Oliver Twist. Charles Dickens

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Oliver Twist - Charles Dickens

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hoffe, dass ihr heute Morgen gearbeitet habt,“ sagte der Jude zu Jack, nach Oliver blinzelnd.

      „Tüchtig,“ lautete die Antwort.

      „Wie Drescher!“ setzte Charley Bates hinzu.

      „Ah, ihr seid gute Jungen! Was hast du mitgebracht, Baldoberer?“

      „Ein paar Brieftaschen,“ erwiderte Jack, und reichte ihm eine rothe und eine grüne.

      Der Jude öffnete beide und durchsuchte sie mit bebender Begier. „Nicht so schwer, als sie sein könnten,“ bemerkte er; „aber doch artige Arbeit, recht artige Arbeit — nicht wahr, Oliver?“

      „Ja wahrlich, Sir,“ antwortete Oliver, worüber Charley Bate, zur grossen Verwunderung Olivers, laut zu lachen anfing.

      „Was hast du denn mitgebracht, Charley?“ fragte der Jude.

      „Schneichen,“ erwiderte Master Bates, und wies vier Taschentücher vor.

      Der Jude nahm sie in genauen Augenschein.

      „Sie sind sehr gut,“ sagte er; „du hast sie aber nicht gezeichnet gut; die Buchstaben müssen wieder ausgelöst werden, und das soll Oliver lernen. Willst du, Oliver?“

      „Wenn Sie es befehlen, gern, Sir,“ war Oliver’s Antwort.

      „Möchtest du mir wol eben so leicht Taschentücher anschaffen können, wie Charley?“

      „Warum nicht — wenn Sie es mir lehren wollen, Sir?“

      Charley brach abermals in ein ausgelassenes Gelächter aus, und wäre dabei fast erstickt, da er eben einen Bissen zum Munde geführt hatte. „Er ist gar zu allerliebst grün!“ rief er endlich, gleichsam zur Entschuldigung seines unhöflichen Benehmens, aus.

      Der Baldoberer bemerkte, Oliver würde seiner Zeit schon Alles lernen. Der Jude sah Oliver die Farbe wechseln, und lenkte das Gespräch auf einen andern Gegenstand. Er fragte, ob viele Zuschauer bei der Hinrichtung gewesen wären, und Oliver wurde noch verwunderter; denn aus den Antworten Jack’s und Charley’s ging hervor, dass sie Beide zugegen gewesen waren, und es war ihm unerklärlich, wie sie dessungeachtet so fleissig hatten arbeiten können.

      Als das Frühstücken beendet war, spielten der muntere alte Herr und die beiden Knaben ein äusserst sonderbares und ungewöhnliches Spiel. Der alte Herr steckte eine Dose, eine Brieftafel und eine Uhr in seine Taschen, eine Brustnadel in sein Hemde, hing eine Uhrkette um den Hals, knöpfte den Rock dicht zu, ging auf und ab, blieb bisweilen stehen, als wenn er in einen Laden hineinsähe, blickte beständig umher, als wenn er Furcht vor Dieben hegte, befühlte seine Taschen, wie um sich zu überzeugen, ob er auch nichts verloren hätte, und machte das Alles so spasshaft und natürlich, dass Oliver lachte, bis ihm die Thränen über die Wangen hinabliefen. Die beiden Knaben verfolgten unterdess den Alten und entschwanden, wenn er sich umdrehete, seinen Blicken mit der bewunderungswürdigsten Behendigkeit. Endlich trat ihm der Baldoberer wie zufällig auf die Zehen, während Charley Bates von hinten gegen ihn anrannte, und sie entwendeten ihm dabei Taschentuch, Uhr, Brustnadel u. s. f. so geschickt, dass Oliver kaum ihren Bewegungen zu folgen vermochte. Fühlte der alte Herr eine Hand in einer seiner Taschen, so war der Dieb gefangen, und das Spiel fing von vorn wieder an.

      Es war mehrere Male durchgespielt, als zwei junge Damen erschienen, um die jungen Herren zu besuchen. Die eine hiess Betsy, die andere Nancy. Ihr Haar war nicht in der genauesten Ordnung, ihre Schuhe und Strümpfe schienen nicht im besten Zustande zu sein. Sie waren vielleicht nicht eigentlich schön, hatten aber viel Farbe und ein kräftiges, munteres Aussehen. Ihre Manieren waren sehr frei und angenehm, und so meinte Oliver, dass sie sehr artige Mädchen wären, was sie auch ohne Zweifel waren.

      Sie blieben lange. Es wurde geistiges Getränk gebracht, da die jungen Damen über innerliche Kälte klagten, und die munterste Unterhaltung entspann sich. Endlich erinnerte sich Charley Bates, dass es Zeit sei, auszugehen. Der gute alte Herr gab ihm und dem Baldoberer verschiedene Anweisungen und Geld zum Ausgeben, worauf sie sich nebst Betsy und Nancy entfernten.

      „Ist’s nicht ein angenehmes Leben, das meine Knaben führen?“ sagte Fagin.

      „Sind sie denn auf Arbeit ausgegangen?“ fragte Oliver.

      „Allerdings,“ erwiderte der Jude; „und sie arbeiten den ganzen Tag unverdrossen, wenn sie nicht werden gestört. Nimm sie dir zum Muster, mein Kind; thu’ Alles, was sie dir heissen, und folg’ jederzeit ihrem Rath, besonders dem des Baldoberers. Er wird werden ein grosser Mann, und auch aus dir machen ’nen grossen Mann, wenn du dir ihn zum Vorbilde nimmst. Hängt mein Taschentuch aus der Tasche, mein Lieber?“

      „Ja, Sir,“ sagte Oliver.

      „So sieh’ einmal zu, ob du es herausziehen kannst, ohne dass ich’s fühle, wie du’s vorhin gesehen hast von den Beiden.“

      Oliver erinnerte sich genau, wie er es Jack hatte thun sehen, und that es ihm nach.

      „Ist’s heraus?“

      „Hier ist es, Sir.“

      „Du bist ein kluger Knabe,“ sagte der alte Herr, ihm die Wange klopfend; „ich habe niemals gesehen ein anstelligeres Kind. Da hast du ’nen Schilling. Fährst du so fort, so wirst du werden der grösste Mann deiner Zeit. Doch will ich dir jetzt zeigen, wie man herauslöst die Buchstaben.“

      Oliver konnte gar nicht begreifen, wie er ein grosser Mann dadurch werden könne, dass er dem alten Herrn das Tuch aus der Tasche zöge, meinte jedoch, dass es der so viel Aeltere besser wissen müsse, als er, und war bald eifrig mit seinen neuen Studien beschäftigt.

      Zehntes Kapitel.

      Oliver gewinnt Erfahrung um einen hohen Preis.

      Oliver blieb acht bis zehn Tage im Zimmer des Juden, wurde fortwährend beschäftigt, Zeichen aus Taschentüchern herauszulösen, und nahm bisweilen an dem beschriebenen Spiele Theil, das täglich gespielt wurde. Er fing immer mehr an, sich nach frischer Luft zu sehnen, und bat den alten Herrn mehrmals auf das Dringendste, ihn mit seinen beiden Kameraden zum Arbeiten ausgehen zu lassen.

      Endlich wurde ihm eines Morgens die Erlaubniss ertheilt, unter Jack’s und Charley’s Aufsicht auszugehen. Sie gingen, und geriethen sogleich in ein sehr faulenzerisches Schlendern, was Oliver höchst missbilligte, eingedenk der vielfachen Warnungen des alten Herrn vor dem verderblichen Müssiggange. Der Baldoberer verübte mannichfachen Muthwillen an Knaben, und Charley erlaubte sich sogar, die Heiligkeit des Eigenthums zu verletzen, wenn er an einem Apfel- oder Zwiebelkorbe vorüber kam. Oliver war daher schon im Begriff, unwillig heimzukehren, als seine Begleiter auf einmal anfingen, sich äusserst geheimnissvoll zu benehmen, wodurch er von seinem Vorhaben abgelenkt wurde.

      Sie umschlichen einen alten Herrn, auf den sie ihn aufmerksam gemacht hatten, ohne seine Fragen anders als durch einige ihm unverständliche Worte und Winke zu beantworten. Er hielt sich einige Schritte hinter ihnen, und stand endlich, unschlüssig, ob er weitergehen oder sich zurückziehen solle, verwundert zuschauend da.

      Der alte Herr sah sehr respectabel aus, trug Puder in den Haaren und eine goldene Brille. Er hatte sich vor einen Bücherladen hingestellt, ein Buch zur Hand genommen, las darin, sein spanisches Rohr unter dem linken Arme, und hörte und sah offenbar nicht, was um ihn her vorging.

      Wer beschreibt Oliver’s Bestürzung, als der Baldoberer

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