Lange Schatten. Louise Penny

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Lange Schatten - Louise Penny Ein Fall für Gamache

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»Er ist für eine Statue.«

      »Eine Statue? Tatsächlich?«, sagte Reine-Marie. »Was für eine Statue denn?«

      »Die von Madame Finneys Mann.«

      Armand Gamache sah am Rande des wunderbaren Gartens des Manoir Bellechasse einen marmornen Bert Finney stehen. Für alle Zeiten. Sein hässliches Gesicht in Stein gehauen und sie und alle zukünftigen Besucher mit irrem Blick beobachtend.

      Ihre Gesichter schienen Bände zu sprechen.

      »Natürlich nicht der jetzige«, sagte Madame Dubois. »Der erste. Charles Morrow. Ich kannte ihn, wissen Sie. Ein vornehmer Herr.«

      Den Gamaches, die daran bisher nicht sehr viele Gedanken verschwendet hatten, wurde mit einem Schlag einiges klar. Wie aus Spot Finney Peter Morrow geworden war. Seine Mutter hatte wieder geheiratet. Sie hatte ihren Namen von Morrow in Finney geändert, aber außer ihr niemand. Automatisch hatten sie alle Familienmitglieder als Finneys betrachtet, aber das stimmte nicht. Sie waren Morrows.

      Das erklärte auch, wenigstens zum Teil, warum Bert Finney bei einer Familienfeier zu Ehren des Vaters eine Nebenrolle spielte.

      »Charles Morrow ist vor etlichen Jahren gestorben«, fuhr Clementine Dubois fort. »Das Herz. Die Familie veranstaltet heute Nachmittag vor der Cocktailstunde eine Art feierliche Enthüllung. Die Statue wird in etwa einer Stunde gebracht. Sie wird eine wundervolle Bereicherung für den Garten darstellen.«

      Sie warf ihnen einen raschen Blick zu.

      Der Größe des Marmorsockels nach zu urteilen, musste es sich um eine gewaltige Statue handeln, dachte Gamache. Größer als einige der Bäume, obwohl die glücklicherweise noch wachsen würden und die Statue vermutlich nicht.

      »Haben Sie die Skulptur schon gesehen?«, erkundigte sich Gamache und versuchte, es möglichst beiläufig klingen zu lassen.

      »O ja. Ein gewaltiges Ding. Nackt, mit einem Blumenkranz auf dem Kopf und kleinen Flügelchen. Wirklich ein Glück, dass sie diesen roten Marmor gefunden haben.«

      Gamache sah sie entgeistert an. Dann bemerkte er ihr Lächeln.

      »Sie sind wirklich durchtrieben.« Er lachte, und sie kicherte.

      »Glauben Sie, ich würde Ihnen oder mir das antun? Ich liebe dieses Fleckchen Erde«, sagte Madame Dubois, während sie gemeinsam den restlichen Weg bis zu der grünen Fliegengittertür zurücklegten, die ins Innere des kühlen Manoir führte. »Aber der Unterhalt des Hauses verschlingt immer mehr Geld. Dieses Jahr haben wir einen neuen Heizkessel gebraucht, und das Dach muss auch bald repariert werden.«

      Die Gamaches legten den Kopf in den Nacken, um zu dem Kupferdach hinaufzusehen, das im Lauf der Zeit Grünspan angesetzt hatte. Schon bei dem Gedanken daran wurde Gamache ganz schwindlig. Er hätte niemals Dachdecker werden können.

      »Ich habe wegen der Reparaturarbeiten mit einem Abinaki-Handwerker gesprochen. Wussten Sie, dass das Manoir ursprünglich von den Abinaki gebaut worden ist?«

      »Nein, das habe ich nicht gewusst«, sagte Gamache, der eine Schwäche für die Geschichte von Québec hatte. »Ich dachte, es wären die Geldmagnaten gewesen.«

      »Sie haben es bezahlt, aber gebaut haben es die Ureinwohner und die Québecer. Es diente als Jagdhaus. Als mein Mann und ich es vor fünfzig Jahren kauften, stand es leer. Der Dachboden war voll mit ausgestopften Tierköpfen. Da oben sieht es noch immer aus wie in einem Schlachthaus. Ekelhaft.«

      »Es war klug von Ihnen, den Vorschlag der Finneys anzunehmen.« Er lächelte. »Und ihr Geld. Besser, einen Morrow im Garten und ein dichtes Dach, als alles zu verlieren.«

      »Hoffen wir, dass er nicht nackt ist. Ich habe die Statue noch nicht gesehen.«

      Die Gamaches blickten ihr nach, wie sie in Richtung Küche verschwand.

      »Na ja, wenigstens werden die Vögel ein Plätzchen mehr zum Ausruhen haben«, sagte Gamache.

      »Wenigstens«, sagte Reine-Marie.

      Als die Gamaches zum Schwimmen hinunter an den See gingen, trafen sie am Steg Peter und Clara.

      »Also, jetzt erzählen Sie mal, was es Neues bei Ihnen gibt, angefangen bei Denis Fortin und Ihren Bildern.« Reine-Marie klopfte auf einen Liegestuhl. »Und lassen Sie ja nichts aus.«

      Peter und Clara brachten sie auf den neuesten Stand, was das Dorf anging, und nach einer weiteren Ermunterung berichtete Clara ihnen von der Begegnung mit dem bedeutenden Kunsthändler, der sie in ihrem bescheidenen Heim in Three Pines aufgesucht hatte, von seinem zweiten Besuch zusammen mit seinen Kuratoren, von der zermürbenden Warterei, während sie darüber entschieden hatten, ob Clara Morrow mit ihren achtundvierzig Jahren noch eine aufstrebende Künstlerin war. Jemand, den sie fördern wollten. Denn jeder in der Kunstwelt wusste, wenn Denis Fortin jemanden gut fand, dann fand ihn die gesamte Kunstwelt gut. Und dann war alles möglich.

      Endlich traf die nahezu unglaubliche Nachricht ein, dass Clara im nächsten Jahr tatsächlich eine Einzelausstellung in der Galerie Fortin bekommen würde, nachdem sie schon eine Ewigkeit vergeblich versucht hatte, irgendjemanden für ihre Arbeit zu interessieren.

      »Und wie geht es Ihnen damit?«, fragte Gamache leise, der inzwischen mit Peter ans Ende des Stegs geschlendert war.

      »Großartig.«

      Gamache nickte, kreuzte die Hände auf dem Rücken, blickte ans gegenüberliegende Ufer und wartete. Er kannte Peter Morrow. Er wusste, dass er ein anständiger und gutherziger Mann war, der seine Frau über alles auf der Welt liebte. Allerdings wusste er auch, dass Peters Ego fast ebenso groß war wie seine Liebe. Und die war sehr groß.

      »Was ist?«, fragte Peter, als das Schweigen nach seiner Antwort weiter anhielt.

      »Bisher waren immer Sie derjenige, der Erfolg hatte«, sagte Gamache schlicht. Es hatte keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden. »Es wäre völlig normal, wenn Sie …«, er suchte nach dem richtigen Wort, einem freundlichen Wort, »Mordgelüste hätten.«

      Peter lachte und war überrascht, als sein Lachen als Echo vom anderen Ufer zurückgeworfen wurde.

      »Sie wissen ja, wie das mit Künstlern ist. Es ist mir nicht ganz leichtgefallen, wie Sie sich wahrscheinlich vorstellen können, aber als ich gesehen habe, wie glücklich Clara ist, na ja …«

      »Ich bin mir nicht sicher, ob Reine-Marie erfreut wäre, wenn ich ihr nacheifern und Bibliothekar werden würde«, sagte Gamache und blickte zu seiner Frau, die in eine angeregte Unterhaltung mit Clara vertieft war.

      »Ich kann Sie geradezu vor mir sehen, wie Sie beide in der Bibliothèque Nationale in Montréal arbeiten und sich zwischen den Bücherregalen böse Blicke zuwerfen. Vor allem, wenn man Sie befördern würde.«

      »So weit käme es nicht. Ich kann nicht buchstabieren. Jedes Mal, wenn ich eine Nummer im Telefonbuch nachschlagen will, muss ich mir laut das Alphabet vorsagen. Reine-Marie treibt das in den Wahnsinn. Aber wenn Sie mehr über Mordgelüste erfahren wollen, müssen Sie sich an Bibliothekare halten«, sagte Gamache in vertraulichem Ton. »Diese Stille die ganze Zeit. Das bringt die Leute auf seltsame Ideen.«

      Sie lachten und gingen zurück. Als sie sich den beiden Frauen näherten, hörten sie, wie Reine-Marie

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