Am Ende sterben wir sowieso. Adam Silvera
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Es gibt einen Kamin, der zwar nicht funktioniert, aber trotzdem geil aussieht. Die in warmem Orange gestrichenen Wände, die mich schon im Sommer auf den Herbst vorbereitet haben. Den Eichentisch, um den wir uns nach dem Abendessen versammeln, um Cards Against Humanity und Tabu zu spielen. Und da ist auch der Fernseher, in dem ich mit Tagoe immer die Serie Hipster House gesehen habe, obwohl Aimee die Hipster so ätzend fand, dass es ihr lieber gewesen wäre, ich hätte stattdessen Cartoonpornos geguckt. Außerdem das Sofa, auf dem wir abwechselnd pennen, weil es bequemer ist als unsere Betten.
Wir gehen rauf in den ersten Stock in unser Zimmer, das so klein ist, dass nicht mal eine Person bequem darin wohnen könnte, geschweige denn drei, aber wir kriegen es trotzdem hin. An den Tagen, an denen Tagoe Bohnen gegessen hat, lassen wir nachts immer das Fenster offen, obwohl es draußen megalaut ist.
»Ich muss das jetzt loswerden«, sagt Tagoe, während er die Tür hinter uns zumacht. »Du bist echt weit gekommen. Überleg mal, was du alles gemacht hast, seit du hier gelandet bist.«
»Es gibt noch so viel, was ich tun könnte.« Ich setze mich auf mein Bett und lasse den Kopf auf die Kissen sinken. »Es ist voll der Stress, mein ganzes Leben an einem einzigen Tag durchzuziehen, Alter.« Vielleicht nicht mal ein ganzer Tag. Ich kann von Glück reden, wenn ich noch zwölf Stunden habe.
»Niemand erwartet von dir, ein Heilmittel gegen Krebs zu finden oder die Pandas vor dem Aussterben zu retten«, sagt Malcolm.
»Ja, die vom Todesboten haben echt Glück, dass sie nicht vorhersagen können, wann ein Tier stirbt«, sagt Tagoe. Ich sauge lautstark die Luft ein und schüttele den Kopf, weil er sich für Pandas interessiert, während sein bester Freund stirbt. »Was denn? Stimmt doch! Der ganze Planet würde dich hassen, wenn du den allerletzten Panda anrufen würdest. Stell dir bloß mal die Medien vor, es gäbe Selfies und …«
»Wir habens kapiert«, unterbreche ich ihn. Ich bin kein Panda, also interessieren sich die Medien einen Scheiß für mich. »Ihr müsst mir einen Riesengefallen tun. Weckt Jenn Lori und Francis. Sagt ihnen, ich will ’ne Trauerfeier, bevor ich wieder verschwinde.« Francis hat mich nie wirklich gemocht, aber diese Einrichtung hat mir ein Zuhause gegeben, und das ist mehr, als andere jemals bekommen.
»Bleib besser hier«, sagt Malcolm. Er macht den einzigen Schrank auf. »Vielleicht können wir es ja verhindern. Du könntest die Ausnahme sein! Wir können dich hier einsperren.«
»Dann ersticke ich oder das Brett mit deinen scheißschweren Klamotten zertrümmert mir den Schädel.« Er sollte nicht so dumm sein, an Ausnahmen und so einen Mist zu glauben. Ich setze mich auf. »Mir bleibt nicht mehr viel Zeit, Leute.« Ich zittere leicht, aber ich reiße mich zusammen. Ich darf jetzt nicht ausrasten.
Tagoe zuckt. »Können wir dich allein lassen?«
Es dauert einen Moment, bevor ich kapiere, was er meint. »Ich bring mich nicht um«, sage ich.
Ich will nicht sterben.
Also lassen sie mich allein zurück mit Wäsche, die ich nie mehr waschen muss, und Aufgaben für den Sommerkurs, die ich nie mehr fertig machen muss – oder auch nur damit anfangen. In der Ecke meines Bettes liegt zusammengeknüllt Aimees gelbe Decke mit dem bunten Kranichmuster, die ich mir um die Schultern lege. Die Decke hatte Aimee schon als Kind, sie war ein Überbleibsel aus der Kindheit ihrer Mutter. Wir sind zusammengekommen, als Aimee noch hier gewohnt hat, und lagen oft nebeneinander unter der Decke oder verwendeten sie für Wohnzimmerpicknicks. Das waren echt geniale Zeiten. Nachdem wir Schluss gemacht hatten, wollte Aimee ihre Decke nicht zurückhaben, wahrscheinlich um mich in ihrer Nähe zu behalten, obwohl sie mehr Abstand brauchte. Als hätte ich doch noch Chancen bei ihr.
Das Zimmer hier ist ganz anders als das Zimmer, in dem ich aufgewachsen bin – beige Wände statt grüne; zwei Betten mehr und Mitbewohner; halb so groß; keine Hanteln und Poster zu Videospielen –, aber trotzdem ist es mein Zuhause geworden und es hat mir gezeigt, dass Menschen wichtiger sind als Gegenstände. Malcolm hat diese Lektion schon gelernt, nachdem die Feuerwehr die Flammen gelöscht hatte, in denen sein Haus, seine Eltern und seine Lieblingssachen verbrannt sind.
Wir haben hier nur das Nötigste.
An die Wand über meinem Bett habe ich Fotos gepinnt, die Aimee von meinem Instagram-Profil ausgedruckt hat: der Althea Park, wo ich immer hingehe, um nachzudenken; mein verschwitztes weißes T-Shirt am Lenker meines Fahrrads, nachdem ich im Sommer meinen ersten Marathon gefahren bin; ein einsamer Gettoblaster in der Christopher Street, der einen Song spielte, den ich noch nie gehört hatte und seitdem auch nie wieder; Tagoe mit blutiger Nase, als wir versucht haben, uns eine spezielle Plutobegrüßung auszudenken, was total schiefging, weil wir mit den Köpfen zusammengedonnert sind; zwei Sneaker – einer in Größe 41 und der andere in Größe 43 –, weil ich neue Schuhe gekauft und nicht darauf geachtet habe, ob sie auch zusammenpassen; Aimee und ich, wobei meine Augen auf dem Foto völlig ungleich aussehen, als ob ich high wäre, was ich aber (noch) nicht war, und trotzdem ist das Bild genial, weil die Straßenlaterne einen echt schönen Schein auf Aimee wirft; Fußabdrücke im Matsch, als ich Aimee nach einer Woche Regen durch den Park gejagt habe; zwei nebeneinandersitzende Schatten, von denen Malcolm kein Foto wollte, das ich aber trotzdem gemacht habe; und noch massenhaft mehr, die ich für meine Kumpels zurücklassen muss, wenn ich von hier verschwinde.
Von hier verschwinde …
Ich will hier nicht weg.
MATEO
01:52 Uhr
Ich bin fast so weit, dass ich loskann.
Ich habe das Geschirr gespült, Staub und Bonbonpapier unter dem Sofa weggefegt, den Wohnzimmerboden gewischt, die Zahnpastaflecken aus dem Waschbecken geputzt und sogar mein Bett gemacht. Jetzt sitze ich wieder vor dem Laptop und habe eine größere Herausforderung vor mir: die Inschrift für meinen Grabstein in höchstens acht Worten. Wie bitte soll ich mein Leben in acht Worten zusammenfassen?
Er starb, wo er lebte: in seinem Zimmer.
Welch verschwendetes Leben.
Sogar Kinder gehen größere Risiken ein als er.
Ich muss etwas Besseres abliefern. Alle haben immer viel mehr von mir erwartet, und ich selbst auch. Dem muss ich gerecht werden. Heute habe ich zum letzten Mal die Chance dazu.
Hier ruht Mateo: Er lebte für alle.
Ich drücke auf Senden.
Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Klar, ich kann es noch mal überarbeiten, aber so funktionieren Versprechen nicht, und für alle zu leben ist ein Versprechen an die Welt.
Ich weiß, es ist noch früh am Morgen, aber ich fühle mich ganz beklommen, weil es gleichzeitig schon spät ist, zumindest für