Mesmer - Mary Baker Eddy - Freud: Die Heilung durch den Geist. Stefan Zweig
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Fünfmal hat nun Mesmer versucht, bei allen Fakultäten der Welt Anerkennung oder zumindest aufmerksame Überprüfung seines Systems zu erzwingen: unmöglich konnte man gerader, ehrlicher, wissenschaftlicher handeln. Jetzt erst, da die gelehrten Klüngel ihn durch ihr Schweigen verurteilten, ohne in die Akten und Fakten Einblick genommen zu haben, jetzt erst wendet er sich an die höchste und entscheidendste Instanz: an die Öffentlichkeit, an alle Gebildeten und Interessierten, indem er 1779 in französischer Sprache seine »Abhandlung über die Entdeckung des tierischen Magnetismus« in Druck gibt. Mit beredten und wirklich redlichen Worten bittet er um Hilfe für seine Versuche, um Anteil und Wohlwollen, ohne mit einer Silbe Wunder und Unmöglichkeiten zu versprechen: »Der tierische Magnetismus ist gar nicht, was die Ärzte unter einem geheimen Mittel sich denken. Er ist eine Wissenschaft, welche ihre Gründe, Folgen und Sätze hat. Das Ganze ist bis auf diese Stunde unbekannt, ich gebe es zu. Aber eben deswegen wäre es widersprechend, mir Leute zu Richtern geben zu wollen, welche nichts von dem verständen, was sie zu beurteilen sich unterfingen. Nicht Richter, Schüler muß ich haben. Eben darum geht meine ganze Absicht dahin, von irgendeiner Regierung öffentlich ein Haus zu erhalten, um darin Kranke in die Kur zu nehmen, und wo man mit leichter Mühe, ohne fernere Unterstellungen besorgen zu dürfen, die Wirkungen des tierischen Magnetismus vollständig beweisen könnte. Dann wollte ich es über mich nehmen, eine bestimmte Anzahl von Ärzten zu unterrichten, und es der Einsicht derselben Regierung überlassen, wie allgemein oder eingeschränkt, wie schnell oder langsam sie diese Erfindung verbreiten wollte. Sollten meine Vorschläge in Frankreich verworfen werden, so würde ich es zwar ungern verlassen, allein es wird doch gewiß geschehen. Werden sie allerorten verworfen, so hoffe ich doch immer, ein Ruheplätzchen für mich zu finden. Eingehüllt in meine Rechtschaffenheit, sicher vor allen Vorwürfen meines Gewissens, werde ich rings um mich einen kleinen Teil der Menschheit sammeln, der ich so sehr allgemeiner nützlich zu sein gewünscht habe, und dann wird es Zeit sein, niemanden als mich selbst über das, was ich zu tun habe, um Rat zu fragen. Wenn ich anders handelte, so würde der tierische Magnetismus wie eine Mode behandelt werden. Jeder würde damit zu glänzen und mehr oder weniger, als wirklich ist, darin zu finden suchen. Man würde ihn mißbrauchen, und sein Nutzen würde in ein Problem ausarten, dessen Auflösung vielleicht erst nach Jahrhunderten stattfände.«
Ist dies die Sprache eines Scharlatans, das Flunkern oder Faseln eines unredlichen Menschen? Allerdings, ein beschwingter Unterton klingt schon in dieser Verlautbarung des bisherigen Bittstellers mit: Mesmer spricht zum erstenmal die Sprache des Erfolges. Denn bereits in diesen wenigen Monaten hat seine Methode der suggestiven Behandlung von Nervenleiden wichtige Anhänger und einflußreiche Bundesgenossen gefunden, vor allem ist Charles Deslon, der Leibarzt des Grafen d’Artois, öffentlich mit einer Broschüre an seine Seite getreten. Mit ihm ist der Weg zum Hofe endgültig gebahnt, gleichzeitig wirbt eine Palastdame der Königin Maria Antoinette, durch Mesmer von einer Lähmung genesen, bei ihrer Herrin für ihren Helfer. Der hohe Adel, Madame von Lamballe, der Prinz von Condé, der Herzog von Bourbon, der Baron Montesquieu und insbesondere der Held des Tages, der junge Marquis von Lafayette, bekennen sich leidenschaftlich zu seiner Lehre. Und so beginnt trotz der feindseligen Haltung der Akademie, trotz des Mißerfolgs in Wien, auf Befehl der Königin die Regierung direkt mit Mesmer zu verhandeln, um den Urheber solcher weittragenden Ideen an Frankreich zu fesseln; der Minister Maurepas bietet ihm in höherem Auftrag ein lebenslängliches Gehalt von zwanzigtausend Livres an, ferner zehntausend Livres für Wohnung, freilich erst auszahlbar, sobald drei für den Staat ausgebildete Schüler den Nutzen der Magnetotherapie anerkennen würden. Aber Mesmer hat es satt, sich abermals und abermals mit dem engstirnigen Vorurteil der Fachgelehrten herumzuschlagen, er läßt sich auf keine Verhandlungen mit Wenn und Aber mehr ein, er nimmt keine Almosen. Stolz lehnt er ab: »Ich kann mich mit einer Regierung nie in einen Vertrag einlassen, wenn nicht zuvor die Richtigkeit meiner Entdeckung ausdrücklich auf eine unverwerfliche Art anerkannt wird.« Und so stark ist Mesmer, der aus Wien ausgewiesene, in Paris nach zwei Jahren magnetischer Kuren schon geworden, daß er als Drohung aussprechen kann, er werde Paris verlassen, und in diesem Sinn der Königin ein Ultimatum stellt: »Ausschließlich aus Respekt für Ihre Majestät biete ich Ihr die Gewißheit, meinen Aufenthalt in Frankreich bis zum 18. September zu verlängern und bis zu diesem Datum meine Kuren allen jenen Kranken angedeihen zu lassen, die mir weiterhin Vertrauen schenken. Ich suche, Majestät, eine Regierung, die die Notwendigkeit anerkennt, nicht leichtfertig in die Welt eine Wahrheit einführen zu lassen, die durch ihren Einfluß auf die menschliche Physis Veränderungen hervorbringt, welche von Anfang an durch rechtes Wissen und die rechte Kraft kontrolliert und in einem wohlwollenden Sinne gelenkt werden müssen. In einer Sache, die die ganze Menschheit angeht, darf das Geld in den Augen Ihrer Majestät nur in zweiter Linie in Betracht kommen; vierhunderttausend oder fünfhunderttausend Franks zu einem solchen Zwecke angewandt, haben nichts zu bedeuten. Meine Entdeckung und ich selbst müssen mit einer Großzügigkeit belohnt werden, die des Monarchen würdig ist, an den ich mich binde.« Dieses Ultimatum Mesmers wird nicht angenommen, wahrscheinlich infolge des Widerstandes Ludwigs des Sechzehnten, dessen normalnüchterner und sparsamer Sinn sich gegen alle phantastischen Experimente auflehnt. So macht Mesmer Ernst; er verläßt Paris und begibt sich auf deutsches Reichsgebiet, nach Spa.
Aber eine andere ist diese herausfordernde Selbstverbannung als jene aus Wien, die einer Flucht oder Ausweisung verzweifelt ähnlich sah. Wie ein Potentat, wie ein Prätendent verläßt er das Reich der Bourbonen, und ein ganzer Schwarm begeisterter Anhänger begleitet den verehrten Meister in sein freiwilliges Exil. Noch mehr aber bleiben in Paris und Frankreich zurück, um dort für ihn zu wirken. Allmählich erreicht die allgemeine Entrüstung, daß man einen solchen Mann wegen der Intrigen der Fakultät gleichgültig aus Frankreich habe ziehen lassen, wahre Fiebergrade. Dutzendweise erscheinen Schriften zu seiner Verteidigung. Zu Bordeaux predigt von der Kanzel herab der Pater Hervier in offener Kathedrale das Dogma des Magnetismus; Lafayette, knapp vor der Abreise nach Amerika, teilt Washington als Wichtigstes mit, daß er den Amerikanern außer Gewehren und Kanonen für den Unabhängigkeitskampf noch die neue Lehre Mesmers bringe (un docteur nommé Mesmer, ayant fait la plus grande découverte, a fait des élèves, parmi lesquels votre humble serviteur est appelé un des plus enthousiastes … Avant de partir, j’obtiendrai la permission de vous confier le secret de Mesmer, qui est une grande découverte philosophique). Und geschlossen stellt sich die Freimaurerei, die auch in der Wissenschaft alles Neue und Revolutionäre genau wie in der politischen Sphäre verteidigt, hinter ihren Bruder. So erzwingen gegen die Regierung, gegen den König, gegen das medizinische Kollegium, gegen die Akademie diese begeisterten Anhänger Mesmers Rückkehr nach Paris unter den von ihm gestellten Bedingungen: was der König Mesmer verweigert, bieten ihm nun Adel und Bürgerschaft aus eigener Kraft. Eine Reihe seiner Schüler, an der Spitze Bergasse, der bekannte Advokat, gründen eine Aktiengesellschaft, um dem Meister die Möglichkeit zu gewähren, eine eigene Akademie gegen die königliche zu eröffnen; hundert Anhänger zeichnen je hundert Louisdors, »pour acquitter envers Mesmer la dette de l’humanité«, wogegen sich Mesmer verpflichtet, sie in seiner Wissenschaft auszubilden. Kaum aufgelegt, sind die magnetischen Aktien schon vergriffen, in zwölf Monaten bereits 340 000 Livres gezeichnet, bedeutend mehr, als Mesmer ursprünglich verlangt hatte. Außerdem schließen sich seine Schüler in jeder Stadt zu einer sogenannten »Harmonischen Gesellschaft« zusammen (Société de l’Harmonie), und zwar je eine in Bordeaux, in Lyon, Straßburg, Ostende, eine sogar in den Kolonien, in San Domingo. Im Triumph, gebeten, beschworen, gefeiert und begrüßt, ein ungekrönter Herrscher eines unsichtbaren Geisterreichs, kehrt Mesmer wieder nach Frankreich zurück. Was ihm ein König verweigert, hat er sich aus eigener Kraft geschaffen: