Auf der Spur der Sklavenjäger. Alexander Röder

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Auf der Spur der Sklavenjäger - Alexander Röder Karl Mays Magischer Orient

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haben, von einer großen, erfahrenen, vor allem aber konkurrierenden Sklavenhändlerbande ausgehen. Jener Halef, den sie sich vorstellen, würde auf seiner Jagd nach den Entführern seiner Familie doch gewiss einen großen Trupp ruchloser Kämpfer um sich scharen und wie ein Heerzug hinterdrein stürmen. Sie stellen sich so etwas vor, denn sie können nicht anders denken. Sie erwarten nicht, unsere kleine Schar aus gerechten Streitern gegen sich zu haben.“ Ich zeigte in die Runde und sprach weiter. „Selbst wenn sie von einigen Tatsachen wüssten: Sollte etwa neben deinem belauschten Namen auch das eine oder andere Auge im Dienste der Verbrecher unser Befreiungsmanöver betrachtet haben – noch im Ungewissen, was geschah, und erst später im Rat der Schurken zu einem Ganzen gefügt –, so erwarteten sie als Verfolger eine Gruppe, die neben uns auch aus zwei schottischen Soldaten im Dienste Sir Davids und zwei arabischen Kriegern im Dienste Haschims bestand. Doch diese sind nicht bei uns, lassen also unsere Gruppe nicht erkennbar sein. Ebenso wenig begleitet uns die Holländerin, die recht auffällig wäre.“

      Amscha blickte mich höhnisch an. „Wie gut, dass ich auf die dummen Männer stets wie ein Mann wirke, weil sie nicht glauben können, dass eine Frau Waffen trägt. Und würde ich Röcke tragen, wie es die Frau, von der du sprichst, wohl getan hat, würdest du mir bestimmt raten, eurer Gruppe fernzubleiben, weil ich dann ebenfalls recht auffällig wäre.“

      Ich hob besänftigend die Hand. „Wie du sagtest: Die Dummheit der Männer wird unsere Chance sein. Auch wenn die Verbrecher dich erlebt haben, wie du Hanneh und Djamila verteidigt hast, so werden sie kaum erwarten, dass du sie verfolgst. Sie verbinden durch ihren Handel mit Sklavinnen alles Weibliche nur mit Angst und Schwäche. Das wird sich rächen.“

      „Das wird es!“, sagte Amscha und ihr Blick gegen mich hatte sich etwas gemildert.

      „Also“, sprach ich weiter, „die mehrfache Unwissenheit der Verbrecher wird uns nützen. Ihre eigene, falsche Vorstellung wird ihnen zum Verhängnis werden. Und ich will noch eine weitere Hoffnung aussprechen, die seltsam klingen mag, und ich bitte, dass sie niemand mir übelnimmt, weil unschöne Erinnerungen geweckt werden. Aber ich glaube, dass die Schurken sich noch wundern werden, wen sie da entführt haben. Es ist ja nicht nur Hanneh, die Tochter der Kriegerin Amscha. Sondern auch Djamila, die Tochter Abu Seifs. Und auch wenn sie im Grunde herzensgut ist, so schlummert doch vieles von seinem Wesen in ihr.“

      „Ja“, seufzte Halef mit einer Geste zu Amscha hin. „Sollten die Verbrecher einen Augenblick unachtsam sein, dürfte ich um meine Rache an ihnen gebracht werden.“

      Amscha nickte und ihr Blick war zweideutig. „O ja.“

      Und wir alle begriffen, wie seltsam das Schicksal doch spielt.

      Am Morgen hatten wir uns für die Jagd gerüstet. Amad el Ghandur brachte mir meinen Hengst Rih, den ich seit jener Zeit nicht mehr gesehen hatte, als ich ihn wie so oft bei den Haddedihn untergebracht hatte, damals am Ende unseres langen Kampfes gegen Al-Kadir. Seitdem war ich für ein Dreivierteljahr in der Heimat gewesen, bis ich von der Holländerin zum Kampf gegen ihre einstigen Peiniger gerufen worden war. Für den Weg nach Dauha, durch das Gebiet der arabischen Wüste, hatte ich mich entschieden, Rih in den Gefilden der Haddedihn zu belassen.

      Was freute ich mich nun, ihn zu sehen! Und das edle Tier erkannte mich sogleich und begrüßte mich mit einem stolzen Nicken des schönen Hauptes und mit blinzelnden blanken Augen, nicht wie seinen Herrn, sondern wie einen alten Freund. Und es rührte mich, dass Halef mit seinem Söhnchen Kara dort stand, denn die Vorstellung des kleinen Kara im Sattel Rihs erfüllte mich zudem mit einem eigentümlichen Stolz.

      Kara würde in der Zeit, wo ich mit den anderen beiden Mitgliedern seiner Familie, Halef und Amscha, auf Verbrecherjagd auszog, bei einem Stamm in der Nähe unterkommen. So hatten wir es beschlossen, denn wir fürchteten, die Sklavenhändler würden vielleicht weitere Schergen entsenden, um auch den Jungen zu entführen, als weiteres und noch grausameres Druckmittel gegen Halef. Kara Ben Halef würde mit jener Vertrauten der Familie, die ich bereits an seiner Schlafstatt gesehen hatte, zu einem entfernteren Nachbarstamm gehen.

      Wir ritten also fort von den Haddedihn, nach Westen. Wir hatten Amad el Ghandur Rache und Vergeltung für die Verluste des Stammes an Männern und Vieh versprochen und Malek geschworen, seine Enkeltöchter zu befreien und zu ihm zurückzubringen. Gerade dieser wünschte uns Segen und Glück, und unter aller Sorge in seinem Blick sah ich Hoffnung und, wie ich glaubte, sogar Stolz, dass seine Tochter Amscha uns begleitete.

      Unser Weg nach Westen war uns von der Botschaft des Lehrers Lohse angezeigt worden. Dennoch setzte ich meine Künste des Spurenlesens ein, um den genauen Pfad der Verfolgung zu bestimmen. Der grobe Hinweis ersparte ja nur Zeit, die wir vergeudet hätten, wenn wir in einem Stern um den Duar der Haddedihn herum alle erkennbaren Fährten geprüft hätten. Gewiss wäre es mir früher – oder leider eben auch später – gelungen, die Spuren der Entführer zu erkennen, zudem ihrer beider Gruppen, denn wir wussten ja, dass sie Hanneh und Djamila zunächst getrennt verschleppt hatten. Und dann hätte ich das Zusammentreffen der aufgeteilten Verbrecherbande als Ansatzpunkt für den weiteren Weg genutzt.

      Wie gut also, dass Lohse sich, wohl mit einigem Glück, auf die Spur zumindest eines Teils der Sklavenhändler hatte setzen können – bis die endgültige Route der Verschleppung sich darbot. Mein Respekt galt aber auch der Geistesgegenwart des Lehrers, jene Brieftaube mit sich zu führen. Mein Bild von Lohse war allerdings etwas seltsam: ein Lehrer, der als Rächer hinter den Entführern hergaloppierte, hinter dem Sattel einen Vogelkäfig. Immerhin verfiel ich in meinen Gedanken nicht in Klischees: Selbst wenn ich Lohse nur kurz getroffen hatte, erinnerte ich mich, dass er keine Nickelbrille trug und auch kein Stöckchen besaß, denn dergleichen lehnte er wohl ab. Halef hatte mir erzählt, Lohse hätte, danach befragt, warum er denn keine Rute nutzte, wie man doch von Lehrern gemeinhin erwarten würde, geantwortet, dass der Metrek doch für Kamele sei und nicht für Kinder.

      Nun, Lohse schien also ein moderner Pädagoge zu sein, mich sollte es der Sprösslinge der Haddedihn wegen freuen. Zumal ich glaubte, dass Halef doch allzu gern der Einzige sein wollte, der dann und wann mit Hieben drohte, wenngleich er eben doch nur drohte. Ich stellte mir eine kuriose Szene vor, worin ein deutscher Lehrer mit einem Beduinen über die Vorzüge von Rohrstöcken und Kurbatsch diskutierte, allerdings rein vom Gegenstand her und nicht wegen dessen Wirkung. So erheiternd dieser Gedanke war, ich war doch etwas befremdet von der Vorstellung des Lehrers Lohse als Rächer und Spurensucher.

      Gleichwohl konzentrierte ich mich auf meine eigenen Fertigkeiten. Schon bald hatte ich die verräterischen Spuren entdeckt. Die Huftritte von vier Pferden, die von Reitern geführt wurden, welche doch eher gewohnt waren, Dromedare zu lenken, sowie von zwei Pferden, die nicht vom Sattel aus, sondern durch die nach vorn gelegten Zügel geleitet wurden. Zweifellos die Gruppe der Sklavenhändler mit ihren beiden Gefangenen.

      Wir durchmaßen bekanntes Gebiet und so musste ich nicht mit den Augen des Reiseschriftstellers die Landmarken betrachten. Im Norden erhob sich der Dschebel Sindschar, der Gebirgszug mit dem heiligen Ort der Jesiden darauf. Als wir dessen karstige Klüfte in der Ferne passierten, dachte ich kurz an meine Abenteuer mit jenen Menschen, an ihre Herzlichkeit und wie ich ihnen im Kampf hatte helfen können. Doch die Namen Ali Bey und Mir Scheik Khan flogen in meinem Geist ebenso rasch vorbei wie deren Gesichter; und auch die Erinnerung an die Orte Baadi und Mossul, an die Schlachten und Feste, waren nur Schemen der Vergangenheit. Ich musste meine Aufmerksamkeit auf die Gegenwart richten, in der wir die Entführer verfolgten, und kaum an die Zukunft denken, in der ich jene zu stellen hoffte.

      Bald hatten wir den Lauf des Chabur gequert, eines Nebenflusses des Euphrat, welcher zu dieser Zeit in seinem breiten, flachen Tal jedoch sehr schmal und nahezu wasserlos war, sodass wir nur durch niedriges Wasser von geringer Ausdehnung zu reiten hatten. Der Ort war von den Entführern wohlgewählt, denn er war abgelegen und wurde derzeit auch nicht von Beduinen der Schammar besucht, die sonst hier ihre Herden

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