Hol über, Cherub. Hans Leip

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Hol über, Cherub - Hans Leip страница 12

Hol über, Cherub - Hans Leip

Скачать книгу

wegpusten! murrten die Kellerlöcher: Haben wir nichts, brauchen andere auch nichts. Und seine Katze sollte lieber unsere Ratten fressen als den guten Fischabfall.

      Es kam so weit, daß einer jener Schiefmäuligen, der einige Munition zu verbergen gewußt, gelegentlich eine Sprenggranate unter den Bootskiel schob; und somit ging auch dieser Glanz dahin, der letzte der kleinen Stadt, der solide Fischerkahn. Und auch die Katze war mit draufgegangen.

      Der Fischknecht schlich gekrümmt wie ein böser Angelhaken umher, schnupperte in alle Löcher, als wolle er den Täter erschnuppern; oho, welchem Beton von Ehrbarkeit, Ahnungslosigkeit und empörter Gekränktheit begegnete er überall. Er ließ nicht locker. Schwankend vor Ingrimm, geriet er zur Dämmerung ins Kielwasser des Singsangs, der die störrischen Visagen wie üblich ein wenig ans Freie zu locken verstand. Hieß es eben: Der letzte Glanz? O je, wie stand es mit dem kleinen Singsang der Törin? Keine Sorge, sie sang noch. Aber wer schon fand Besonderes dabei? Der Fischknecht gedachte es nur als Köder zu nutzen. Gierig folgte er der zarten Stimme, die wie alltäglich ungefragt und kostenlos hin und her zog durch die traurigen Winkel. Aber die struppigen Schädel, die eben hervorgeschlüpft waren, der Törin an die Beine zu schielen, verduckten sich restlos, als sie des Fischknechtes Sonntagssohlen heranknirschen hörten, und auch die Kinder entflohen. Seine großmächtigen Wasserstiefel und selbst seine Holzpantoffeln waren mit dem Boot in die Luft geflogen.

      Du bist die rechte Sirene, knurrte er der Törin nach; denn er hatte aus den Zeiten, wo es noch Bücher gegeben, manches Absonderliche behalten, unter anderm auch das mit den Sirenen, die lieblichere Töne hervorzubringen wissen als die Signalpfeifen der Fabriken, Luftwarnungen und Ozeaner.

      Schließlich blieb die Törin stehen, und als er heran war, sagte sie mitten in ihrem Gesang: Und du willst ihn erdrosseln?

      Das will ich, antwortete der Fischer. Und wenn du mir das Saustück zeigst, hier auf der Stelle.

      Was hättest du wohl zu geben? lachte die Törin.

      Er überlegte nicht, so aussichtsreich erschien ihm die Frage. Was du willst! sagte er gierig.

      Gir mir deine Uhr, sagte sie und kam dicht an ihn heran.

      Aber erst ..., meinte er und wäre etwas zurückgewichen, wenn nicht die elenden Mauerbrocken und das enge Schuhwerk die Beweglichkeit gehindert hätten. Da fühlte er ihre Finger auch schon an seinem Handgelenk, und die teure Uhr löste sich von ihm.

      Wie also heißt das Schwein? fragte er drohend.

      Es ist noch nicht genug! lächelte sie, und ihr Gesicht blickte rund und milde zu seiner Ungeschlachtheit auf.

      Nicht genug? Das wäre noch schöner! brummte er. Jedoch er brummte lange nicht so, wie er wohl hätte toben mögen. Es gafften nämlich schon wieder ein paar borstige Schnauzen über die Kellerschwellen und, über die Schultern gedrückt, zwei, drei hohle, hungrige Kindergesichter. Die Törin lächelte weiter und sagte: Deine Mütze muß ich auch haben, die ist auch ergaunert.

      Erlaube mal, polterte er und richtete sich auf, um das gute Stück aus der Reichweite zu entfernen.

      Und deine knackigen Schuhe auch, sagte sie.

      Er wollte ihr höhnisch den Rücken kehren. Es wurde ihm zu dumm. Zumal ihre Stimme höchst verändert und eindringlich geklungen hatte. Du bist wohl verrückt, knurrte er, aber er kriegte die Beine nicht recht von der Stelle. Zieh sie doch aus, sagte Moiji sonderbar leichthin: Sie drücken dich ja doch nur.

      Der grobe Fischkecht schnappte nach Luft. Derartige Frechheit war ihm noch nicht vor den Bug gelaufen. Sie sah ihn merkwürdig an, wandte sich nun ihrerseits und ging weiter und sang.

      Was denn sang sie? Nicht viel. Wie meistens, nur dieses:

      Hol über, Cherub,

      komm mit deinem Boot!

      Am andern Ufer

      gibt es keine Not,

      so hörten wir.

      O gönn uns einen Blick!

      Doch ist es dort wie hier,

      bring uns zurück!

      Mach keine Scherze! keuchte er ihr nach und: Rutsch mir deinen Buckel rauf! Du zeigst mir jetzt den Banditen oder ...! Und er kam hinter ihr her, seine Schuhe brannten wie Kneifzangen. Er drehte seine Wut, von der sie nicht erreicht zu werden schien, den Kellern zu, aber da war nichts mehr, weder Gaffer noch Löcher. Die Gegend war verändert; sie waren weiter hinaus gelangt, als er zu meinen sich entsann. Die Schutthaufen sahen geglättet aus, Hügel an Hügel, und Kreuze waren darauf gepflanzt. Da bin ich noch gar nicht gewesen, dachte er, und duster ist es auch schon. Die Hügel lagen überall im Weg, er stolperte hierhin und dorthin. Die Weidenröschen standen dicht und hoch, starr wie Bambus schlugen sie in sein Gesicht. Und man hörte die Kröten aus den Muddlöchern den Baß blasen zum Lied der Törin, und dort, wo sie ging, war ein dünner Weg, dort, sieh an, ging auch seine Bootskatze und schrie begehrlich. Er mußte wohl oder übel ihr nach, und es war wohl auch klüger wegen der weggeschnappten teuren Armbandsache. Auch würde sie schon wissen, diese gefährliche Buckellerche, wie man aus diesem elenden Friedhofe hinaus gelangen könne. Sie sang so völlig unbeschwert, sang und sang. Es ist der Mond, sagte sich der Fischknecht, der hinter den Wolken sich herumdrückt, der zaubert schlimmer als ein Schnapshändler. Und er zog eine Flasche aus der Jacke und nahm einen stärkenden Schluck. Wird’s nun bald? fragte die Törin.

      Er wäre fast auf sie aufgeprallt, so plötzlich hatte sie sich wieder umgewandt und stand dicht vor ihm; er mußte sich an ihren Armen halten, und das fühlte sich nicht unangenehm an, schade nur, daß dabei die Flasche ihm aus der Hand entglitt und zerschellte. Die Bootskatze – oho, träume ich? dachte er –, die Bootskatze zerschellte mit.

      Verzeihung, sagte er höflich. Die Törin erwiderte milde: Setz ab! Zieh aus! Da setzte er wahrhaftig die dicke Mütze ab, die er um fünf Kilo grünen Aal erscheuert hatte. Deck dir den Buckel damit zu, wollte er sagen. Es wollte ihm jedoch nicht durch die Kehle. Sie lächelte ihn an, und sie lächelte gut. Und die Schuhe, die engen Schuhe? drängelte sie.

      Wer redet von eng? erwiderte er. Ich hab, was ich hab.

      Dabei hätte er aufheulen mögen, seine Füße saßen wie in Schraubstöcken. Ich brauche die Senkel nur ein wenig lockerer zu schnüren. Er bemühte sich, derartiges ganz behaglich hervorzubringen, bückte sich aber schon eilig, und dabei berührte seine Stirn ihre Knie, und gerade begann sie wieder zu singen. Der bebende Klang floß in ihn ein, durch ihre Knie in seine Stirn, und indem er sich für bodenlos lächerlich hielt, weil er daranging, seine tadellosen Sonntagsschuhe, weiß dieser und jener, von den Socken herunterzuwürgen, kam eine süße Freudigkeit über ihn, so, als müsse er ihre Knie dankbar umfassen, denen er gleich anderen gelegentlich gern nachgeblickt hatte, ihrem Buckel zum Trotz und allen sonstigen Erlebnissen, die derzeit mit genügend frischen Fischen leichtlich einzustreichen waren. Nimm den Dreck! sagte er dann, so heftig es gehen wollte, und er richtete sich auf, und es beruhigte ihn, daß sie sich allein und im Dunkeln befanden: Und nun laß das Gesinge und raus mit der Sprache!

      Du mußt erst auch noch deine Jacke ausziehen! entgegnete sie. Für die hätte hier jedermann mindestens eine Woche lang gut Fisch gehabt.

      Schwindel, gräßlicher Schwindel! brüllte er auf, und ihm war wirklich ganz schwindlig. Ja, es ist heiß, brummte er dann, und damit zog er, man sollte es nicht glauben, tatsächlich die Jacke aus. Los, los! sagte er benommen. Ja, da sind wir! lachte sie. Sie standen wieder mitten im Ort, und die

Скачать книгу