Am Ende sterben wir sowieso. Adam Silvera

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Am Ende sterben wir sowieso - Adam Silvera

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schöner Hund ist. Mann, sogar ich hätte ihn adoptiert, obwohl ich eine heftige Hundehaarallergie habe. Aber bevor Keith seinen Hund abgab, liefen Turbo und er noch ein letztes Mal ihre Lieblingsplätze ab, und sein Eintrag endete irgendwo im Central Park.

      Ich weiß nicht, wie Keith gestorben ist. Ich weiß nicht, ob Turbo überlebt hat oder mit Keith gestorben ist. Ich weiß nicht, was für Keith oder Turbo besser gewesen wäre. Ich weiß es nicht. Natürlich könnte ich nach irgendwelchen Überfällen oder Morden im Central Park gestern gegen 17:40 Uhr suchen, als der Post abbrach, aber meiner geistigen Gesundheit zuliebe bleibt das besser im Dunkeln. Stattdessen öffne ich meinen Musikordner und starte Space Sounds.

      Vor ein paar Jahren hat ein Team der NASA ein spezielles Gerät entwickelt, um die Geräusche verschiedener Planeten aufzunehmen. Ich fand auch erst, dass sich das seltsam anhört, vor allem nach den ganzen Filmen, die ich gesehen hatte, wo es hieß, im Weltraum gebe es keinen Klang. Aber den gibt es sehr wohl, er äußert sich nur in magnetischen Schwingungen. Die NASA hat die Geräusche umgewandelt, sodass das menschliche Ohr sie hören kann, und obwohl ich mich in meinem Zimmer versteckt habe, bin ich auf etwas Magisches aus dem Universum gestoßen – etwas, das diejenigen verpassen, die nicht verfolgen, was gerade im Internet angesagt ist. Einige der Planeten klingen unheilvoll wie in einem Science-Fiction-Film, der in irgendeiner Welt voller Aliens spielt. Neptun klingt wie eine schnelle Strömung, Saturn hat so ein gruseliges Heulen an sich, dass ich ihn lieber gar nicht mehr höre, dasselbe gilt für Uranus, nur dass dort starke Winde pfeifen, was klingt wie Raumschiffe, die sich mit Laserkanonen beschießen. Die Planetenklänge sind ein geniales Thema, um ein Gespräch anzufangen, wenn man Leute hat, mit denen man sich unterhalten kann. Wenn nicht, sind sie wie ein geniales weißes Rauschen zum Einschlafen.

      Ich lenke mich von meinem Abschiedstag ab, indem ich weitere Einträge auf Countdown lese und das Geräusch von der Erde höre. Es erinnert mich immer an entspannendes Vogelgezwitscher und diese leisen Töne, die Wale von sich geben, aber gleichzeitig klingt es auch ein bisschen schräg und hat etwas Beunruhigendes an sich, das ich nicht genau benennen kann. So ähnlich wie Pluto, der sich anhört wie eine Muschel, aber auch wie das Zischen einer Schlange.

      Ich wechsele zu Neptun.

      RUFUS

      01:18 Uhr

      Mitten in der Nacht fahren wir zu Pluto.

      »Pluto« ist der Name, den wir der Pflegefamilie gegeben haben, bei der wir alle leben, seit unsere richtigen Familien gestorben sind oder uns im Stich gelassen haben. Pluto wurde zwar von einem Planeten zum Zwergplaneten heruntergestuft, aber wir würden uns trotzdem nie als weniger wichtig betrachten.

      Meine Leute sind jetzt seit vier Monaten tot, aber Tagoe und Malcolm sind schon viel länger befreundet. Malcolms Eltern sind beim Brand ihres Hauses, den irgendein Brandstifter gelegt hat, ums Leben gekommen. Malcolm hofft, dass, wer immer es auch war, in der Hölle schmort, weil er ihm seine Eltern genommen hat, als er ein dreizehnjähriger Problemfall war, den keiner haben wollte außer dem Staat – und auch der nur gezwungenermaßen. Tagoes Mom hat sich vom Acker gemacht, als er noch klein war, und sein Alter ist vor drei Jahren abgehauen, weil er die Rechnungen nicht mehr zahlen konnte. Einen Monat später bekam Tagoe die Nachricht, dass er sich umgebracht hat, aber der coole Hund hat bisher keine einzige Träne um den Kerl geweint und nicht mal gefragt, wie oder wann er abgekratzt ist.

      Schon bevor ich erfuhr, dass ich sterben werde, war klar, dass Pluto nicht mehr viel länger mein Zuhause bleiben würde. Ich werde bald achtzehn – genau wie Tagoe und Malcolm, die beide im November Geburtstag haben. Ich hatte vor, aufs College zu gehen wie Tagoe, und wir waren davon ausgegangen, dass Malcolm nachkommen würde, sobald er sich zusammengerissen hätte. Wer weiß, wie’s jetzt weitergeht, aber es ist echt scheiße, dass ich nichts mehr mit diesen Fragen zu tun haben werde. Jetzt zählt nur noch, dass wir heute zusammen sind. Ich hab Malcolm und Tagoe bei mir, genau wie von dem Tag an, als ich bei ihnen eingezogen bin. Egal, ob es um Familienkram oder einen Anschiss ging, sie standen mir immer zur Seite.

      Eigentlich hatte ich nicht vor anzuhalten, aber als ich die Kirche sehe, bei der ich einen Monat nach dem Unfall an meinem ersten Wochenende mit Aimee war, bleibe ich stehen. Es ist ein massiver Bau mit cremeweißen Ziegeln und einem rotbraunen Kirchturm. Ich würde gern ein Foto von den Buntglasfenstern machen, aber wahrscheinlich kommen die mit Blitz nicht gut rüber. Spielt allerdings keine Rolle. Wenn ich ein Bild sehe, das für Instagram gut wäre, lege ich sowieso den Moon-Filter für den klassischen Schwarz-Weiß-Effekt drüber. Das Hauptproblem ist, dass ein Kirchenfoto von einem ungläubigen Arsch wie mir wahrscheinlich nicht das beste Abschiedsbild für meine siebzig Follower wäre. (Hashtag: Das wird nicht passieren.)

      »Was ist los, Roof?«

      »Das ist die Kirche, wo Aimee für mich Klavier gespielt hat«, sage ich. Aimee ist ziemlich katholisch, aber sie hat nicht versucht, mich zu bekehren oder so. Wir haben über Musik geredet und ich hab erwähnt, dass ich ein paar von den klassischen Sachen ausgraben wollte, die Olivia immer beim Lernen gehört hat, und dann meinte Aimee, dass ich das auch mal live hören sollte – und sie wollte es für mich spielen. »Ich muss ihr sagen, dass ich den Anruf bekommen habe.«

      Tagoe zuckt. Ich wette, ihm brennts unter den Nägeln, mich daran zu erinnern, dass Aimee gesagt hat, sie bräuchte Abstand von mir, aber an ’nem Abschiedstag gelten andere Regeln.

      Ich steige vom Rad und stelle es ab. Dann gehe ich ein paar Schritte, nicht weit, nur etwas näher zum Eingang, aus dem gerade ein Priester kommt, der eine weinende Frau aus der Kirche begleitet. Sie ringt die Hände, wobei ihre Ringe zusammenknallen, Topas, glaube ich, wie der, den meine Mutter mal verpfändet hat, als sie Olivia zu ihrem dreizehnten Geburtstag Konzertkarten schenken wollte. Die Frau muss eine Todgeweihte sein – oder jemanden kennen, der es ist. Die Nachtschicht hier ist bestimmt kein Spaß. Malcolm und Tagoe machen sich immer über die Kirchen lustig, die mit dem Todesboten und seinen »unheiligen, vom Satan eingeflüsterten Visionen« nichts zu tun haben wollen. Aber es ist der Hammer, wie manche Nonnen und Priester bis weit nach Mitternacht für Todgeweihte zur Verfügung stehen, die beichten wollen oder sich taufen lassen und all so was.

      Wenn meine Mutter recht hatte und es dort draußen einen Typen wie Gott gibt, hoffe ich, dass er mir jetzt beisteht.

      Ich rufe Aimee an. Es klingelt sechsmal, bevor die Mailbox anspringt. Ich rufe wieder an und es passiert dasselbe. Dann versuche ich es noch einmal, und diesmal springt die Mailbox schon nach dem dritten Klingeln an. Aimee ignoriert mich.

      Ich tippe eine Nachricht: Der Todesbote hat mich angerufen. Vielleicht könntest du das auch mal tun.

      Nee, das zu schicken, wäre extrem fies.

      Ich korrigiere die Nachricht: Der Todesbote hat mich angerufen. Könntest du dich bitte melden?

      Nach weniger als einer Minute klingelt mein Handy, der übliche Klingelton, nicht dieser Todesbotenalarm, bei dem einem das Herz stehen bleibt. Es ist Aimee.

      »Hey.«

      »Ist das dein Ernst?«, fragt sie.

      Wenn nicht, würde sie mich wegen dem falschen Alarm garantiert umbringen. Tagoe hat das mal gebracht, um gehört zu werden, aber Aimee hat ihn voll auflaufen lassen.

      »Ja. Ich muss dich sehen.«

      »Wo bist du?« Ihre Stimme klingt sanft und sie legt nicht auf wie bei meinen letzten Anrufen.

      »Ich bin zufällig gerade bei der Kirche, in der wir zusammen waren«, sage ich. Hier ist es megafriedlich, als könnte ich es vielleicht doch bis morgen

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