Auf der Spur der Sklavenjäger. Alexander Röder

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Auf der Spur der Sklavenjäger - Alexander Röder Karl Mays Magischer Orient

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Morgengrauen erkannte, dass Haschim nicht auf seinem Lager weilte. Dies allein war nun kein Grund zur Beunruhigung, er mochte sich bereits erhoben haben. Stattdessen aber sah ich, dass sein Lager unberührt war.

      Haschim war verschwunden!

       Fünftes Kapitel

       Der graue Weiher

      Ich blickte mich um. Wir hatten auf einer kleinen Anhöhe gelagert, deren Felsen einen guten Schutz vor Wind und Entdeckung boten. Ringsum hob sich das Gelände in sanften Wellen, mit dürrem Bewuchs und steinigem, sandigem Grund. Ich konnte recht weit schauen, sah jedoch Haschim nicht. Sein Pferd stand bei den anderen, und sein Gepäck, vor allem seine Waffen, waren an ihrem Ort.

      Nun, vielleicht wäre ich bei einem anderen Mitglied meiner Gruppe besorgter gewesen. Haschim war aber nun einmal ein Magier und hatte seine Eigenheiten.

      Ich schaute und lauschte, aber ich konnte nichts Außergewöhnliches bemerken. Schon wollte ich mich umwenden, um die anderen zu wecken und den Tag wie die vergangenen zu beginnen, mit knapper Verköstigung und raschem Aufbruch, als mein Blick über eine Stelle am Fuß der Anhöhe streifte. Ein eigentümliches Gefühl überkam mich. Ich verengte die Augen, um im dämmrigen Licht Genaueres zu erkennen, doch der Fleck blanken Steppengrunds zwischen den verstreuten Steinen schien nicht anders als das weitere Gelände ringsum. Dann fühlte ich, wie meine Hand sich wie von selbst zu meiner Westentasche bewegte. Gewiss war ich es selbst, der sie führte, aus eigenem Willen, doch es geschah nahezu unbewusst, so wie man eine oft geübte, lang gewohnte Bewegung vollführt. In der Westentasche glitt der Musaddas zwischen meine Finger, ich hob ihn zu meinem Auge und spähte durch den Sechseckring auf die Stelle, die mich so seltsam beunruhigt hatte.

      Nun sah ich es! Der Musaddas enthüllte mir die wahre Natur der Dinge. Und hier war es tatsächlich die Natur selbst, die sich mir in anderer Gestalt zeigte als mit dem bloßen Blick.

      Unter mir, dort wo der sanfte Hang endete, zeigte sich mit einem Mal eine schimmernde Fläche, die den heller werdenden Himmel spiegelte, ihn jedoch zu einem dumpfen, bleiernen Grau verfärbte. Mir schien es wie ein seichtes Gewässer, und tatsächlich erblickte ich ein mattes Glitzern, wie es von einer schwachen Bewegung der flüssigen Oberfläche zu erwarten war. Je genauer ich hinschaute und zudem auch meinen Blick durch den Musaddas bewegte, erkannte ich, dass sich ein nicht kleines Areal um den Hügel herum in jenes Schwemmland verwandelt hatte, etwa einen guten Steinwurf in jede Richtung meines Blickfelds. Hätte ich nicht auf jener Anhöhe gestanden und wäre es ein heller, sonnendurchglühter Tag in der Wüste gewesen, wäre mir dies wie eine Luftspiegelung erschienen, als jenes Gaukelspiel der Natur, welches dem Dürstenden ein nahes Wasser verspricht und dennoch nur ein Bild aus der Ferne wiedergibt.

      Und um mich eben davon zu überzeugen, dass es weder eine natürliche noch eine magische Spiegelung war, begann ich die Anhöhe hinunterzugehen, weiterhin durch den Musaddas schauend, auf die schimmernde Fläche zu.

      Schon sah ich, wie leichter Dunst sich bildete und meine Stiefel umfloss. Ich roch salzige Feuchte wie am Ufer des Meeres, doch fehlte die Frische einer Brise, die Luft stand und der Geruch von brackigem Wasser begann stärker zu werden.

      Dann schälten sich aus dem höher steigenden Dunst einige Schatten heraus, wie schmale Arme mit dünnen Fingern, die still gen Himmel griffen. Es waren die Äste und Zweige von Mangroven, die blattlos aus dem Brackwassersumpf ragten. Auch einige flache Buckel aus grauem Gras, glitzernd von Salz, erhoben sich aus dem Marschland. Im trüben Wasser spiegelte sich matt ein bleifarbener Himmel.

      Eigentümlicherweise verspürte ich einen kühlen Hauch im Gesicht, als strömte durch den Ring des Musaddas wahrhaftig die klamme Luft, welche über dem Salzsumpf zu liegen schien. Auch war mir, als nähme ich die dumpfe Stille war, das tonlose Verharren jenes brackigen Halblandes, in dem sich nichts rührte. Gewiss gab es auch um mich herum keine Laute, denn obwohl die Morgendämmerung nahte, gab es in der baumlosen Gegend unseres Lagers nun einmal keine Vögel, die in ihren Nestern erwachten, um zwitschernd und singend den Tag zu begrüßen. Doch so, wie ich jene Kühle auf meiner Gesichtshaut zu spüren vermeinte, legte sich ein Druck auf meine Ohren, der von der unnatürlichen Abwesenheit von Klang und Geräusch herrühren mochte, die sich mir beim Blick durch den Musaddas mitteilte.

      Ich wusste nun, dass der Musaddas denjenigen, der durch den goldenen Sechseckring blickte, die Dinge so schauen ließ, wie sie wirklich waren. Dies hatte ich bei Wesen und Menschen erlebt, auch in den fernen Bergen des Balkans, als ich den geheimen Weg erkannte, der uns zum Stahlpalast des Schut geführt hatte. Doch war jener Weg zum Teil ein wirklicher Pfad im Fels gewesen, aus dem Gestein herausgehauen und dann mittels Magie vor den Augen der Menschen verborgen. Aber dieser Salzsumpf, der nun vor mir lag – sollte ich glauben, dass hier, in den zur Zeit ausgetrockneten Schwemmgebieten des Tigris und seiner Nebenflüsse, in Wahrheit ein Marschland von Mangroven sich erstreckte, dieses jedoch unter einer zauberischen Tarnkappe versteckt worden war? Wer sollte dies getan haben und warum?

      Ich setzte zu einem weiteren Schritt an, vorsichtig, mit einem knappen Blick nach unten. Nicht, dass ich befürchtete, in den Sumpf zu geraten, der genauso eine Täuschung hätte sein können, sondern um nicht etwa auf dem wahrhaftigen Erdboden über einen Stein zu stolpern und der Länge nach hinzuschlagen. Niemand soll glauben, ich vergäße die Wirklichkeit, auch wenn ich Wunder schaue!

      Dann aber geschah es: Ich wollte meinen Fuß auf den Staub und das Geröll setzen, so wie ich es mit bloßem Auge erblickte, und als der Absatz meines Stiefels sich auf den Grund senkte – da trafen nicht Ledersohle und Erdreich aufeinander. Stattdessen umfing weicher Morast mich sogleich bis zum Knöchel, und eine empfindliche Kühle stach in meine Haut.

      Rasch zog ich den Fuß zurück, setzte ihn einen Halbschritt nach hinten und stand tatsächlich wieder fest. Durch den Musaddas sah ich die schlierige Feuchte auf dem Stiefel.

      Der Salzsumpf war also kein Trugbild, sondern wahrhaftig vorhanden. Sogleich dachte ich, dass ich die anderen warnen müsse, damit sie nicht sehenden – oder eben nicht sehenden – Auges in ihr Unheil gingen. Und ich dachte zudem an mögliche andere Reisende, die hier würden hineingeraten können. Man sollte den Sumpf mit warnenden Zeichen versehen, abstecken wie den Pfad durch ein Moor oder einfrieden wie ein Stück Treibsand. Dergleichen kannte man durchaus, auch in der Nähe der Wüstengewässer des Zweistromlands.

      Und dann – ich verwünschte meine forschenden Blicke durch den Musaddas und auch meine nüchternen Gedanken zur Abwehr von Gefahren – dann endlich begriff ich!

      Haschim war verschwunden – er konnte nur in diesen magisch verhüllten Salzsumpf geraten sein! In ungekanntem Jähzorn wollte ich beinahe den Musaddas fortschleudern, als Zeichen meiner Verachtung für Zauber und Magie! Hätte ich am Fuße des Hügels einen normalen Sumpf oder Morast erblickt – und dies eben mit meinen naturgegebenen Augen –, ich hätte sogleich an die Gefahr gedacht, an Haschims Verschwinden – und gehandelt!

      Fest griff ich den Musaddas, das verwünschte und doch so notwendige Ding, hielt ihn dicht an meine Augenhöhle gedrückt und spähte angestrengt hindurch, wandte den Kopf langsam hin und her und ließ meinen Blick eifrig, aber höchst aufmerksam über den Salzsumpf gleiten, auf der Suche nach einem Anzeichen von Haschim. Die Mangrovenstümpfe prüfte ich besonders – welch schreckliche Ironie, dass ich sie mit Armen und Händen verglichen hatte! Kalter Schmerz stach in meinen Magen – was, wenn ich ein letztes Aufbäumen meines Freundes übersehen hatte, bevor er versunken war?

      Da, endlich, erkannte ich eine Bewegung! War es ein Nebelstreif, ein wehender Dunst zwischen den Mangroven? Ich blickte scharf, bewegte meinen Kopf ein wenig, um die Perspektive zu ändern, und tatsächlich: Da war etwas. Doch schon verschwand

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