Der letzte Mensch. Mary Shelley
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»Ich kann nur eine Verteidigung wagen«, antwortete Idris, »und dies ist die gleiche, die auch mein Bruder anbot; lade Lionel ein, sprich mit meinem Hirtenknaben –«
Die Gräfin unterbrach sie empört.
»Du!« – rief sie, und dann, mit einem verächtlichen Lächeln ihre verzerrten Gesichtszüge glättend, fuhr sie fort – »Wir werden hiervon zu gegebener Zeit sprechen. Alles, worum ich dich nun bitte, alles, was deine Mutter erbittet, Idris, ist, dass du diesen Emporkömmling während eines Monats nicht sehen wirst.«
»Ich wage nicht, einzuwilligen«, sagte Idris, »es würde ihn zu sehr schmerzen. Ich habe kein Recht, mit seinen Gefühlen zu spielen, seine angebotene Liebe zu akzeptieren und ihn dann mit Vernachlässigung zu bestrafen.«
»Das geht zu weit«, antwortete ihre Mutter mit zitternden Lippen und wieder vor Wut blitzenden Augen.
»Nun, gnädige Frau«, sagte Adrian, »wenn meine Schwester nicht einwilligt, ihn niemals wieder zu sehen, ist es gewiss eine nutzlose Qual, sie für einen Monat zu trennen.«
»Gewiss«, antwortete die einstige Königin mit bitterer Verachtung, »sollen seine Liebe, ihre Liebe und ihrer beider kindliche Flatterhaftigkeit meine Jahre voller Hoffnung und Angst aufwiegen, die ich mit der Erziehung der königlichen Nachkommen verbracht habe, um ihnen das hohe und würdevolle Betragen beizubringen, das jemand ihrer Abstammung wahren sollte. Aber es ist meiner unwürdig, zu streiten und mich zu beklagen. Vielleicht wirst du die Güte haben, mir zu versprechen, während dieses Zeitraums nicht zu heiraten?«
Dies wurde nur halb ironisch gefragt; und Idris wunderte sich, warum ihre Mutter einen feierlichen Eid von ihr erpressen sollte, etwas nicht zu tun, von dem sie nie geträumt hätte – aber das Versprechen wurde verlangt und gegeben.
Alles ging nun fröhlich weiter; wir trafen uns wie gewohnt und sprachen ohne Angst von unseren Zukunftsplänen. Die Gräfin war so höflich und entgegen ihrer Gewohnheit sogar liebenswürdig zu ihren Kindern, dass sie begannen, auf ihre letztliche Zustimmung zu hoffen. Sie war ihnen zu unähnlich, ihrem Geschmack zu sehr fremd, als dass sie ihre Gesellschaft genossen oder sie gesucht hätten, aber es bereitete ihnen Freude, sie versöhnlich und freundlich zu sehen. Einmal sogar wagte Adrian, ihr vorzuschlagen, mich zu empfangen. Sie lehnte mit einem Lächeln ab und erinnerte ihn, dass seine Schwester vorläufig versprochen hatte, geduldig zu sein.
Eines Tages, nach Ablauf beinahe eines Monats, erhielt Adrian einen Brief von einem Freund in London, in dem jener seine sofortige Anwesenheit für die Unterstützung einer wichtigen Sache forderte. Selbst ohne Arg, fürchtete Adrian keine Täuschung. Ich ritt mit ihm bis nach Staines. Er war in guter Stimmung; und da ich Idris während seiner Abwesenheit nicht sehen konnte, versprach er seine baldige Rückkehr. Seine ausgelassene Heiterkeit hatte die seltsame Wirkung, in mir entgegengesetzte Gefühle zu erwecken; eine Ahnung des Bösen hing über mir. Nach meiner Rückkehr trieb ich mich herum und zählte die Stunden, die verstreichen müssten, bis ich Idris wiedersehen würde. Wo sollte dies hinführen? Was könnte nicht alles an Üblem in der Zwischenzeit passieren? Könnte ihre Mutter Adrians Abwesenheit nicht ausnutzen, um sie über die Maßen zu bedrängen, vielleicht um ihr eine Falle zu stellen? Ich beschloss, komme was wolle, sie am nächsten Tag zu sehen und mit ihr zu sprechen. Diese Entscheidung beruhigte mich. Morgen, du Schönste und Beste, du Hoffnung und Freude meines Lebens, morgen werde ich dich sehen – ich Dummkopf träumte von einem Moment der Verzögerung!
Ich ging zu Bett. Um Mitternacht wurde ich von einem stürmischen Klopfen geweckt. Es war jetzt tiefer Winter; es hatte geschneit und schneite noch immer; der Wind pfiff in den blattlosen Bäumen und beraubte sie der weißen Flocken, während sie fielen; sein trostloses Seufzen und das fortgesetzte Klopfen vermischten sich wild mit meinen Träumen – endlich war ich hellwach; hastig kleidete ich mich an und beeilte mich, die Ursache dieser Störung zu entdecken und dem unerwarteten Besucher meine Tür zu öffnen. Bleich wie der Schnee, der sie bedeckte, mit gefalteten Händen, stand Idris vor mir. »Rette mich!«, rief sie und wäre zu Boden gesunken, hätte ich sie nicht aufgefangen. Nach einem Augenblick aber erwachte sie wieder und bat mich energisch, fast gewaltsam, Pferde zu satteln, sie nach London zu bringen – zu ihrem Bruder – sie auf irgendeine Weise zu retten. Ich hatte keine Pferde – sie rang ihre Hände. »Was kann ich tun?«, rief sie, »Ich bin verloren – wir beide sind auf ewig verloren! Aber komm – komm mit mir, Lionel; hier kann ich nicht bleiben – wir können uns in der nächsten Poststation eine Kutsche besorgen, noch haben wir vielleicht Zeit! Komm mit mir, um mich zu retten und zu beschützen!«
Als ich ihre kläglichen Forderungen hörte und sah, wie sie mit ungeordnetem Kleid, zerzausten Haaren und ängstlichen Blicken ihre Hände rang – schoss mir der Gedanke durch den Kopf, ist auch sie verrückt? – »Mein Liebling«, und ich zog sie an meine Brust, »ruhe dich besser aus, als weiterzuwandern – setze dich – meine Geliebte, ich werde ein Feuer machen – du frierst.«
»Mich ausruhen!«, rief sie, »hinsetzen! Du redest irre, Lionel! Wenn du zögerst, sind wir verloren; ich bitte dich, komm, es sei denn, du willst mich für immer vertreiben.«
Dass Idris, die fürstlich Geborene, die in Reichtum und Luxus aufgewachsen war, durch die stürmische Winternacht von ihrer königlichen Behausung gekommen sein, an meiner niedrigen Tür stehen und mich durch Dunkelheit und Sturm mit sich zur Flucht bewegen sollte – war gewiss ein Traum – doch ihre klagenden Töne, ihr liebreizender Anblick überzeugten mich, dass es keine Vision war. Sie sah sich ängstlich um, als fürchte sie, belauscht zu werden, und flüsterte: »Ich habe entdeckt, dass morgen – das heißt, heute, denn Mitternacht ist bereits vorüber – noch vor dem Morgengrauen Ausländer, von meiner Mutter angeheuerte Österreicher, hier sein werden, um mich nach Deutschland zu bringen, ins Gefängnis, in eine Ehe – überallhin, nur fort von dir und meinem Bruder – bring mich fort, denn sie werden bald hier sein!«
Ich war erschrocken von ihrer Heftigkeit und glaubte an irgendeinen Fehler in ihrer unzusammenhängenden Geschichte; doch ich zögerte nicht länger, ihr zu gehorchen. Sie war allein vom Schloss gekommen, drei lange Meilen, um Mitternacht, durch den schweren Schnee; wir mussten Englefield Green, eineinhalb Meilen weiter, erreichen, ehe wir eine Kutsche bekommen konnten. Sie sagte mir, dass sie ihre Kraft und ihren Mut bis zu ihrer Ankunft in meiner Hütte aufrechterhalten hatte und dann beide versagten. Jetzt konnte sie kaum mehr gehen. Obgleich ich sie stützte, so gut ich konnte, blieb sie zurück; und nach einer halben Meile Entfernung, nach vielen Unterbrechungen, Zittern und halben Ohnmachten, rutschte sie von meinem stützenden Arm in den Schnee und beteuerte unter einem Strom von Tränen,