Am Ende sterben wir sowieso. Adam Silvera

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Am Ende sterben wir sowieso - Adam Silvera

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Ihrem Tod, und bedauerlicherweise muss ich heute Nacht noch viele solcher Anrufe erledigen. Könnten Sie mir also den Gefallen tun und kooperieren?«

      Fuck.

      Also kooperiere ich, auch wenn der Typ mir eigentlich nichts von den Angelegenheiten fremder Leute erzählen dürfte. Aber ich kann an nichts anderes mehr denken als an die Mutter, deren Tochter nie auf diese Schule gehen wird, vor der ich hier stehe. Zum Abschluss des Gesprächs zitiert Victor den Firmenspruch, den ich schon so oft in den neuen Fernsehserien und Filmen gesehen habe, die den Todesboten in den Alltag ihrer Figuren einbauen: »Im Namen aller Mitarbeiter des Todesboten möchte ich Ihnen sagen, wie leid es uns tut, Sie zu verlieren. Genießen Sie diesen Tag in vollen Zügen.«

      Ich weiß nicht, wer zuerst auflegt, aber das spielt keine Rolle. Es ist vorbei – es wird vorbei sein. Heute ist mein Todestag, das echte Rufus-Armageddon. Ich weiß nicht, wie die Sache ausgehen wird. Hoffentlich ertrinke ich nicht wie meine Eltern und meine Schwester. Der Einzige, dem ich je übel mitgespielt habe, ist Peck, ehrlich, also rechne ich nicht damit, erschossen zu werden, aber wer weiß, manchmal verirrt sich so eine Kugel ja auch. Das Wie ist auch nicht so wichtig wie das, was ich noch machen werde, bevor es so weit ist. Aber es nicht zu wissen, jagt mir trotzdem eine Scheißangst ein, man stirbt schließlich nur ein Mal.

      Vielleicht wird Peck ja doch dafür verantwortlich sein.

      Ich gehe schnell zu den anderen zurück, zerre Peck hinten am Kragen hoch und schleudere ihn an die Ziegelmauer. Er blutet aus einer offenen Wunde an der Stirn, und ich kann nicht glauben, dass ich wegen diesem Typen so ausgerastet bin. Er hätte einfach die Fresse halten sollen, statt darüber zu labern, warum Aimee mich nicht mehr wollte. Wenn ich das nicht erfahren hätte, lägen meine Hände jetzt nicht um seinen Hals, wovon er noch mehr Schiss hat als ich.

      »Du warst nicht cooler als ich, klar? Aimee hat nicht deinetwegen mit mir Schluss gemacht, schlag dir das aus dem Kopf. Sie hat mich geliebt, und dann wurde es kompliziert, aber am Ende wär sie wieder zu mir zurückgekommen.« Das stimmt, Malcolm und Tagoe denken das auch. Ich beuge mich vor und starre Peck direkt in sein heiles Auge. »Ich will dich in meinem ganzen Leben nicht mehr sehen.« Ja, schon klar. Mein Leben ist sowieso bald vorbei. Aber der Kerl hier ist ein verdammter Clown und vielleicht noch auf Spaß aus. »Kapiert?«

      Peck nickt.

      Ich lasse seinen Hals los. Dann ziehe ich ihm das Handy aus der Tasche und werfe es gegen die Wand, sodass das Display zerspringt. Malcolm tritt darauf.

      »Los, verpiss dich.«

      Malcolm packt mich an der Schulter. »Lass ihn nicht gehen. Er hat doch die ganzen Connections.«

      Peck schiebt sich nervös an der Mauer entlang, als würde er im obersten Stock eines Wolkenkratzers von einem Fenster zum nächsten klettern.

      Ich schüttele Malcolm ab. »Ich hab gesagt, du sollst dich verpissen

      Peck rennt los und flüchtet in einem schwindelerregenden Zickzackkurs. Er dreht sich nicht einmal um, um zu sehen, ob wir ihm folgen. Auch seine Comics und den Rucksack lässt er zurück.

      »Du hast doch gesagt, er wär mit ein paar Typen aus so ’ner Gang befreundet«, sagt Malcolm. »Was, wenn er die auf dich hetzt?«

      »Es ist keine echte Gang und er gehört auch nicht richtig dazu. Vor einer Gang, die Peck aufnimmt, braucht man sowieso keine Angst zu haben. Außerdem kann er sie oder Aimee ja nicht mehr anrufen, dafür haben wir gesorgt.« Er darf Aimee nicht vor mir erreichen. Ich muss es ihr erklären, aber wenn sie rauskriegt, was ich getan habe, will sie mich vielleicht nicht mehr sehen, Abschiedstag hin oder her.

      »Der Todesbote kann ihn jetzt auch nicht mehr anrufen«, sagt Tagoe und sein Nacken zuckt zweimal.

      »Ich hatte nicht vor, ihn umzubringen.«

      Malcolm und Tagoe schweigen. Sie haben gesehen, wie ich auf Peck losgegangen bin, als wäre ich nicht mehr zu bremsen.

      Die ganze Zeit über zittere ich.

      Ich hätte ihn umbringen können, obwohl das nicht der Plan war. Ich weiß nicht, ob ich damit hätte leben können, wenn ich ihn kaltgemacht hätte. Nee, das stimmt nicht und das ist mir auch klar, ich versuch bloß, den harten Typen zu spielen. Aber ich bin nicht hart. Ich konnte ja kaum weiterleben, als meine Familie umgekommen ist – und daran war ich noch nicht mal schuld. Ich wäre auf keinen Fall cool geblieben, wenn ich jemand totgeschlagen hätte.

      Ich laufe zu unseren Fahrrädern. Mein Lenker hat sich in Tagoes Speichen verfangen, als wir nach der Verfolgungsjagd auf Peck unsere Räder hingeschmissen haben. »Ihr dürft nicht bei mir bleiben«, sage ich, während ich mein Rad aufhebe. »Das ist euch klar, oder?«

      »Nee, wir bleiben bei dir, auch …«

      »Auf keinen Fall, Alter! Ich bin eine tickende Zeitbombe, und selbst wenn ihr nicht mit hochgeht, sobald es bei mir so weit ist, verbrennt ihr euch vielleicht – im wahrsten Sinne des Wortes.«

      »Du wirst uns nicht los«, sagt Malcolm. »Wir gehen, wohin du gehst.«

      Tagoe nickt, wobei sein Kopf nach rechts zuckt, als würde sein Körper seinen Instinkt, mir zu folgen, Lügen strafen. Er nickt noch mal, diesmal ohne Zucken.

      »Ihr zwei seid voll die Schatten«, sage ich.

      »Weil wir schwarz sind?«, fragt Malcolm.

      »Weil ihr mir dauernd auf den Fersen bleibt. Treu bis in den Tod.«

      Den Tod.

      Das bringt uns zum Schweigen. Wir steigen auf die Räder und fahren mit rumpelnden Reifen den Bordstein runter. Ausgerechnet heute hab ich meinen Helm nicht dabei.

      Ich weiß, dass Tagoe und Malcolm nicht den ganzen Tag bei mir bleiben können. Aber wir sind Plutos, Brüder aus derselben Pflegefamilie, und lassen uns nicht im Stich.

      »Also dann, ab nach Hause«, sage ich.

      Und los gehts.

      MATEO

      01:06 Uhr

      Ich bin wieder in meinem Zimmer – so viel dazu, dass ich nie hierher zurückkehren würde – und augenblicklich geht es mir besser. Als hätte ich gerade ein weiteres Leben in einem Videospiel gewonnen, nachdem der Endgegner mich fertiggemacht hat. Ich bin nicht naiv, was das Sterben angeht. Ich weiß, dass es passieren wird. Aber ich muss mich ja nicht kopfüber hineinstürzen. Ich schinde gerade noch etwas mehr Zeit. Alles, was ich wollte, war ein längeres Leben, und ich habe die Macht, diesen Traum nicht zu zerstören, indem ich die Wohnung verlasse – vor allem nicht so spät nachts.

      Mit der Art Erleichterung, die man nur verspürt, wenn man morgens aufwacht und feststellt, dass Samstag und damit schulfrei ist, springe ich aufs Bett. Ich hänge mir die Decke über die Schultern, nehme wieder meinen Laptop, ignoriere die minutengenaue E-Mail-Bestätigung meines Telefonats mit Andrea vom Todesboten und lese den gestrigen Post auf Countdown weiter, den ich vor dem Anruf angefangen hatte.

      Der Todgeweihte hieß Keith und war zweiundzwanzig. Seine Statuszeilen enthalten nicht viel Information über sein Leben, nur dass er ein Einzelgänger war, der lieber mit seinem Golden Retriever namens Turbo spazieren ging, als mit seinen Klassenkameraden unterwegs zu sein. Er war auf der Suche nach einem neuen Zuhause für Turbo, weil

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