Hol über, Cherub. Hans Leip

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Hol über, Cherub - Hans Leip

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als sie sagte: Die beiden hatten sich den Abend versöhnt, aber eine Unruhe trieb sie zu den Kindern, und als dann der Alarm kam und sie die Kleinen im Keller gut behütet fand, hielt es sie nicht, sie mußte zu ihm zurück und ist direkt in die Mine hineingelaufen, die unser Haus auseinanderriß ...

      Und er ... wollte Herr Pambel sagen, aber da sagte sie es schon, und sie drückte den Kopf krampfhaft gegen die Wagenwand. Der Wagen schütterte gleichmäßig dahin und übertönte gnädig, wie sehr das Schluchzen sie schüttelte. Es war, als weine sie das zu Ende, was sie den Abend vorher begonnen.

      Und dies sind seine Kinder, sagte Herr Pambel, so zart er vermochte, ahnend, daß nunmehr eine andere Tapferkeit ihm leuchte als die, welche in Berichten rühmend erwähnt wird, oder gar die, allein zu sein oder still in der Allgemeinheit zu verschwinden, und er neigte die zersprungenen Lippen beschämt vor Glück, daß ihm eine solche Ehre zugebilligt sei.

      Duft von reifenden Saaten wehte aus dem Dunkel. Hier war des Mordens kein Raum, und droben am unzerstörbaren Himmel, einbezogen in die Angst und Freude der Geschöpfe, pulsten die Sterne.

      Die Törin

      Nicht weit vom See am Strome lag die kleine Stadt. Die Würgedrachen waren darüber hergefahren. Wer von den Bewohnern deshalb sein Leben hatte einbüßen müssen, er brauchte nicht mehr zu klagen. Denn die Zeit, die folgte, war elender als der Tod.

      Nur die kleine Törin blieb guter Dinge. Zwar besaß sie einen Buckel, nicht groß, aber immerhin. Sozusagen zum Ausgleich hatte sie hübsche Beine und überdies ein einfältiges Herz, keineswegs etwa frei von Neigung zu bedeutenden Dingen, doch des Zweifels enthoben über das, was sie tat, und das, was darzustellen ihr gegeben war. Sie pflegte nach Feierabend durch die Trümmerschluchten zu gehen, die vormals Straßen und Gassen gewesen waren, und dann sang sie. Ja, sie hatte eine freundliche Stimme. Und sie nickte zu den ausgebrannten Mauern empor, als singe sie für die, welche hier gelebt und ausgelitten hatten.

      Der Fischknecht aber war unterwegs.

      Zwischen den Ruinen in den Rattenkellern, da wohnte noch mancher. Da wuchsen, wenn sie singend vorbeikam, die Köpfe wie giftige Pilze aus dem Mulm, und Aasgeruch ging davon aus. Die Reinlichkeit war selten geworden; ach, was soll man darüber reden, man weiß, wie das ist, wenn der Mangel überhand nimmt, wenn man unter dem baren Nichts zu ersticken droht und den Regen beneidet, der weiter keine Bedürfnisse hat, als feucht zu sein, sich hinzuhauen und zu verdunsten, und der – so nebenbei – die Weidenröschen hervortätschelt, den Schutt zu überblühen, unaufgefordert wie der Gesang der Buckligen. Denn das Schöne ruht nie.

      Und mancher grinste ihr zu, einladend, sein bißchen Nichts mit ihm zu teilen und das ihre mit seinem. Von den Kellerlöchern war es eine günstige Perspektive, an ihr hinauf zu blinzeln. Das war denen, die an Bartgestoppel und kahlen Schädeln als männlich zu ersehen waren, mit blassem Vergnügen klar. Außerdem war der Vater dieser Sängerin der Verwalter der Fabrik, wo sie alle in Lohn standen. Die weiblichen Wesen jedoch in den mürben Höhlen, von aussichtsloser Hausarbeit und jenseits aller Schönheitspflege trübe aufmerkend, hielten nicht zurück, an die Tatsache zu gemahnen, daß diese Nachtigall eine höchst alberne, verbogene, bucklige und durchgedrehte Schraube sei. Denn welchen Wert man auch dem männlichen Geschlechte beizumessen sich entscheidet, derzeit und des Orts hatte es den Wert der Seltenheit und war von Begehr, Neid und Verzweiflung umwittert.

      Der Fischer aber gab der großen Stadt den Vorzug, wenn er das Gewicht seines Wertes mit dem seines Fanges ins Unerhörte steigerte. Die kleine Stadt oder vielmehr das, was so trostlos von ihr nachgeblieben war, hätte es nötiger gehabt und hatte nichts davon, nicht den kleinsten Stintschwanz.

      Die Törin aber sang, und keiner nahm sie für voll.

      Sie kam bis an die Uferkante. Dort, in dem engen Bunker des Postens, der vormals die Gegend hatte bewachen sollen, hauste der Fischknecht, falls er jemals da war. Dann auch lag sein Boot auf den Strand gezogen, ein derbes dickes Boot, das einzige, was ringsum erhalten geblieben war, und sein angebliches Eigentum, und es wäre schwer gewesen, es zu stehlen; auch war das, was daran beweglich war, samt den Seestiefeln, sorgfältig unter dem panzerstarken Lukendeckel verschlossen.

      Viel Mißgunst lagerte um dieses Boot.

      Die Törin sang auch daran vorüber. Und der Fischknecht blickte ihr nach.

      Wenn man mit den Augen nicht zu hoch hinaus will, sagte er sich, dann ist es so übel nicht.

      Sie dürfte nur nicht singen.

      Man möchte ihr beinah etwas geben dafür. Aber was hätte sie schon Handfestes zu tauschen?

      Und er blickte in die Wolken und auf seine Armbanduhr, es war Zeit, wieder auf Fang zu fahren.

      Die Fabrik stellte Bausteine her aus dem Schutt der Häuser und verkaufte sie an die große Stadt, wo schon wieder Industrie und Geld wuchsen. Für die kleine Stadt gab es keine Bausteine, die Bewohner hausten weiter in den Kellerlöchern, gingen in die Fabrik, mahlten Schutt, verbuken ihn zu Ziegeln, erhielten ihren Stempel und Lohn und erstanden die kargen Lebensmittel, die aus dem Erlös der Steine herangeschafft wurden.

      Der Verwalter der Schuttziegelei war zwar vom Staate fest angestellt, hatte es aber auch nicht viel besser in der undichten Bretterbude, wo er nebst dem bißchen Behörde und mit seiner Tochter untergekommen war.

      Er war ein ehrlicher Mann. Er verwaltete auch den Schuppen mit den Vorräten.

      Das genügte, ihn mit Bosheit zu belauern.

      Seine einzige Tochter, das war die kleine Törin, die Bucklige, die einfältige Sängerin.

      Sie war seine einzige Freude, und so unnachsichtlich er gegen jede Nachlässigkeit im Betrieb einschritt, die Törin durfte tun, was sie wollte, spät aufstehen, vergessen, den Ofen zu heizen, vergessen, die Mahlzeiten zu bereiten, vergessen, das Geschirr und die Stube zu säubern.

      Jedoch sie nutzte es selten aus, war früh zugange, hielt alles in Ordnung, soviel an dem bißchen, was der Zerstörung entgangen, zu halten war, kochte, deckte auf und ab, wusch, schrubbte, flickte, stopfte und besorgte alles zur rechten Zeit.

      Was Wunder, daß auch sie der Neid umrankte derer, die fauler oder zermürbter waren als sie oder ungeschickter.

      Sie aber wuchs still dahin unter dem Efeu und den Mispeln des Abspenstigen, und ihre zierliche, liebreiche Stimme hob sich wie ein zarter Wipfel über den Verfall, die Öde und die Ungüte, als sei in ihr die vergangene Blüte des Ortes aufbewahrt.

      Moiji hieß sie, Moiji, so nannte ihr Vater sie.

      Ihre Mutter war den Soldaten erlegen, ihre Brüder gefallen, ihre Schwestern verschleppt.

      Und nun erreichte es auch ihren Vater.

      Niemand hatte gewagt, ihm ins Gesicht zu meckern, aber die Verdächtigungen, er habe sich nicht nur an den Vorräten, sondern auch an seiner übergedrehten Tochter vergriffen, genügten zu seiner Festnahme.

      Die Törin aber sang noch eine Weile weiter, zwischen den Höhlen zuseit der ehemaligen Gassen, und die Kinder gnickerten ihr nach und bewarfen sie mit Schuttbrocken. Doch dann kam die Sache mit dem Fischknecht. Seine Beute, die vormals als ziemlich belanglos gegolten, hatte er, den Bedarf ausschlachtend, in schwärzesten Tausch umgezaubert und Entsprechendes dafür in Besitz genommen, Gerät und Behang, ja sogar eine Armbanduhr aus angeblichem Gold, von der großartigen dicken Wollmütze ganz abgesehen und von den Sonntagsschuhen. Für die aber hatte er seine Butt wohl etwas eilig

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