Oliver Twist. Charles Dickens
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Mrs. Sowerberry gab dem Gedanken ihres Gatten, blos mit dem Bemerken, warum ihr einfältiger Eheherr denn nicht schon längst daran gedacht, Beifall, und Mr. Sowerberry beschloss, Oliver in die Mysterien des Leichenbestattergeschäfts einzuweihen, und sich daher von ihm zum ersten besten vorkommenden Begräbnisse begleiten zu lassen. Die Gelegenheit liess nicht lange auf sich warten, denn eine halbe Stunde darauf erschien Bumble mit dem Auftrage zu einem Kirchspielbegräbnisse.
Mr. Sowerberry ordnete die erforderlichen Vorbereitungen, und befahl Oliver, mit ihm zu gehen. Sie begaben sich nach dem bezeichneten Hause, um das Mass zum Sarge zu nehmen, wo sich ihren Blicken eine Scene des grauenvollsten Elends darbot, die auf Oliver, obgleich er an Elend so wohl gewöhnt war, den peinlichsten Eindruck machte.
Am folgenden kalten und regnichten Tage wiederholten sie ihren Besuch, die Leiche wurde in den Sarg gelegt, jede Anordnung war getroffen. Mr. Sowerberry sagte den Trägern, sie möchten sich sputen, und den Geistlichen nicht warten lassen; es wäre schon spät. Die Träger setzten sich in eine Art von Trab, und Oliver musste fast laufen, um mitkommen zu können. Der Geistliche war noch nicht angelangt, der Sarg wurde in einem entfernten Winkel des Kirchhofs neben der Gruft einstweilen niedergesetzt, und Mr. Sowerberry und Bumble setzten sich zum Küster in die Sacristei an das Feuer, und nahmen die Zeitungen zur Hand.
Nach einer halben Stunde erschien der Geistliche, Bumble verjagte die Gassenbuben, die sich damit unterhielten, herund hinüber über den Sarg zu springen, der Geistliche las eilend die Gebete, entfernte sich wieder, der Sarg wurde eingesenk, die Grube zugeworfen, und Alle begaben sich auf den Heimweg.
„Nun, Oliver, wie hat dir’s gefallen?“ fragte Mr. Sowerberry.
„Recht gut, bedanke mich, Sir,“ antwortete Oliver zögernd; „aber doch eigentlich nicht sehr gut.“
„Wirst dich schon daran gewöhnen,“ sagte der Leichenbesorger; „und ’s ist gar nichts, wenn du’s erst gewohnt bist.“
Oliver hätte gern gewusst, wie lange es gedauert, ehe Mr. Sowerberry sich daran gewöhnt, wagte jedoch nicht zu fragen, und kehrte gedankenvoll mit seinem Herrn nach Hause zurück.
Sechstes Kapitel.
In welchem Oliver kräftig auftritt.
Es fiel gerade eine sehr ungesunde Zeit ein, und Oliver sammelte daher in wenigen Wochen viel Erfahrung. Die Erfolge der scharfsinnigen Speculation Mr. Sowerberry’s übertrafen alle seine Erwartungen. Die ältesten Leute wussten sich nicht zu erinnern, dass so viele Kinder an den Masern gestorben waren, und Oliver mit schwarzen, bis an die Knie herunterreichenden Hutbändern führte einen Leichenzug nach dem andern an. Die Mütter bewunderten ihn über die Massen und waren unbeschreiblich gerührt. Da er seinen Herrn auch zu den meisten Erwachsenen-Begräbnissen begleiten musste, um sich die für einen vollkommenen Leichenbestatter so nothwendige gemessene Ruhe und Selbstbeherrschung anzueignen, so hatte er häufig Gelegenheit, die schöne Ergebung und Seelenstärke zu bemerken, welche so viele Leute bei ihren schmerzlichen Prüfungen und Verlusten beweisen.
Hatte Sowerberry zum Beispiel das Begräbniss einer reichen alten Dame, oder eines reichen alten Herrn zu besorgen, der von einer grossen Anzahl von Neffen und Nichten umgeben war, welche sich während seiner Krankheit vollkommen untröstlich gezeigt, und ihren Schmerz nicht einmal vor den Augen des grossen und grössten Publicums hatten bemeistern können, so blieb es selten aus, dass sie unter sich so heiter waren, als man es nur wünschen konnte, und so froh und zufrieden mit einander redeten oder auch lachten, als wenn sie ganz und gar keine Trübsal erlebt hätten. Ehemänner ertrugen den Verlust ihrer Frauen mit der heldenmüthigsten Ruhe, und Ehefrauen legten die Trauerkleider um ihre Männer auf eine Weise an, als wenn sie dadurch nicht etwa Schmerz andeuteten, sondern so anziehend als möglich erscheinen wollten. Viele Damen und Herren, welche bei der Beerdigung der Verzweiflung nahe zu sein schienen, beruhigten sich schon auf dem Heimwege, und waren vollkommen gefasst, bevor die Theestunde vorüber war. Dieses Alles war sehr angenehm und lehrreich anzuschauen, und Oliver sah es mit grosser Bewunderung.
Dass das Beispiel so vieler Leibtragenden ihn zur Ergebung und Geduld gestimmt hätte, kann ich mit Bestimmtheit nicht behaupten, sondern vermag nur so viel zu sagen, dass er Wochen lang mit Sanftmuth die Tyrannei und üble Behandlung ertrug, die er von Seiten Noah’s erfuhr, der um so erbitterter gegen ihn wurde, weil sein Neid gegen ihn erregt worden war. Charlotte misshandelte ihn, weil es Noah that, und Mrs. Sowerberry war seine erklärte Feindin, weil ihr Gatte sich ihm ziemlich freundlich erwies. Und so befand sich denn Oliver bei diesen Feindschaften und fortwährender Leichenbegleitungslast nicht ganz so comfortable, als das hungrige Ferklein, das aus Versehen in die Kornkammer einer Brauerei eingeschlossen war.
Es muss aber jetzt ein an sich unbedeutender Vorfall erzählt werden, der jedoch eine bedeutende Veränderung mit Oliver selbst, wie mit seinen Lebensschicksalen zur Folge hatte.
Eines Mittags befand er sich mit Noah in der Küche. Sein Peiniger trieb seine gewöhnlichen Neckereien weiter als gewöhnlich, und hatte es offenbar darauf angelegt, ihn ausser Fassung und zum Weinen zu bringen, was jedoch lange nicht gelingen wollte. Endlich sagte Noah scherzend, er werde nicht verfehlen zuzuschauen, wenn Oliver gehangen würde, und fügte hinzu: „Was wird aber deine Mutter dazu sagen — und wie geht’s ihr denn?“
„Sie ist todt,“ entgegnete Oliver, feuerroth vor Entrüstung; „untersteh’ dich aber nicht, mir Böses von ihr zu sagen.“
„Woran starb sie denn?“ fragte Noah weiter.
„An Kummer und Herzleid, wie mir eine unserer alten Wärterinnen gesagt hat,“ erwiderte Oliver, mehr wie wenn er mit sich selbst redete, als Noah’s Frage beantwortend. „Ich glaube, dass ich’s weiss, was es heisst, daran zu sterben!“
Ueber seine Wange rollte eine Thräne hinab, Noah pfiff eine muntere Weise, und sagte darauf: „was hast du zu plärren — um deine Mutter?“
„Dass du mir kein Wort mehr von ihr sagst — sonst nimm dich in Acht!“ rief Oliver.
„Ich soll mich in Acht nehmen — ich — mich in Acht nehmen vor einem solchen unverschämten Thunichtgut? Und von wem soll ich kein Wort mehr sagen? Von deiner Mutter? Die mag auch die rechte gewesen sein — ha, ha, ha!“
Oliver verbiss seine Pein und schwieg. Noah nahm den Ton spöttischen Mitleids an.
„Nun, nun, sei nur ruhig; ’s ist nichts mehr d’ran zu ändern, und ich bedaure dich, wie’s Alle thun. Indess ist das wahr, ich weiss es, deine Mutter taugte nichts; sie ist eine ganz verworfene Person gewesen, und es war nur gut, dass sie starb, denn es würde ihr jetzt schlecht genug ergehen in der Tretmühle, wenn sie anders nicht deportirt oder gehangen wäre. Hab’ ich nicht Recht, Armenhäusling?“
Oliver’s Geduld war zu Ende; er sprang auf, fasste Noah bei der Kehle, schüttelte ihn, sammelte seine ganze Kraft, und schlug ihn mit einem einzigen Schlage zu Boden. Es war, als wenn er plötzlich verwandelt, ein ganz anderes Wesen geworden wäre, als der stille, geduldige, sanftmüthige, der schüchterne Knabe, zu welchem eine harte Behandlung ihn gemacht hatte.
Noah war in Bestürzung und schrie jammervoll: „Er macht mich todt — Charlotte — Mrs. Sowerberry — Hilfe, Hilfe! — Oliver ist rasend geworden!“
Es währte nicht lange, bis sein Geschrei durch ein ähnliches beantwortet wurde. Charlotte stürzte herein, Mrs. Sowerberry zögerte noch an der Treppe, um erst die Ueberzeugung zu gewinnen, dass sie ihr Leben nicht in Gefahr setze. Endlich erschien sie gleichfalls; Charlotte packte Oliver und schlug mit derber Faust auf ihn los,