Mesmer - Mary Baker Eddy - Freud: Die Heilung durch den Geist. Stefan Zweig
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Nicht um den geheimnisvollen Kontakt zwischen Arzt und Patienten, zwischen Magnetiseur und Medium – das ist, um das eigentliche Problem – bemüht sich also die Kommission, sondern einzig um die »présence sensible« des geheimnisvollen Fluids und dessen Nachweisbarkeit. Kann man es sehen? Nein. Kann man es riechen? Nein. Kann man es wägen, tasten, messen, schmecken, unter dem Mikroskop beobachten? Nein. Also stellt die Kommission zunächst diese Nichtwahrnehmbarkeit für die äußern Sinne fest. »S’il existe en nous et autour de nous, c’est donc d’une manière absolument insensible.« Nach dieser nicht sehr schwierigen Feststellung geht die Kommission daran, zu untersuchen, ob wenigstens eine Wirkung dieser unsichtbaren Substanz nachweisbar sei. Zu diesem Behufe lassen sich die Experimentatoren zunächst einmal selbst magnetisieren. Aber auf Skeptische und Kerngesunde wirkt bekanntermaßen suggestive Behandlung so viel wie gar nicht. »Keiner von uns hat etwas gefühlt und zumindest nichts, was als Reaktion des Magnetismus erklärt werden könnte; ein einziger hat am Nachmittag eine Nervenreizung empfunden, aber keiner von uns ist zur Krise gekommen.« Nun schon mißtrauisch geworden, untersuchen sie die unbestreitbare Tatsache der Wirkung bei den anderen mit gesteigerter Voreingenommenheit. Sie stellen den Patienten eine Reihe von Fallen; sie reichen zum Beispiel einer Frau mehrere Tassen, von denen nur eine einzige magnetisiert ist, und tatsächlich irrt sich die Patientin und wählt eine andere Tasse als die magnetisierte. Damit schiene die Wirkung als Schwindel, als »Imagination«, als Einbildung erwiesen. Aber gleichzeitig müssen die Akademiker doch zugeben, daß bei ebenderselben Patientin sofort eine Krise entsteht, sobald der Magnetiseur selbst ihr die Tasse hinreicht. Die Lösung liegt also abermals ganz nah und eigentlich schon auf der flachen Hand: sie müßten jetzt logischerweise feststellen, daß jene Phänomene durch einen besonderen Kontakt zwischen Magnetiseur und Medium und nicht durch eine mystische Materie entstehen. Aber wie Mesmer selbst, so lassen auch die Akademiker das schon auf die Finger brennende Problem der Persönlichkeitswirkung durch suggestive oder fluidale Wesensübertragung links liegen und beschließen nur feierlich die »nullité du magnétisme«. Wo man nichts sieht, nichts fühlt, nichts riecht, ist nichts vorhanden, erklären sie, und jene merkwürdige Wirkung beruhe einfach auf Imagination, auf bloßer Einbildung – was natürlich nur ein sehr danebengängerisches Wort für den übersehenen Begriff der Suggestion ist.
Mit dieser feierlichen Nichtexistenzerklärung des Magnetismus erledigt sich selbstverständlich auch die zweite Frage nach der allfälligen Nützlichkeit der magnetischen (wir sagen psychischen) Behandlung. Denn eine Wirkung, für welche eine Akademie die Ursache nicht weiß, darf um keinen Preis vor der Welt als nützlich oder heilsam gelten. So behaupten die Sachverständigen (das heißt, diejenigen, die diesmal von der eigentlichen Sache nichts verstanden haben), die Methode des Herrn Mesmer bedeute eine Gefahr, weil diese künstlich erzeugten Krisen und Konvulsionen chronisch werden könnten. Und in einem Satz bedenklich langen Atems fällen sie schließlich ihr Verdikt: »Nachdem die Kommissäre erkannt haben, daß das Fluidum des animalischen Magnetismus durch keinen unserer Sinne wahrgenommen werden kann, da es keine Wirkungen weder auf sie selbst ausübte noch auf die Kranken, die sie ihm unterworfen haben, da sie feststellten, daß die Berührungen und Streichungen nur selten günstige Veränderungen in der Körperlichkeit hervorgebracht haben und immer gefährliche Erschütterungen in der Einbildungskraft, da sie auch anderseits bewiesen haben, daß auch die Einbildung ohne Magnetismus Krämpfe erzeugen kann und der Magnetismus ohne Einbildung nichts, haben sie einstimmig beschlossen, daß nichts den Beweis eines magnetisch-animalischen Fluidums gibt und daß dieses nicht feststellbare Fluidum infolgedessen ohne Nutzen ist, daß die gewaltsamen Wirkungen, die man bei der öffentlichen Behandlung bemerkt hat, teils auf die Berührung zurückzuführen sind, auf die dadurch erregte Einbildung und die automatische Einbildung, die uns gegen den eigenen Willen zwingt, Vorgänge, die auf unsere Sinne wirken, zu wiederholen. Gleichzeitig fühlt sie sich verpflichtet, beizufügen, daß diese Berührungen, die immer wiederholte Heranziehung zur Krisenerzeugung schädlich sein kann und daß der Anblick solcher Krisen gefährlich wird durch den Zwang zur Nachahmung, den die Natur uns auferlegt hat, und deshalb jede öffentliche Behandlung auf die Dauer nur gefährliche Folgen haben kann.«
Diesem öffentlichen Bericht vom 11. August 1784 schließt die Kommission an den König noch einen handschriftlichen Geheimbericht bei, der in düsteren Worten auf die Gefahren für die Sittlichkeit durch die Nervenreizung und die Vermischung der Geschlechter hinweist. Mit diesem Votum der Akademie und dem gleichfalls grimmig absprechenden Bericht der Ärztekammer ist für die gelehrte Welt die psychische Methode, die Heilung durch Persönlichkeitsbeeinflussung, endgültig erledigt. Es hilft nichts, daß ein paar Monate später die Phänomene des Somnambulismus, der Hypnose und der medialen Willensbeeinflussung entdeckt und durch viele Versuche unwiderlegbar sonnenklar vorgeführt werden, daß sie die ganze intellektuelle Welt in eine ungeheure Aufregung versetzen: für die Pariser gelehrte Akademie gibt es, nachdem sie einmal im achtzehnten Jahrhundert ihre Meinung schriftlich dargelegt hat, bis knapp ins zwanzigste Jahrhundert hinein keine suggestiven und übersinnlichen Phänomene. Als ihr um 1830 ein französischer Arzt neuerdings den Beweis vorführen will, lehnt sie ab. Sie lehnt selbst noch ab, als 1840 Braid mit seiner »Neurypnologia« die Hypnose bereits längst zu einem selbstverständlichen Werkzeug der Wissenschaft gemacht hat. In jedem Dorfe, in jeder Stadt Frankreichs, Europas, Amerikas zeigen seit 1820 in vollgedrängten Sälen schon Laienmagnetiseure die überraschendsten Beeinflussungen, kein Halb-und Viertelgebildeter versucht mehr, sie zu leugnen. Aber die Pariser Akademie, eben dieselbe, die Franklins Blitzableiter und Jenners Pockenimpfung verworfen, die Fultons Dampfboot eine Utopie genannt, beharrt in ihrem unsinnigen Hochmut, dreht den Kopf weg und behauptet, nichts zu sehen und nichts gesehen zu haben.
Und so dauert es genau hundert Jahre, bis endlich der französische Gelehrte Charcot 1882 durchsetzt, daß die erlauchte Akademie von der Hypnose offiziell Kenntnis zu nehmen geruht; so lange, hundert geschlagene Jahre, hat das fehlgängerische Votum der Akademie über Franz Anton Mesmer in Paris eine Erkenntnis verzögert, die bei gerechterer, klarerer Aufmerksamkeit schon 1784 die Wissenschaft hätte bereichern können.
Der Kampf um die Berichte
Wieder einmal – zum wievielten Male? – ist die seelische Heilmethode von der akademischen Justiz niedergekämpft. Kaum veröffentlicht die Medizinische Gesellschaft ihr abweisendes Urteil, so bricht im Lager der Gegner Mesmers heller Jubel aus, als sei nun für ewige Zeiten jede Heilung auf seelischem Wege erledigt. In den Buchläden verkauft man amüsante Kupferstiche, die den »Sieg der Wissenschaft« auch für Analphabeten sinnfällig darstellen: von blendender Aureole umstrahlt, entrollt dort die Gelehrtenkommission das Vernichtungsdekret, und vor diesem »siebenmal glühenden Licht« entfliehen, auf einem Hexenbesen reitend, Mesmer und seine Schüler, jeder mit einem Eselskopf und Eselsschwanz geziert. Ein anderes Blatt zeigt die Wissenschaft, Blitze schleudernd gegen die Scharlatane, die über den zerbrochenen Gesundheitszuber stolpernd zur Hölle stürzen; ein drittes bildet mit der Unterschrift: »Nos facultés sont en rapport« Mesmer ab, einen langohrigen Esel magnetisierend. Dutzende von Spottschriften erscheinen, auf den Straßen singt man ein neues chanson:
Le magnétisme est aux abois,
La faculté, l’Académie
L’ont condamné tout d’une voix
Et même couvert d’infamie.
Après ce jugement, bien sage et bien légal,
Si quelque esprit original
Persiste encore dans son délire,
Il sera