichkeit, denn am Ende fürchtete sie einen umso größeren Umschwung. Wenngleich sein Anblick uns mit Hoffnung inspirierte, machte er doch den Zustand ihres Geistes nur schmerzhafter. Sie fürchtete, ihn aus den Augen zu verlieren; dennoch schrak sie davor zurück, irgendeine Änderung in der Stimmung seines Geistes zu bemerken. Sie hörte ihm eifrig zu, quälte sich jedoch, indem sie seinen Worten eine Bedeutung gab, die ihrer wahren Auslegung fremd und ihren Hoffnungen abträglich war. Sie wagte nicht bei der Wahl anwesend zu sein; doch zu Hause verdoppelte sich ihre Sorge. Sie weinte über ihrem kleinen Mädchen; sie sah, sie sprach, als ob sie das Auftreten eines schrecklichen Unglückes fürchtete. Sie war halb verrückt unter der übergroßen Spannung.
Lord Raymond stellte sich dem Parlament mit furchtlosem Selbstvertrauen und fesselnder Ansprache vor. Nachdem der Herzog von –––– und Mr. Ryland ihre Reden beendet hatten, begann er. Gewiss hatte er seine Lektion nicht vergessen; doch zuerst zögerte er, wählte seine Gedanken und die Worte mit Bedacht. Nach und nach erwärmte er sich; seine Worte flossen mit Leichtigkeit, seine Sprache war voller Nachdruck und seine Stimme voller Überzeugung. Er kehrte zu seinem früheren Leben zurück, zu seinen Erfolgen in Griechenland, zu seinem Erfolg zu Hause. Warum sollte er dies aufs Spiel setzen, jetzt, da zusätzliche Jahre, Klugheit und das Versprechen, das seine Ehe seinem Land gab, seine Vertrauenswürdigkeit eher erhöhen als vermindern sollten? Er sprach vom Zustand Englands, den notwendigen Maßnahmen, die nötig wären, um seine Sicherheit zu gewährleisten und seinen Wohlstand zu mehren. Er zeichnete ein leuchtendes Bild seiner gegenwärtigen Lage. Während er sprach, war jedes Geräusch gedämpft, jeder Gedanke durch intensive Aufmerksamkeit verhindert. Seine elegante Rede fesselte die Sinne seiner Zuhörer. In gewissem Grade war er auch dazu geeignet, alle Parteien zu versöhnen. Seine Geburt gefiel der Aristokratie; seine Kandidatur, die von Adrian, einem Mann, der eng mit der Volkspartei verbunden war, empfohlen wurde, überzeugte eine Anzahl an Unterstützern, die weder dem Herzog noch Mr. Ryland nahestanden.
Der Wettstreit war heftig und der Ausgang ungewiss. Weder Adrian noch ich wären so besorgt gewesen, wenn unser eigener Erfolg von unseren Anstrengungen abhängig gewesen wäre; aber wir hatten unseren Freund zu dem Unternehmen ermuntert, und es war an uns, ihm seinen Triumph zu sichern. Idris, die die höchste Meinung über seine Fähigkeiten hegte, war sehr an dem Ereignis interessiert: und meine arme Schwester, die nicht zu hoffen wagte und für die Angst Elend bedeutete, war in ein nervöses Fieber gesunken.
Tag für Tag verging, während wir unsere Pläne für den Abend diskutierten, und jede Nacht wurde mit endlosen Debatten verbracht. Endlich kam der Höhepunkt: die Nacht, in der das Parlament, das seine Wahl so lange hinausgezögert hatte, entscheiden musste: Sobald Mitternacht vorüber war und der neue Tag begann, musste es sich kraft der Verfassung auflösen, seine Macht war vergangen.
Wir versammelten uns bei Raymond, wir und unsere Mitstreiter. Um halb sechs gingen wir zum Parlament. Idris bemühte sich, Perdita zu beruhigen; aber die Aufregung des armen Mädchens beraubte sie aller Selbstbeherrschung. Sie ging im Zimmer auf und ab und warf wilde Blicke auf jeden, der eintrat, im Glauben, dass dieser der Überbringer ihres Schicksals sein könnte. Ich muss meiner süßen Schwester Gerechtigkeit widerfahren lassen: Sie quälte sich nicht wegen ihrer selbst. Sie allein kannte das Gewicht, das Raymond seinem Erfolg beimaß. Selbst vor uns gab er sich fröhlich und hoffnungsvoll und tat dies so gut, dass wir die geheimen Regungen seines Geistes nicht erkannten. Zuweilen zeigten ein nervöses Zittern, ein scharfer Missklang der Stimme und vorübergehende Anfälle von Abwesenheit Perdita die Gewalt, die er sich selbst antat; aber wir, ganz in unsere Pläne vertieft, bemerkten nur sein stetes Lachen, seinen Witz, der bei allen Gelegenheiten hindurchdrang, die Flut seiner Heiterkeit, die vor der Ebbe sicher schien. Außerdem war Perdita in seiner Unterkunft bei ihm; sie sah die Launenhaftigkeit, die dieser erzwungenen Heiterkeit folgte; sie bemerkte seinen gestörten Schlaf, seine gequälte Gereiztheit – einmal hatte sie seine Tränen gesehen – ihre hatten kaum aufgehört zu fließen, seit sie die großen Tropfen gesehen hatte, die der enttäuschte Stolz in seinen Augen gesammelt hatte, die Stolz jedoch nicht wieder zerstreuen konnte. Wen sollte es da wundernehmen, dass ihre Gefühle auf diese Spitze gebracht wurden! So begründete ich mir selbst ihre Aufregung; doch dies war noch nicht alles, und das darauffolgende Geschehen offenbarte eine andere Begründung.
Ehe wir losgingen, nutzten wir einen Augenblick, um Abschied von unseren geliebten Mädchen zu nehmen. Ich hatte wenig Hoffnung auf Erfolg und bat Idris, auf meine Schwester achtzugeben. Als ich mich der Letzteren näherte, ergriff sie meine Hand und zog mich in ein anderes Zimmer; sie warf sich in meine Arme und weinte und schluchzte eine geraume Zeit bitterlich. Ich versuchte, sie zu beruhigen, sprach ihr Mut zu, fragte, welche gewaltigen Konsequenzen sich selbst auf unser Versagen hin ergeben würden. »Mein Bruder«, rief sie, »Beschützer meiner Kindheit, lieber, lieber Lionel, mein Schicksal hängt an einem seidenen Faden. Ich bin jetzt ganz von euch umgeben – dir, dem Begleiter meiner Kindheit, Adrian, der mir so lieb ist als ob wir durch Bande des Blutes miteinander verbunden wären, Idris, der Schwester meines Herzens, und ihren entzückenden Kindern. Dies, o dies mag das letzte Mal sein, dass wir alle beisammen sind!«
Plötzlich hielt sie inne und rief aus: »Was habe ich gesagt? – dummes närrisches Mädchen, das ich bin!« Sie sah mich wild an, und, sich plötzlich beruhigend, entschuldigte sich für das, was sie ihre bedeutungslosen Worte nannte, und sagte, dass sie tatsächlich von Sinnen sein müsse, denn so lange Raymond lebte, müsse sie glücklich sein; und dann ließ sie mich ruhig gehen, wenngleich sie noch weinte. Raymond nahm nur ihre Hand, als er ging, und sah sie ausdrucksvoll an; sie antwortete mit einem Blick voller Weisheit und Einverständnis.
Armes Mädchen! Was sie damals durchlitten hat! Ich konnte Raymond nie die Prüfungen verzeihen, die er ihr auferlegt hatte, weil sie von einem selbstsüchtigen Gefühl seinerseits ausgingen. Er hatte geplant,