Am Ende sterben wir sowieso. Adam Silvera

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Am Ende sterben wir sowieso - Adam Silvera

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seid ihr nicht bei Pluto? Was habt ihr denn Montagnacht draußen zu suchen?«

      Ich brauche mehr Zeit, um darauf zu antworten. Vielleicht achtzig Jahre, aber so viel Zeit bleibt mir nicht. Trotzdem will ich es nicht gleich zugeben. »Wir fahren jetzt zurück zu Pluto. Treffen wir uns dort?«

      »Was? Nein. Bleib bei der Kirche. Ich komm dahin.«

      »Ich werd nicht sterben, bevor wir uns noch mal gesehen haben, vertrau …«

      »Du bist nicht unbesiegbar, du Vollidiot!« Jetzt weint Aimee und ihre Stimme zittert wie damals, als wir ohne Jacken in den Regen geraten sind. »O Mann, tut mir leid, aber weißt du, wie viele Todgeweihte so was versprechen und dann von einem Klavier erschlagen werden?«

      »Vermutlich nicht sehr viele«, entgegne ich. »Tod durch Klavier kommt, glaub ich, eher selten vor.«

      »Das ist nicht witzig, Rufus. Ich zieh mich an, rühr dich nicht vom Fleck. In spätestens einer halben Stunde bin ich da.«

      Hoffentlich verzeiht sie mir alles, die Aktion heute Nacht eingeschlossen. Ich werde mit ihr reden, bevor Peck sie erwischt, und ihr meine Sicht der Dinge erklären. Peck fährt sicher erst mal nach Hause, macht sich sauber und ruft Aimee dann vom Handy seines Bruders aus an, um ihr zu sagen, was für ein Monster ich bin. Ich hoffe, dass er nicht die Bullen ruft, sonst verbringe ich meinen Abschiedstag hinter Gittern oder finde mich am falschen Ende eines Schlagstocks wieder. Aber ich will nicht an so was denken. Ich will einfach nur Aimee sehen und mich als der Freund, als den sie mich kennen, von den Plutos verabschieden – nicht als das Monster, das ich heute Nacht war.

      »Wir treffen uns zu Hause. Komm … einfach zu mir. Ciao, Aimee.«

      Ich lege auf, bevor sie protestieren kann. Dann steige ich aufs Rad, während sie andauernd anruft.

      »Und was jetzt?«, fragt Malcolm.

      »Wir fahren zurück zu Pluto«, erkläre ich. »Ihr schmeißt ’ne Trauerfeier für mich.«

      Ich schaue, wie spät es ist: 01:30 Uhr.

      Es könnte immer noch sein, dass auch die anderen Plutos angerufen werden. Ich wünsche es ihnen nicht, aber vielleicht muss ich nicht allein sterben.

      Oder vielleicht gerade doch.

      MATEO

      01:32 Uhr

      Durch die Einträge auf Countdown zu scrollen, zieht einen richtig runter. Aber ich kann mich nicht losreißen, weil jeder registrierte Todgeweihte seine Geschichte erzählen will. Wenn Menschen ihren Lebensweg vor dir ausbreiten, schaust du unwillkürlich hin – selbst wenn du weißt, dass sie am Ende sowieso sterben.

      Wenn ich schon nicht rausgehe, kann ich zumindest für andere online sein.

      Es gibt fünf Kategorien auf der Seite – Beliebt, Neu, In deiner Nähe, Hervorgehoben, Zufällige Auswahl – und wie immer durchsuche ich als Erstes den Bereich »In deiner Nähe«, um sicherzugehen, dass ich niemanden kenne … Alle unbekannt, gut.

      Obwohl es vielleicht ganz nett gewesen wäre, heute Gesellschaft zu haben.

      Ich suche einen zufälligen Todgeweihten aus. Benutzername: Geoff_Nevada88. Geoff ist vier Minuten nach Mitternacht angerufen worden und schon draußen auf dem Weg zu seiner Lieblingsbar. Er hofft, dass er nicht nach seinem Ausweis gefragt wird, weil er noch nicht einundzwanzig ist und seinen gefälschten Perso vor Kurzem verloren hat. Bestimmt lassen sie ihn trotzdem problemlos hinein. Ich folge ihm und werde benachrichtigt, sobald er etwas Neues schreibt.

      Dann wechsele ich zu einem anderen Todgeweihten. Benutzername: WebMavenMarc. Marc war Social-Media-Manager bei einem Getränkeunternehmen, was er gleich zweimal erwähnt, und er weiß nicht genau, ob seine Tochter es noch rechtzeitig zu ihm schafft. Es ist, als stünde dieser Todgeweihte direkt vor mir und schnippte mir mit den Fingern ins Gesicht.

      Ich muss Dad besuchen gehen, auch wenn er nicht bei Bewusstsein ist. Er muss wissen, dass ich bei ihm war, bevor ich gestorben bin.

      Also lege ich den Laptop weg, ignoriere die Benachrichtigungstöne der paar Leute, denen ich folge, und gehe direkt in Dads Schlafzimmer. Sein Bett war an dem Morgen, als er damals zur Arbeit gegangen ist, ungemacht, aber ich habe es inzwischen in Ordnung gebracht und die Decke ganz unter die Kissen geschoben, wie er es mag. Ich sitze auf seiner Seite des Bettes – der rechten, weil meine Mutter offenbar immer lieber links geschlafen hat und er ihr auch nach ihrem Tod einen Platz in seinem Leben bewahrt hat – und nehme das gerahmte Foto in die Hand, auf dem Dad mir an meinem sechsten Geburtstag hilft, die Kerzen auf dem Toy Story-Kuchen auszupusten. Na ja, eigentlich hat Dad sie ganz allein ausgepustet. Auf dem Bild lache ich ihn an. Er sagt, mein fröhlicher Gesichtsausdruck sei der Grund dafür, dass er das Foto immer in seiner Nähe haben möchte.

      Es klingt vielleicht komisch, aber Dad ist genauso mein bester Freund wie Lidia. Das könnte ich nie laut aussprechen, ohne dass sich jemand über mich lustig machen würde, aber wir beide hatten immer eine gute Beziehung. Nicht perfekt, doch ich bin sicher, die meisten befreundeten Menschen da draußen – in meiner Schule, in dieser Stadt und am anderen Ende der Welt – ärgern sich mit dummen und wichtigen Dingen herum, und die engsten Freunde finden einfach einen Weg, damit umzugehen. Dad und ich hätten nie einen so heftigen Streit gehabt, dass wir nicht mehr miteinander reden. Nicht wie einige dieser Todgeweihten auf Countdown, die ihre Väter so sehr hassen, dass sie sie nicht mal auf dem Totenbett besuchen oder sich weigern, sich vor ihrem eigenen Tod mit ihnen zu versöhnen. Ich nehme das Foto aus dem Rahmen, falte es in der Mitte und stecke es in die Hosentasche – ich glaube nicht, dass der Knick Dad stören wird. Dann stehe ich auf, um mich auf den Weg zum Krankenhaus zu machen, wo ich mich verabschieden werde und dafür sorgen will, dass er das Foto neben sich hat, wenn er endlich wieder aufwacht. Ich will dafür sorgen, dass er schnell beruhigt ist, als wäre es ein ganz normaler Morgen, bevor ihm irgendjemand sagt, dass ich nicht mehr da bin.

      Ich gehe aus dem Zimmer, fest entschlossen, die Wohnung zu verlassen, um meinen Plan in die Tat umzusetzen, als ich das schmutzige Geschirr in der Spüle entdecke. Das sollte ich noch spülen, damit Dad, wenn er nach Hause kommt, nicht lauter dreckige Teller und Becher mit eingetrockneten Flecken von der ganzen heißen Schokolade vorfindet, die ich getrunken habe.

      Das ist auch ganz bestimmt keine Ausrede, damit ich nicht rausgehen muss.

      Ehrlich.

      RUFUS

      01:41 Uhr

      Sonst sind wir immer auf unseren Rädern durch die Straßen gebrettert, als würden wir ein Rennen ohne Bremsen fahren, aber heute nicht. Wir schauen dauernd nach links und rechts und bleiben wie jetzt an roten Ampeln stehen, obwohl weit und breit kein Auto kommt. Wir fahren durch die Straße, wo Clint’s Graveyard, dieser Club für Todgeweihte, liegt. Eine Menge Leute um die zwanzig haben sich davor versammelt und in der Schlange herrscht Chaos. So ist den Türstehern, die mit den ganzen Todgeweihten und ihren Freunden zu tun haben, weil sie ein letztes Mal auf der Tanzfläche ausflippen wollen, immerhin ihre Kohle sicher.

      Ein megahübsches braunhaariges Mädchen weint, als ein Typ sie mit einem lahmen Anmachspruch anquatscht (»Vielleicht lebst du noch länger, wenn du ein paar Vitamine von mir in dir hast«), und ihre Freundin holt mit ihrer Handtasche nach ihm aus, bis er sich verzieht. Das arme Mädchen hat nicht mal Ruhe vor solchen Arschlöchern, wenn sie um sich selbst trauert.

      Es

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