Auf der Spur der Sklavenjäger. Alexander Röder
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Читать онлайн книгу Auf der Spur der Sklavenjäger - Alexander Röder страница 24
Haschim deutete über die Schulter, dorthin, wo sich die Sonne über den Horizont erhoben hatte, und dann wieder nach vorn zum Hang des Hügels. „Ihr habt in die Richtung des Sonnenaufgangs geschaut?“
„Ja, es war just der Augenblick, als das erste Licht aufschien. Es blendete ein wenig.“
„Es blendete sogar sehr, nicht wahr?“
Halef reckte sich. „Aber ihr beide wart gut genug zu sehen. Ich habe das Ende des Seils genau geworfen. So, wie der Sihdi es mir oft geschildert hat, wie er mit seinem al-lassu im Wilad Wasit Steppentiere und Bösewichte gefangen hat! Nur ohne die Schlinge daran, den Knoten kann ich nicht.“ Er zappelte ein wenig.
„Alles ist gut, Halef“, meinte ich und begriff, auf was Haschim hinauswollte. „Halef, es ist so, dass wir beide nicht wirklich im Treibsand steckten. Wir waren – an einem anderen Ort.“
Haschim gab ein kurzes Brummen von sich. „Nun, das ist nicht ganz zutreffend, Kara Ben Nemsi.“
Halef nickte. „Eben. Ich habe euch gesehen, trotz Sonnenblendung!“
Ich seufzte und deutete auf den Musaddas, der mir nun vor der Brust hing, da sich die Lederschnur während unserer Befreiung gelockert hatte.
Halef hob die Brauen. „Ach so! Ihr habt im Sand gesteckt, aber für euch hat es anders ausgesehen!“
Haschim öffnete die Hand in gebender Geste. „Richtig. Und zudem steckten nur unsere Körper im Sand, unser Geist war an jenem anderen Ort.“
„Wie sah der aus?“, fragte Halef, gleichsam neugierig und besorgt.
„Wie der Schott Dscherid“, erklärte ich, „der große Salzsee in Tunesien, den wir beide so gut kennen. Oder eben Erinnerungen daran haben, weil dort unser erstes großes Abenteuer begann, als wir den ermordeten Paul Galingré fanden, was uns schließlich auf die Spur des Schut führte. Zum ersten Mal immerhin.“
Ich seufzte, sah Halefs bitteres Nicken und sprach dann weiter. „Doch jener andere Ort war kein Salzsee, sondern ein Salzsumpf, mit mehr Wasserflächen und toten, dürren Bäumen darin. Es gab Nebel und grauen Himmel, Halef, es war wie in einem finsteren Traum.“
„Dann war es ein Traum, in dem ihr gesteckt habt, und nicht nur im Sand? Aber wer hat euch den Traum geschickt?“
Haschim nickte. „Das hast du gut erkannt, Halef. Dein Sihdi und ich sind nicht schlaftrunken oder im Morgendunkel unbedacht in den tatsächlichen Treibsand geschritten. Es war eine Falle! Aufgestellt für mich.“
„Jemand hat den Treibsand gemacht?“, fragte Halef zweifelnd. „So eine Verschwendung von Wasser!“
„Nein, Halef“, lächelte Haschim, „wenngleich ich mir vorstellen kann, dass manche eine solche Sandfalle aufstellen könnten. Diese hier war nicht mit Wasser gemacht, sondern mit Zauber gewirkt.“ Er atmete tief und schaute Halef an. „Es ist wohl so, dass nicht nur du, Halef, in Dauha unbedacht gehandelt und damit üble Dinge ausgelöst hast. Auch ich habe ungewollte Aufmerksamkeit auf mich gezogen, als ich meinerseits meine Kunst und Kraft angewendet habe, um das eine oder andere …“
Ich musste Haschim unterbrechen, da ich begriff, wie er wiederum meine eigene Schuld auf sich nahm. Dass Haschim in Dauha einen Zauber wirken oder zumindest handeln musste, wie es nur ein Magier verstand, und sich deshalb zu erkennen gegeben hatte, war ihm aufgezwungen worden. Ich hatte unwissend mit harmlos wirkenden Gegenständen hantiert, die ich bei dem von uns gefangenen Mann gefunden hatte, welcher bei den Sklavenhändlern dafür gesorgt hatte, dass die bedauernswerten Frauen wehrlos waren und an der Flucht gehindert wurden, durch einen Bann, welcher ihre Seelen an jene des Hexers kettete. Ich hatte die Münzen und Holzstäbchen und dergleichen beim Durchsuchen nach am Körper versteckten Waffen gefunden – und nichts verspürt, was mich gewarnt hätte. Schließlich war mir seit meinem Duell mit Al-Kadir jene Gabe verliehen, Magie und Zauber zu spüren – jedoch wohl nicht stets oder bei allen Dingen, wie ich bei dieser Gelegenheit von Haschim hatte erfahren müssen. Mein Ungeschick war dem Hexer fast zum Verhängnis geworden, Haschim hatte diesen retten und die Gegenstände unschädlich machen müssen. Die Spuren dieses knappen Rituals oder die Nachwirkungen des Geschehens, das ich ausgelöst hatte, mussten wohl andere Magiekundige erkannt haben, die mit den Sklavenhändlern zusammenarbeiteten.
„Haschim, es war mein Fehler, die Gegenstände des Hexers …“
„Doch ich habe dich nicht zuvor gewarnt. Und ich habe später mein Wissen genutzt, um die Schurken zu strafen, anstatt …“
„Es war gerecht, Abu Kurbatsch durch den Seelendurst des Hexers einige Lebensjahrzehnte zu nehmen, anstatt ihn zu töten. Denn einen Kerker hätte er wohl nie von innen gesehen, wenn wir ihn den korrupten Behörden ausgeliefert hätten.“
„Doch nur ein Magier wie ich konnte diesen Plan erdenken. Das haben die Gefährten Abu Kurbatschs erkannt und er selbst nicht minder. Sie wussten also am Ende von Halefs Namen und von meinem Wesen.“
Halef schnaufte. „Ich empfand es nur als gerecht, dass der Hexer sich an der Lebenskraft von Abu Kurbatsch zu Tode gesoffen hat!“ Er blickte Haschim an. „Wir teilen unser Schicksal und die Bürde, die wir auf uns geladen haben. Und ich werde euch immer retten, wenn es mir möglich ist!“
„Dank dir, Halef“, lächelte Haschim. „Aber ich fürchte, bei der nächsten Falle ist es mit einem Seil nicht getan.“ Er stutzte. „Es hat bereits diesmal auch einen Speer gebraucht.“
Haschim wandte sich um und musterte den Leichnam des Geiers. Dessen Federn waren dunkelbraun, wirkten beinahe schwarz, und man konnte den nackten Hals sehen, der bläulich und rosig schimmerte, darüber den hellen Flaum des Kopfes. Es mochte ein Mönchsgeier sein, der auch in diesen Breiten heimisch war. Um den geöffneten Schnabel, aus dem die schlaffe Zunge ragte, sah ich Blut, das aus dem Rachen gequollen war, hervorgerufen durch Amschas Speertreffer.
„Was ist da geschehen?“, fragte Haschim an Halef gewandt.
„Als wir euch zu Hilfe kamen, euch beide dort im Sand sahen, war der elende Racham bereits über euch. Er kreiste nicht, er flatterte auf der Stelle, als wolle er sich gerade auf euch stürzen, als wäret ihr schon …“ Halef schluckte und schaute bedrückt. „Ihr hattet euch ja nicht bewegt.“ Dann nickte er. „Aber dann dachte ich, dass ihr euch nicht rührt, damit ihr nicht tiefer in den Sand sinkt.“
„Der Geier flatterte über uns? Das ist ungewöhnlich“, merkte ich an. Gemeinhin verband man solches mit einem Greifvogel, der rüttelnd, wie man es nennt, in der Luft schwebt, um nach Beute zu spähen. Dass der Geier sich nicht durch die drei Menschen gestört fühlte, die herangekommen waren, schien mir seltsam.
„Das Tier war nur ein Stellvertreter in der wahren Welt“, befand Haschim, „herbeigerufen, um einen Lebensfunken dort zu haben, wo wir jenes Gebilde sahen, das zu uns sprach …“
Haschims Stimme klang mit einem Mal so brüchig, dass ich erschrak. Und auch Halef, der bereits den Mund geöffnet hatte, wohl um erstaunt nachzufragen, sog stattdessen nur knapp die Luft ein und schwieg.
Mit einer kurzen Geste fing Haschim sich wieder. „Es ist so, dass auch magische Visionen keineswegs aus dem Nichts geschaffen werden können, noch weniger ein Übergang zu einem anderen Ort. Es braucht für die Magie einen Anker, eine Verwurzelung in dieser Welt.“
Ich begriff, soweit mir dies gegeben war.