Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart. v.-Hinckeldey-Stiftung

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Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart - v.-Hinckeldey-Stiftung

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wurde, wo auch sein damaliger Vertreter, Dr. Spengler, Karriere machen sollte. In der ersten Zeit nach dem Krieg wurden bereits fünfzig Mordfälle pro Monat bearbeitet.

      Nach der Gründung der Kripozentrale wurden nach und nach die einzelnen Kriminalinspektionen in den Bezirken wieder eingerichtet. Die Rekrutierung der Mitarbeiter der Kripo – Beamte gab es damals nicht – erfolgte auf ähnliche Weise wie bei der Zentrale. Allerdings meldeten sich vermehrt ehemalige Kripobeamte, die aus der Gefangenschaft zurückgekommen waren. Sofern sie nicht »belastet« waren, konnten sie zu ihren alten Dienststellen zurückkehren.

      Ganz allmählich konnte die Kripo wieder normal arbeiten, soweit das in einer Stadt möglich war, die in Sektoren eingeteilt war und in der vier Besatzungsmächte das Sagen hatten. Die Kontroversen zwischen der Sowjetunion und den Westalliierten führten 1948 zur Teilung der Stadt.

      Im Juli 1948 kam es zur endgültigen Spaltung der Berliner Polizei. Am 26. Juli suspendierte Bürgermeister Dr. Friedensburg den Polizeipräsidenten Markgraf und forderte dessen Stellvertreter, Dr. Johannes Stumm, auf, die Amtsgeschäfte kommissarisch zu übernehmen. Markgraf wurde weiterhin von sowjetischer Seite getragen, und Stumm begann seine Tätigkeit in Westberlin, in einer Polizeikaserne in der Friesenstraße (Kreuzberg). Am 29. Juli rief Stumm im Rundfunksender RIAS alle verfassungstreuen Polizeibeamten dazu auf, ihren bisherigen Dienst in der neuen Verwaltung fortzusetzen. Sie sollten sich in der Friesenstraße registrieren lassen. Die Stadt hatte nun zwei Polizeipräsidenten (Markgraf und Stumm) und zwei Polizeipräsidien (in Ost- und in West-Berlin).

      Rund siebzig Prozent der Polizeibeamten – sowohl von der Kripo als auch der Schupo – folgten dem Aufruf von Dr. Stumm, sich im neuen Präsidium zu melden. Daran erinnert sich Landeskriminaldirektor a. D. Hans Kaleth, der am 1. Dezember 1947 als Anwärter in die Kriminalpolizei eingetreten war. Schon vor der endgültigen Teilung der Stadt zeichnete sich dies im polizeilichen Bereich ab. Um zu verhindern, daß amtliches Material über Straftäter in das neue Präsidium im Westteil der Stadt gebracht werden konnte, wurden alle Angestellten bei Dienstschluß einer Leibesvisitation unterzogen, bevor sie die Kripozentrale verlassen konnten. Hans Kaleth fand das empörend und beschwerte sich bei seinem Kommissariatsleiter, über den es aus früheren Zeiten eine Akte wegen Bettelei gab, wie jeder Kollege wußte.

      Der Vorgesetzte schickte ihn zu einem kommunistischen Kripovorgesetzten, der ihm bedeutete, er könne seinen Hut nehmen, wenn ihm etwas nicht passe. Kaleths Hinweis, daß am Tage jedermann unkontrolliert das Gebäude verlassen könne und daß die abendliche Leibesvisitation nicht nur unsinnig sei, sondern auch einen schlechten Eindruck auf die Bevölkerung mache, wischte der Kommunist vom Tisch. Anschließend verlangte er Kaleths Polizeiausweis. Dieser behauptete, den Ausweis nicht bei sich zu haben, worauf er kurz danach zu Hause »Besuch« von zwei Kollegen erhielt, die den Ausweis einforderten. Da gerade eine Nachbarin die Treppe hochkam, rief er dieser zu, sie solle die französische Gendarmerie verständigen, er sei in Schwierigkeiten. Daraufhin verschwanden die beiden Kripoleute – ohne Kaleths Ausweis.

      Auf Anraten von Kollegen meldete sich Kaleth krank. Er ließ sich in eine Liste für Dienstwillige im Westsektor eintragen und arbeitete später bei der Kripo im Westteil. Ein paar Tage nach dem Zwischenfall bekam Hans Kaleth die Mitteilung aus Ostberlin, er sei entlassen worden:

      Nach den mir vorliegenden Unterlagen haben Sie hier Ihren Dienst nicht wieder aufgenommen. Das ist eines Polizeiangehörigen unwürdig. Ich entlasse Sie daher nach Paragraph 626 BGB. Begeben Sie sich zum nächsten Arbeitsamt, lassen Sie Ihr Arbeitsbuch umschreiben, den Begriff Kriminalbeamter entfernen und Ihre vorherige Berufsbezeichnung eintragen.

      Gezeichnet Markgraf.

      Erste Erfahrungen in der Verbrechensbekämpfung

       von Horst Schramm

      Ich wurde 1920 geboren und somit 1939, kurz nach Ausbruch des Krieges, zur Wehrmacht einberufen. Als Flak-Artillerist kämpfte ich an der Ostfront. Am 27. Juli 1945 kehrte ich nach Berlin zurück und zog zu meiner Mutter in den Bezirk Tiergarten.

      Doch die elterliche Wohnung war durch Bomben zerstört und stand uns nur vorübergehend zur Verfügung.

      Unmittelbar nach meiner Ankunft in Berlin meldete ich mich auf dem zuständigen Polizeirevier 29/30 in der Lützowstraße 93 an. Der Angestellte fragte mich, ob ich Mitglied der NSDAP gewesen sei, und als ich dies verneinte, schlug er mir vor, mich bei der Polizei zu bewerben. Dort würden Männer benötigt, die nicht belastet seien.

      Ich bedankte mich für den Rat und erfuhr dann noch: »Polizeiangehörige bekommen die Lebensmittelkarte I.«

      Am 3. August 1945 ging ich zur Kriminalinspektion Tiergarten, die sich damals in der Wilsnacker Straße (Moabit) befand, und gab ein Bewerbungsschreiben ab. Ich ging davon aus, daß ich erst nach einiger Zeit eine Antwort erhalten und eventuell zu einem Eignungsgespräch eingeladen würde. Weit gefehlt: Nachdem ich die Frage nach einer Parteizugehörigkeit zur NSDAP nochmals verneint hatte, bat man mich zu warten.

      Nach wenigen Minuten wurde ich erneut hereingebeten und dem Leiter der Kriminalinspektion Tiergarten, Herrn Thieme, vorgestellt. Es folgte ein kurzes, höchstens zehnminütiges Gespräch über mein bisheriges Leben und meine Zukunftsvorstellungen, und dann teilte man mir mit, daß man mich für geeignet hielt. Nach diesem Gespräch erhielt ich einen vorläufigen Dienstausweis und wurde angewiesen, mich sofort im Revierkriminalbüro (RKB) 31 in der Derfflingerstraße zu melden.

      Zu meiner Überraschung war ich innerhalb weniger Minuten »Kriminalangestellter beim Polizeipräsidium Berlin« geworden.

      Ich meldete mich beim Leiter meiner Dienststelle, Herrn Schlick. Mein erster Auftrag bestand im Transport eines Gefangenen nach Tiergarten. Der Gefangene war mein Amtsvorgänger, der wegen Nötigung einer Gefangenen vorläufig festgenommen war. Nun durfte ich den Weg durch den Tiergarten zur Wilsnacker Straße an diesem Tag ein zweites Mal beschreiten. Straßenbahnverbindung nach Moabit gab es damals noch nicht, und Dienstfahrzeuge waren weitgehend unbekannt.

      Die Grundausbildung erhielt ich durch den Leiter des Revierkriminalbüros. Er war während des Krieges zur Kriminalpolizei dienstverpflichtet worden und hatte das Metier von der Pike auf gelernt. Was die vielen rechtlichen Bestimmungen anging, die für die Berufsarbeit von Bedeutung sind, waren wir alle sehr unerfahren. Hier fand sich in einem Staatsanwalt ein Helfer, der den interessierten Kollegen der Kriminalinspektion Tiergarten Unterricht erteilte.

      Mein berufliches Wissen rundete sich ab, als ich vom 1. Februar 1947 bis zum 29. März 1947 den fünften Kriminalanwärterlehrgang in Berlin-Spandau besuchte. Wegen meiner guten Lehrgangsleistungen wurde ich am 3. Juni 1947 zur Polizeischule Berlin-Spandau versetzt und habe dort bis zum 30. April 1951 als Lehrer gearbeitet.

      In diesen vier Jahren kamen fast alle Kollegen der Kriminalpolizei, soweit sie in den Westsektoren tätig waren, zu mir in die Ausbildung. In dieser Zeit mußten alle, Neuangestellte wie Übernommene, einen Lehrgang besuchen. Neben den Grundlehrgängen führte die Polizeischule für Funktionsträger der Kriminalpolizei besondere Lehrgänge durch.

      In den ersten Jahren nach dem Krieg bis zur Währungsreform waren Lebens- und Genußmittel sowie alle anderen Gebrauchsgüter rationiert (Zwangsbewirtschaftung). Es liegt auf der Hand, daß sich in einer Zeit der Verknappung des legalen Handels ein schwarzer Markt bildet. Berlin war dafür besonders prädestiniert, da hier vier Besatzungsmächte vorhanden waren, deren Soldaten in unterschiedlicher Weise über Nahrungs- und Genußmittel verfügten. Die Amerikaner zum Beispiel hatten alle begehrten Güter im Überfluß. Diese Nahrungs- und Genußmittel gelangten auf verschlungenen Wegen auf den schwarzen Markt, für den sich die Polizei interessieren mußte, weil der unerlaubte Handel mit zwangswirtschaftlichen Gütern ein Vergehen nach der damals

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