Mesmer - Mary Baker Eddy - Freud: Die Heilung durch den Geist. Stefan Zweig

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und Doktor der Philosophie. Aber das genügt diesem unruhigen Geiste noch lange nicht. Wie weiland Dr. Faustus will er die Wissenschaft an allen Ecken fassen. So studiert er in Wien zunächst noch Jura, um sich zum Schlusse endgültig der vierten Fakultät, der Medizin, zuzuwenden. Am 27. Mai 1766 wird Franz Anton Mesmer, obwohl bereits zwiefacher Doktor »autoritate et consensu illustrissimorum, perillustrium, magnificorum, spectabilium, clarissimorum Professorum« auch zum Doctor Medicinae feierlich promoviert; eigenhändig unterschreibt das Lumen der theresianischen Wissenschaft, der hochberühmte Professor und Hofmedikus Van Swieten, sein Doktordiplom. Jedoch Mesmer, durch seine Heirat ein reicher Mann, will keineswegs aus seinem Heilpermiß gleich Dukaten münzen. Er hat keine Eile mit seiner ärztlichen Praxis und verfolgt lieber als gelehrter Dilettant die entlegensten Entdeckungen der Geologie, Physik, Chemie und Mathematik, die Fortschritte der abstrakten Philosophie und vor allem der Musik. Er spielt selbst sowohl Klavier wie Violoncello, führt als erster die Glasharmonika ein, für die dann Mozart ein eigenes Quintett komponiert. Bald zählen die musikalischen Abende bei Mesmer zu den beliebtesten des geistigen Wien, und neben der kleinen Musikstube des jungen Van Swieten am Tiefen Graben, wo jeden Sonntag Haydn, Mozart und später Beethoven erscheinen, gilt das Haus Landstraße 261 als das erlesenste Refugium für Kunst und Wissenschaft.

      Nein, dieser vielverleumdete Mann, den man später so böswillig als medizinischen Außenseiter und ahnungslosen Quacksalber verunglimpfte, dieser Franz Anton Mesmer ist nicht der erste beste, das spürt jeder sofort, der ihm begegnet. Schon äußerlich fällt der wohlgebaute, breitstirnige Mann in jeder Gesellschaft durch seinen hohen Wuchs und sein imposantes Gehaben auf. Wenn er mit seinem Freunde Christoph Willibald Gluck in Paris in einem Salon erscheint, wenden sich alle Blicke neugierig diesen beiden deutschen Enakssöhnen zu, die um Haupteslänge das gewöhnliche Maß überragen. Leider zeichnen nur unzulänglich die wenigen erhaltenen Bilder den physiognomischen Eindruck; immerhin, man sieht, das Antlitz ist harmonisch und schön gestaltet, saftig die Lippe, voll und fleischig das Kinn, prächtig gewölbt die Stirn über den stahlhell klaren Augen; wohltuende Sicherheit strahlt von diesem mächtigen Manne aus, der in unverwüstlicher Gesundheit patriarchalisches Alter erreichen wird. Nichts irriger darum, als sich in dem großen Magnetiseur einen Zauberer, eine dämonische Erscheinung mit flackerndem Blick und diabolischen Blitzfeuern, einen Svengali oder Doktor Spallanzani vorzustellen – im Gegenteil, was alle Zeitgenossen einhellig als Kennzeichen hervorheben, ist seine gesättigte, unerschütterliche Geduld. Mehr schwerblütig als heißblütig, mehr zäh als sprunghaft wild, beobachtet der wackere Schwabe (»er forcht sich nit«) bedächtig die Phänomene, und so wie er durch ein Zimmer geht, breitbeinig, schwer und klobig, mit festem und gemessenem Schritt, so geht er langsam und entschlossen in seinen Forschungen von einer Beobachtung zur anderen weiter, langsam, aber unerschütterlich. Er denkt nicht in blendenden, blitzenden Einfällen, sondern in vorsichtigen, aber dann unumstößlichen Schlüssen, und kein Widerspruch, keine Erbitterung kann seine dickhäutige Ruhe erschüttern. Diese Ruhe, diese Zähigkeit, diese große, beharrliche Geduld bedeutet Mesmers eigentliches Genie. Und nur seiner ungewöhnlich bescheidenen Zurückhaltung, seiner ehrgeizlosen und umgänglichen Art ist das historische Kuriosum zu danken, daß ein gleichzeitig bedeutender und reicher Mann in Wien nur Freunde hat und keinen Feind. Allgemein rühmt man seine Kenntnisse, sein anspruchslos sympathisches Wesen, seine offene Hand und seinen offenen Sinn: »Son âme est comme sa découverte simple, bienfaisante et sublime.« Sogar seine Kollegen, die Wiener Ärzte, schätzen Franz Anton Mesmer als vortrefflichen Medikus – freilich nur bis zum Augenblick, da er die Kühnheit besitzt, eigene Bahnen zu gehen und ohne Zustimmung der Fakultät eine weltbewegende Entdeckung zu machen. Dann ist es plötzlich mit der Beliebtheit zu Ende, und ein Kampf um Sein oder Nichtsein beginnt.

      Der zündende Funke

       Inhaltsverzeichnis

      Im Sommer 1774 reist ein vornehmer Ausländer mit seiner Frau durch Wien, und diese bittet, von einem plötzlichen Magenkrampf befallen, den bekannten Astronomen Maximilian Hell, einen Jesuitenpater, er möge ihr zu Heilzwecken einen Magneten in handlicher Form anfertigen, den sie sich auf den Magen legen könnte. Denn daß dem Magneteisen besondere Heilkraft innewohne, diese für uns etwas seltsame Annahme, gilt der magischen und sympathetischen Medizin der Vorzeit als unbezweifelbare Tatsache. Schon das Altertum hat das eigenwillige Verhalten des Magneten – Paracelsus nennt ihn später den »Monarchen aller Geheimnisse« – immer wieder erregt, weil dieser Außenseiter unter allen mineralischen Elementen ganz besondere Eigenschaften zeigt. Denn während Blei und Kupfer, Silber, Gold und Zinn und das gemeine, gleichsam unbeseelte Eisen ohne jedes Eigenleben nur der Schwerkraft gehorchen, äußert dieses eine und einzige Element unter allen etwas Seelenhaftes, eine selbständige Aktivität. Der Magnet zieht das andere, das tote Eisen herrisch an sich heran, er vermag als einziges Subjekt innerhalb der bloßen Objekte etwas wie persönlichen Willen auszudrücken, und unwillkürlich läßt sein selbstherrliches Gehaben vermuten, er gehorche anderen als den irdischen – vielleicht astralen – Gesetzen des Weltalls. Zur Nadel gespitzt, hält er unbeirrbar seinen eisernen Finger dem Pol entgegen, Führer der Schiffe und Wegweiser der Verirrten: so scheint es wirklich, als ob er eine Erinnerung seines meteorischen Ursprunges innerhalb der irdischen Welt bewahre. Derart auffallende Besonderheiten bei einem einzigen Metall mußten natürlich von allem Anfang an die klassische Naturphilosophie faszinieren. Und da der menschliche Geist dazu neigt, ständig in Analogieen zu denken, so schreiben die Ärzte des Mittelalters dem Magneten eine sympathetische Macht zu. Jahrhundertelang proben sie herum, ob er nicht befähigt sei, so wie Eisensplitter auch manche Krankheiten aus dem menschlichen Leibe an sich heranzuziehen. Wo aber Dunkelheiten walten, da drängt sofort der Versuchergeist des Paracelsus mit leuchtendem Eulenauge neugierig heran. Seine unstet schweifende, bald gauklerische, bald geniale Phantasie verwandelt unbedenklich diese wirre Vermutung seiner Vorgänger in pathetische Gewißheit. Seinem leicht entzündlichen Geist scheint es sofort verbürgt, daß neben der »agtseinischen«, der im Bernstein wirkenden Kraft (also der noch ganz unmündigen Elektrizität), diejenige des Magneten das Vorhandensein einer siderischen, einer sternverbundenen Natur im irdischen, im »adamitischen« Leib kundtue, und sofort reiht er den Magneten in die Liste der unfehlbaren Heilmittel ein. »Ich behaupte klar und offen aus dem, was ich vom Magneten erfahrungsgemäß erprobt habe, daß in ihm ein so hohes Geheimnis verborgen liegt, ohne welches man gegen viele Krankheiten gar nichts ausrichten kann.« Und an anderer Stelle schreibt er: »Der Magnet hat lange vor aller Augen gelegen, und keiner hat daran gedacht, ob er weiter zu gebrauchen wäre und ob er, außer daß er das Eisen an sich zieht, auch noch andere Kräfte besitze. Die lausigen Doktores werfen mir oft unter die Nase, ich wollte den Alten nicht folgen; aber in was soll ich ihnen folgen? Alles, was sie vom Magneten gesagt haben, ist nichts. Legt das, was ich davon sage, auf die Waage und urteilt. Wäre ich blindlings den anderen gefolgt und hätte nicht selbst Versuche angestellt, so würde ich ebenfalls nicht mehr wissen, als was jeder Bauer sieht, als: er zieht das Eisen an. Allein ein weiser Mann soll selbst untersuchen, und so habe ich gefunden, daß der Magnet außer dieser offenbaren, einem jeden in die Augen fallenden Kraft, das Eisen anzuziehen, noch eine verborgene Kraft besitzt.« Auch darüber, wie der Magnet zu Heilzwecken anzuwenden sei, gibt Paracelsus mit seiner gewohnten Unbedenklichkeit genaue Anweisungen. Er behauptet, daß der Magnet einen Bauch (den anziehenden) und einen Rücken (den abstoßenden Pol) besitze, so daß er, richtig angelegt, seine Kraft durch den ganzen Körper leiten könne, und diese Behandlungsart, die wirklich ahnend die Form des noch lange nicht entdeckten elektrischen Stromes vorausnimmt, nennt der ewige Hahnenkamm »mehr wert als alles, was die Galenisten ihr Leben lang gelehrt haben. Hätten sie anstatt ihrer Ruhmredigkeit den Magneten vor sich genommen, sie hätten mehr ausgerichtet als mit all ihren gelehrten Klappereien. Er heilt die Flüsse der Augen, Ohren, Nase und äußeren Glieder. Auf diese Art heilt man auch offene Schenkel, Fisteln, Krebs, Blutflüsse der Weiber. Der Magnet zieht ferner die Brüche und heilt alle Rupturen, er zieht die Gelbsucht aus und die Wassersucht zurück, wie ich oft in der Praxis erfahren habe; allein es ist unnötig, den Unwissenden alles ins Maul zu kauen.« Unsere heutige Medizin wird diese rasselnde Ankündigung freilich nicht sehr ernst nehmen; aber was Paracelsus einmal gesagt, gilt seiner Schule

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