Auf der Spur der Sklavenjäger. Alexander Röder
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Читать онлайн книгу Auf der Spur der Sklavenjäger - Alexander Röder страница 23
Da spritzte neben uns das Wasser auf. Wir schraken zurück, in Furcht vor dem Vogelschädel – und sahen stattdessen, wie sich eine langgestreckte Natter durch das Wasser schlängelte, das nicht allein von der Bewegung schimmerte, sondern auch vom Wetterleuchten glänzte.
Ich spannte meinen Körper, spreizte die Hände, um das gewiss giftige Tier zu packen, falls es angreifen sollte – da erkannte ich, dass es keine Schlange war, sondern ein Seil. Ein Seil, dessen uns zugewandtes Ende langsam im Wasser versank, während das andere sich im Wurzelverhau verfangen hatte, der den Weiher umgrenzte.
Woher das Seil stammte, ahnten Haschim und ich im gleichen Herzschlag – und wir ließen uns nicht länger von jenem scheußlichen Ort blenden, noch weniger von dem Wetterleuchten und auch nicht von dem grauenhaften Wesen, das wohl noch immer über uns schwebte. Bevor sich die Oberfläche des Wassers beruhigen konnte, sodass man die Spiegelung des Schädels hätte erblicken können, griffen wir gleichzeitig nach dem Ende des Seils, spürten erst einen Widerstand und dann einen Ruck – und waren mit einem Mal dem grauen Weiher entronnen!
Sechstes Kapitel
Düstere Deutungen
Ich spürte Sand und Steinchen zwischen meinen Fingern. Der Untergrund war fest und trocken. Rosiges Morgenlicht kam vom Himmel, der nicht mehr bleigrau erschien, sondern mehr und mehr an Blau gewann.
Neben mir, ebenso wie ich halb liegend, halb auf allen vieren, regte sich Haschim und hustete kurz. Wir beide lösten die Hände von dem Seil und schauten an dessen Linie entlang zu den drei Gestalten, die einige Schritt entfernt standen und uns besorgt betrachteten.
Nein, es waren nur Halef und Sir David, die furchtsam blickten und deren Anspannung sich gerade löste, ebenso wie sie erleichtert die Arme sinken ließen, mit deren Muskeln sie uns aus der Gefahr gezogen hatten. Amscha hingegen hatte eine nüchterne Miene aufgelegt und ging in diesem Augenblick rasch auf uns zu und streckte die Hand aus.
Ich hob meine eigene, um mit matter Geste abzuwinken: Amscha musste mir nicht aufhelfen, ich fühlte mich verwirrt, aber kräftig und setzte bereits einen Fuß nach vorn, um mich zu erheben. Doch Amscha schritt ohnehin an mir vorüber, etwas zur Seite hin und griff nach einem Holzstab, der in die Luft ragte. Ich wandte meinen Blick eilig, für einen Herzschlag fürchtete ich – doch es war nur ein Speer, den Amscha aus dem Sandboden zog.
Nein, nicht aus dem Sand zog sie ihn. Ich richtete mich auf und sah, wie die metallene Spitze aus einem dunklen Federbündel glitt. Ich erkannte den nackten Hals eines großen Geiers und dessen tote Augen und den gebogenen Schnabel, was mich eigentümlich erleichterte. Amscha stieß die Speerspitze in den Sand und bewegte den Schaft, um die Klinge vom Blut zu reinigen. Dass der Dscherid durch diese Prozedur auch wieder seine Schärfe erlangte, war der eigentliche Zweck, nicht etwa, die Spuren des erfolgreichen Wurfs zu tilgen. Ich fragte mich, warum Amscha den Aasvogel erlegt hatte. Doch alle anderen hatten wohl noch viel weitergehende Fragen.
Haschim stand nun neben mir und schüttelte mit beiläufiger, geradezu eleganter Bewegung den Sand aus seinem Gewand. Seine Kleidung wie auch die meine waren gänzlich trocken. Nichts deutete darauf hin, dass wir uns in einem Sumpf befunden hatten. Was war geschehen?
Halef sprach als Erster. „Sihdi, geht es dir gut? Und auch Haschim …“ Halefs Augen waren von Furcht und Zweifel verschleiert.
„Gewiss“, antwortete ich, mit einem Seitenblick zu Haschim.
„Well“, räusperte sich Sir David, der interessiert Amschas Hantieren mit dem Dscherid verfolgt hatte. „Glücklicherweise ist ein quick-sand, jener tückisch treibende Sand, nicht gar so tückisch, wenn helfende Hände rechtzeitig zur Stelle sind.“ Er deutete auf Amscha und dann auch auf Halef. „Wären diese beiden frommen Muslime nicht schon beim Morgengebet gewesen, während ich mir noch etwas snooze-Schlummer erlaubte, hätten wir nach Eurem Ruf, Kara Ben Nemsi, nicht so rasch reagieren können.“ Er nickte nachdrücklich und holte dann das Seil ein, welches er akkurat in Schlaufen legte, während Amscha mit dem Speer auf der Schulter herankam. Sie schaute mich mit schmalen Augen an.
„Dass du in den Treibsand getreten bist, mag ich kaum glauben“, sagte sie kühl. „Einem Spurenleser wie dir hätte das eigentlich nicht widerfahren dürfen.“
Halef schnaufte. „Es war doch noch dunkel!“, rief er; und dass er mir zur Verteidigung beisprang, war mir ebenso peinsam wie Amschas Anklage. Ich schalt mich ja selbst, und konnte doch – zur weiteren Erläuterung meines Fehltritts, so man ihn als solchen bezeichnen wollte – kaum den magischen Blick mittels des Musaddas angeben. Meine Gefährten, außer Amscha, wussten nun davon, doch änderte dies kaum etwas daran, dass ich unbedacht gehandelt hatte.
Haschim hatte kurz den Untergrund hinter uns betrachtet. Auch ich hatte bemerkt, dass hier tatsächlich der Boden so beschaffen war, dass er wie Treibsand wirken mochte.
„Die Verfehlung liegt bei mir“, verkündete Haschim. „Ich suchte diese Stelle unbedacht aus, für meine eigene Morgenhandlung. Ich bin kein so kluger Spurenleser wie Kara Ben Nemsi.“ Er senkte den Kopf gegenüber Amscha. „Und er kam durch glücklichen Zufall zu Hilfe, bevor ich zu rufen vermochte. Auch wenn ich ihn noch nicht so lange kenne, wie ihr anderen ihn kennt, so scheine ich doch eine innere Verbindung mit ihm zu haben.“
Amscha schaute streng. „Ja, ihr beiden ähnelt euch wohl in manchen Dingen.“ Sie setzte den Speerschaft auf einen Stein zu ihren Füßen, sodass der Dscherid vor ihr stand und ihre Gestalt scheinbar in zwei Seiten teilte. „Aber wenn ihr gleichermaßen ungeschickt handelt, dass ich – dass wir euch retten müssen, dann ist dies nicht hilfreich für unsere Aufgabe. Und noch weniger hilfreich für Halef.“ Dann klopfte sie mit dem Speerschaft auf den Stein, hob den Dscherid wie in einem Salut ein wenig empor und ging dann den Hang hinauf. „Es ist Zeit, dass wir aufbrechen“, sagte sie, ohne zurückzublicken.
Sir David schaute mich betroffen an. „Das Blut wird sich wohl nie abkühlen, wenn wir die Tage mit solchem Aufruhr beginnen. Ich werde Lady Amscha erinnern, dass wir vor der Reise speisen sollten. Vielleicht tut auch eine cup-of-tea ihr wohl – so wie mir.“
Dann nickte er, wohl mehr zu sich selbst, und folgte Amscha.
Halef biss sich auf die Unterlippe. „Ach, Sihdi …“
„Es tut mir leid, Halef. Ich hoffe, Amscha wird so gerecht sein, dass sie kommende Erfolge, die wir erreichen mögen, dir ebenso anrechnet.“
„Wer weiß, Sihdi“, sagte Halef mit einem Blick gen Himmel. Aber dann schaute er mich ernst an. „Ich will dich nicht schelten und meine Schmach zu der deinen machen – aber nun sage mir einmal den Grund, warum du in diesen verwünschten Rimal Muttarikah, diesen treibenden Sand, geraten bist!“ Er schnaufte und hob die Hand. „Edler Haschim“, begann er, „haltet mich nicht für ungerecht oder feige gegenüber Eurer Person. Aber wie meine Hamat Amscha sagte, so trifft die größere Schuld für diese Sache doch meinen Sihdi! Der sollte doch wissen, was er tut!“
Ich schwieg für einen Herzschlag betreten. Halef hatte zum ersten Mal für Amscha nicht die Bezeichnung Mutter gewählt, sondern eben jenes Wort, das für so manchen Ehemann und Gatten ein Schreckensbegriff ist, ganz im Gegensatz zum gleichgebildeten Begriff des Schwiegervaters.
Als ich dann antworten wollte, ergriff stattdessen Haschim das Wort. „Meine Bitte an dich mag ungewöhnlich sein, Halef. Aber