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einseitig strenger Wissenschaft Stoff und Form des menschlichen Leibes bis hinab zu den Fundamenten ergründet haben, beginnt wieder die Frage nach »dem Geist, der sich den Körper baut«.

      Dieses Buch will keineswegs eine systematische Geschichte sämtlicher seelischen Heilmethoden sein. Mir ist es nur gegeben, Ideen in Gestalten darzustellen. Wie ein Gedanke in einem Menschen Wachstum gewinnt und dann über diesen Menschen hinaus in die Welt, dieses geistig-seelische Geschehnis scheint mir immer eine Idee sinnlicher zu veranschaulichen als jedes historisch-kritische Referieren. Darum habe ich mich begnügt, nur drei Menschen zu wählen, die, jeder auf anderem und sogar gegensätzlichem Wege, das gleiche Prinzip der Heilung durch den Geist an Hunderttausenden verwirklichten: Mesmer durch suggestive Verstärkung des Gesundheitswillens, Mary Baker-Eddy durch die chloroformierende Ekstatik der Glaubenskraft, Freud durch Selbsterkennung und damit Selbstbeseitigung der unbewußt lastenden Seelenkonflikte. Persönlich habe ich keine dieser Heilmethoden weder als Arzt erproben können, noch ist sie an mir als Patienten erprobt worden; an keine bindet mich Fanatismus der Überzeugung oder private Dankbarkeit. So hoffe ich, indem ich ausschließlich aus psychologischer Gestaltungsfreude diese Gestalten darstelle, unabhängig geblieben und im Bilde Mesmers nicht Mesmerist, in jenem Baker-Eddys nicht Christian-Scientist, in jenem Freuds nicht restloser Psychoanalytiker geworden zu sein. Ich bin mir voll bewußt, daß jede dieser Lehren nur wirksam werden konnte durch Übersteigerung ihres Prinzips, daß jede eine überspitzte Form in anderer Überspitzung darstellt, doch getreu Hans Sachsen »sag ich nicht, daß dies ein Fehler sei«. Wie zum Wesen der Welle, daß sie über sich selbst hinaus will, gehört es zur Entwicklungskraft jedes Gedankens, daß er seine äußerste Form sucht. Entscheidend für den Wert einer Idee ist nie, wie sie sich verwirklicht, sondern was sie an Wirklichkeit enthält. Nicht was sie ist, sondern was sie bewirkt. »Nur durch das Extreme« – wunderbares Wort Paul Valérys – »hat die Welt ihren Wert, nur durch das Durchschnittliche ihren Bestand.«

       Salzburg 1930

      Franz Anton Mesmer

       Inhaltsverzeichnis

       Ihr sollt wissen, daß die Wirkung des Willens ein großer Punkt ist in der Arznei.

       Paracelsus

       Inhaltsverzeichnis

       Über nichts wird flüchtiger geurteilt als über den Charakter des Menschen, und doch sollte man in nichts behutsamer sein. Bei keiner Sache wartet man weniger das Ganze ab, das doch eigentlich den Charakter ausmacht, als hier. Ich habe immer gefunden, die sogenannten schlechten Leute gewinnen, und die guten verlieren.

       Lichtenberg

       Ein Jahrhundert lang hat Franz Anton Mesmer, dieser Winkelried der modernen Seelenheilkunde, auf der Schandbank der Schwindler und Scharlatane gesessen neben Cagliostro, dem Grafen Saint-Germain, John Law und anderen Abenteurern jener Zeit. Vergebens protestiert schon der strenge Einsam unter den deutschen Denkern gegen dieses entehrende Verdikt der Universitäten, vergebens rühmt Schopenhauer den Mesmerismus als »die vom philosophischen Standpunkt aus inhaltsschwerste aller gemachten Entdeckungen, auch wenn sie einstweilen mehr Rätsel aufgibt, als sie löst«. Aber welches Urteil wäre schwerer umzustoßen als ein Vorurteil? Üble Rede spricht sich unbedenklich nach, und so gilt noch immer einer der redlichsten Forscher unter den Deutschen, gilt ein kühner Alleingänger, der, von Licht und Irrlicht geheimnisvoll geführt, einer neuen Wissenschaft die Spur gewiesen hat, als zweideutiger Phantast, als unlauterer Schwärmer, und all dies, ohne daß man sich rechte Mühe genommen, zu überprüfen, wie viele wichtige und weltverändernde Anregungen uns aus seinen Irrtümern und längst überwundenen Anfangsübertreiblichkeiten erwachsen sind.

      Mesmers Tragik: er kam zu früh und kam zu spät. Die Epoche, in die er eintritt, ist eben, weil sie sich auf ihre Vernunft so hahnenstolz viel zugute tut, eine der Intuition völlig abholde, jene (abermals nach Schopenhauers Wort) »superkluge« Epoche der Aufklärung. Auf den Dunkelsinn des Mittelalters, den ehrfürchtig und verworren ahnenden, war gerade der Flachsinn der Enzyklopädisten gefolgt, der Alleswisser, wie man dies Wort wohl am sinnfälligsten übersetzt, jene grobmaterialistische Diktatur der Holbach, La Mettrie, Condillac, der das Weltall als interessanter, aber noch verbesserungsfähiger Mechanismus und der Mensch bloß als kurioser Denkautomat galt. Mächtig aufgeplustert, weil sie keine Hexen mehr verbrannten, die gute alte Bibel als einfältiges Kindermärchen dargetan und dem lieben Gott mit der Franklinschen Leitung den Blitz aus der Hand genommen hatten, erklärten diese Aufklärer (und ihre schwachbeinigen deutschen Nachtänzer) alles für absurden Wahn, was man nicht mit der Pinzette packen, nach der Regeldetri beweisen konnte, derart mit dem Aberglauben auch jedes Samenkorn Mystik aus ihrem glashellen, glasklaren (und ebenso zerbrechlichen) Weltall des Dictionnaire philosophique hinausfegend. Was nicht als Funktion mathematisch nachweisbar war, dekretierte ihr flinker Hochmut als Phantom, was man mit den Sinnen nicht fassen konnte, nicht etwa bloß als unfaßbar, sondern glattweg für nicht vorhanden.

      In eine so unbescheidene, unfromme, einzig ihre eigene selbstgefällige Ratio vergötternde Zeit tritt nun unversehens ein Mann mit der Behauptung, unser Weltall sei keineswegs ein leerer, unbeseelter Raum, ein totes, teilnahmsloses Nichts ringsumher um den Menschen, sondern ständig durchdrungen von unsichtbaren, unfaßbaren und nur innerlich fühlbaren Wellen, von geheimnisvollen Störungen und Spannungen, die in dauernder Überleitung einander berührten und belebten, Seele zu Seele, Sinn zu Sinn. Unfaßbar und vorläufig unbenannt, vielleicht dieselbe Kraft, die von Stern zu Stern strahle und im Mondlicht Schlafsüchtige lenke, könne dies unbekannte Fluid, dieser Weltstoff, von Mensch zu Mensch weitergegeben, Wandlung bei seelischen und körperlichen Krankheiten bringen und derart jene höchste Harmonie wiederherstellen, die wir Gesundheit nennen. Wo der Sitz dieser Urkraft sei, wie ihr wahrer Name, ihr wirkliches Wesen, dies freilich vermöge er, Franz Anton Mesmer, nicht endgültig zu sagen; vorläufig nenne er diesen wirkenden Stoff ex analogia Magnetismus. Aber man prüfe doch selbst, bittet er die Akademieen, drängt er die Professoren, welchen erstaunlichen Effekt diese Behandlung durch bloßes Bestreichen mit den Fingerspitzen hervorbrächte; man untersuche doch endlich einmal mit unvoreingenommenem Blick alle die krankhaften Krisen, die rätselhaften Zustände, die geradezu zauberhaften Heilungen, die er bei Nervenverstörungen einzig durch magnetische (wir sagen heute: suggestive) Einwirkung erzeuge. Jedoch die professorale Aufgeklärtheit der Akademieen weigert sich hartnäckig, auf all diese von Mesmer vorgezeigten und hundertfach bezeugten Phänomene auch nur einen einzigen unbefangenen Blick zu tun. Jenes Fluid, jene sympathetische Übertragungskraft, deren Wesen man nicht deutlich erklären kann (schon verdächtig dies!), steht nicht im Kompendium aller Orakel, im Dictionnaire philosophique, folglich darf nichts Derartiges vorhanden sein. Die Phänomene, die Mesmer vorweist, erscheinen mit nackter Vernunft nicht erklärbar. Folglich existieren sie nicht.

      Er kommt um ein Jahrhundert zu früh, Franz Anton Mesmer, und er kommt um ein paar Jahrhunderte zu spät. Die Frühzeit der Medizin hätte seine abseitigen Versuche mit aufmerksamem Anteil begleitet, denn die weite Seele des Mittelalters hatte Raum für alles Unbegreifliche. Sie vermochte noch kindhaft rein zu staunen und der eigenen inneren Erschütterung mehr zu glauben als dem blanken Augenschein. Leichtgläubig, war diese Zeit doch zutiefst glaubenswillig, und nicht absurd wäre darum ihren Denkern, weder den frommtheologischen noch den profanen, Mesmers Dogma erschienen, daß zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos, zwischen Weltseele und Einzelseele, zwischen Stern und Menschheit stofflich verwandte, transzendente Beziehung walte, ja ganz selbstverständlich sogar seine Anschauung, daß ein Mensch auf den andern zauberkräftig einwirken könne durch die Magie seines Willens und wissende Prozedur. Ohne Mißtrauen also, mit neugierig aufgetanem Herzen hätte jene faustisch

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