Lange Schatten. Louise Penny

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Lange Schatten - Louise Penny Ein Fall für Gamache

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dösen, schwimmen, Weißwein, Abendessen, schwimmen, schlafen.«

      Clara war beeindruckt.

      »Na ja, wir hatten ja die ganze Woche Zeit, unseren Tagesablauf zu perfektionieren«, gestand Reine-Marie. »An solchen Dingen muss man arbeiten. Was haben Sie beide vor?«

      »Boot fahren, Statue enthüllen, betrinken, ins Fettnäpfchen treten, um Entschuldigung bitten, schmollen, essen, schlafen«, sagte Clara. »Ich hatte zwanzig Jahre Familienfeiern Zeit, das zu perfektionieren. Wobei Statuen enthüllen neu ist.«

      »Es ist eine Statue Ihres Vaters, oder?«, fragte Gamache Peter.

      »Der Pater Familias. Besser hier als in unserem Garten.«

      »Peter«, sagte Clara sanft.

      »Würdest du das etwa wollen?«, fragte Peter.

      »Nein, andererseits habe ich deinen Vater ja gar nicht richtig gekannt. Ich weiß nur, dass er wie sein Sohn ein gut aussehender Mann war.«

      »Ich bin ganz anders als er«, stieß Peter in einem völlig ungewohnten Ton hervor, der alle überraschte.

      »Mochten Sie Ihren Vater nicht?«, fragte Gamache, es schien ein naheliegender Schluss zu sein.

      »Ich mochte ihn ungefähr genauso sehr, wie er mich mochte. Ist das nicht immer so? Dass man das bekommt, was man selbst gibt? Das waren seine Worte. Und er hat nichts gegeben.«

      Daraufhin schwiegen alle eine Weile.

      »Nach dem Tod von Peters Vater hat seine Mutter wieder geheiratet«, erklärte Clara schließlich. »Bert Finney.«

      »Er war Angestellter in der Firma meines Vaters«, sagte Peter und warf Kieselsteine in den stillen See.

      Er war etwas mehr als ein Angestellter gewesen, wie Clara wusste. Aber sie wusste auch, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um ihren Mann zu verbessern.

      »Ich bin jedenfalls froh, wenn die Sache vorbei ist. Mutter will nicht, dass wir die Statue vor der Enthüllung sehen, deshalb hat Thomas vorgeschlagen, dass wir alle eine Bootsfahrt machen.« Er deutete mit dem Kopf auf ein grün gestrichenes Ruderboot, das am Steg vertäut war. Es war ungewöhnlich lang und hatte zwei Ruderdollen auf jeder Seite.

      »Das ist ja eine verchère«, sagte Reine-Marie erstaunt. Ein solches Boot hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen.

      »Stimmt«, sagte Peter. »Wir haben früher immer mit einer verchère an der örtlichen Ruderregatta teilgenommen. Thomas hielt es für eine gute Idee, um die Zeit totzuschlagen. Eine Art Hommage an Vater.«

      »Thomas nennt Sie Spot«, sagte Gamache.

      »Das tut er schon immer.« Peter hielt ihnen seine Hände entgegen. Reine-Marie und Gamache beugten sich darüber, als hätten sie vor, seinen Ring zu küssen. Doch statt eines Rings entdeckten sie Flecken. Spots eben.

      »Farbe«, sagte Reine-Marie und richtete sich wieder auf. »Das kriegen Sie mit Terpentin weg.«

      »Ach wirklich?«, fragte Peter mit gespieltem Erstaunen, dann lächelte er. »Die sind neu. Von heute Morgen in meinem Atelier. Aber schon früher hatte ich immer welche an den Händen, im Gesicht, an der Kleidung, den Haaren, überall. Irgendwann fiel Thomas das auf, und er fing an, mich Spot zu nennen.«

      »Ich vermute, dass Thomas nichts entgeht«, sagte Gamache.

      »Er ist der Meister des Recyclings«, erwiderte Peter. »Er sammelt Gespräche und Ereignisse und verwendet sie Jahre später gegen einen. Recycling, Revanche, Ressentiments. Thomas lässt nichts verkommen.«

      »Das erklärt den Spitznamen Spot«, sagte Reine-Marie. »Aber was ist mit Ihrer Schwester Mariana? Warum wird sie Magilla genannt?«

      »Das hat mit einer Zeichentrickserie zu tun, die sie sich als Kind jeden Tag angesehen hat. Magilla Gorilla. Sie war ganz verrückt danach. Die Sendung lief Frühabends, wenn Vater von der Arbeit nach Hause kam. Er bestand darauf, dass wir ihn alle an der Tür begrüßen, wie eine große glückliche Familie, aber Mariana war unten im Keller und sah fern. Er musste immer erst nach ihr rufen. Jeden Abend kam sie heulend die Treppe heraufgestampft.«

      »Thomas hat sie also Magilla nach einem Gorilla genannt?« Gamache begann sich allmählich ein Bild von dem Mann zu machen. Peter nickte.

      »Und wie haben Sie ihn genannt?«

      »Thomas. Ich war in unserer Familie schon immer der Kreative.«

      Sie saßen auf dem Steg und genossen die leichte Brise, die hier wehte. Peter hörte zu, während Clara noch einmal erzählte, wie sie Fortin bei seinem Besuch in ihrem Atelier im vergangenen Frühjahr das Porträt ihrer Freundin Ruth, der hageren alten Dichterin, gezeigt hatte. Verbittert, streitlustig und brillant. Aus irgendeinem Grund, den Peter niemals begreifen würde, hatte Clara sie als Madonna gemalt. Natürlich nicht als die unschuldige Jungfrau. Sondern als alte, allein gelassene Frau, die voller Furcht ihren letzten Lebensjahren entgegensah.

      Es war das schönste Bild, das Peter jemals gesehen hatte, und er hatte schon vor einigen Meisterwerken gestanden. Aber noch nie war ihm ein außergewöhnlicheres Werk unter die Augen gekommen als dieses Bild in Claras kleinem Atelier. Ihr Atelier befand sich im hinteren Teil des Hauses, an den Wänden lehnten die unverkäuflichen Bilder, dazwischen lagen Zeitschriften und alte verschrumpelte Orangenschalen, und direkt nebenan befand sich sein blitzblankes, ordentlich aufgeräumtes, übersichtliches Atelier.

      Aber während er sich ein weiteres Mal einen Alltagsgegenstand vorgenommen hatte, so nahe an ihn herangegangen war, bis man ihn nicht mehr als solchen erkannte, und damit ein abstraktes Bild schuf, dem er dann einen Titel wie Der Vorhang oder Grashalm oder Beförderung gab, hatte Clara in ihrem kleinen Atelier das Göttliche im Gesicht ihrer weißhaarigen, hageren, boshaften Nachbarin eingefangen. Mit ihren von dicken Adern überzogenen Händen hielt sie vor dem faltigen Hals einen blauen Schal zusammen. Ihr Gesicht zeigte Kummer und Enttäuschung, Wut und Verzweiflung. Mit Ausnahme ihrer Augen. Es sprang einem nicht entgegen. Es war eher eine Andeutung, ein zarter Hinweis.

      Aber es war da, in einem winzigen Fleck in ihrem Auge. Clara hatte auf die riesige Leinwand einen einzelnen Fleck, einen Tupfer gemalt. Und in diesen Tupfer hatte sie die Hoffnung gesetzt.

      Es war großartig.

      Er freute sich für sie. Wirklich.

      Da riss sie ein schriller Schrei aus ihren Betrachtungen, und im Nu waren sie alle auf den Beinen und drehten sich zum Manoir um. Armand Gamache wollte sich gerade in Bewegung setzen, als eine kleine Gestalt aus dem Garten geschossen kam.

      Bean.

      Mit dem hinter ihm herflatternden Badetuch um den Hals rannte das Kind schreiend auf sie zu, und seine Panik schien mit jedem Schritt größer zu werden. Es wurde von jemandem verfolgt. Als die beiden Gestalten näher kamen, erkannte Gamache die junge Gärtnerin.

      Peter, Clara, Gamache und Reine-Marie rannten los und breiteten die Arme aus, um das flüchtende Kind aufzuhalten, das es ihnen offenbar so schwer wie möglich machen wollte, aber schließlich gelang es Peter, Bean einzufangen.

      »Lass mich los«, jammerte Bean und wand sich in seinen Armen, als ginge die Gefahr von Peter aus. Mit weit aufgerissenen

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