Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart. v.-Hinckeldey-Stiftung
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Hierzu nahm der Kommandeur der Schutzpolizei, Hans Kanig, in einer Dienstbesprechung Stellung:
In einer Demokratie geht die Macht vom Volke aus. Die Polizei als Schützerin des Volkes und seiner demokratischen Institutionen hat nicht das Recht, gegen die gefaßten Beschlüsse der höchsten demokratischen Instanz, der Volksvertretung, auf diese Weise Stellung zu nehmen, wenn nicht der Sinn einer Polizei in einer Demokratie überhaupt verloren gehen soll. Durch derartige Resolutionen der Polizeiangehörigen wird das Vertrauen der Bevölkerung zu ihrer Polizei, statt gefestigt, nur erschüttert und zudem noch der Anschein erweckt, als wäre die Polizei einseitig ausgerichtet. Die Polizei soll Schützerin der Demokratie sein. Es kann und darf daher nicht Aufgabe der Polizei sein, sich durch Annahme von Resolutionen in die Politik des Stadtparlaments einzumischen.
Den Kommunisten paßten diese klaren Ausführungen des Kommandeurs Hans Kanig natürlich nicht, und so richteten sich ihre Angriffe in verstärktem Maße gegen ihn.
Wenn auch rund 84 Prozent der im Dienst stehenden Schutzpolizeiangehörigen erst nach dem Zusammenbruch bei der Polizei eingetreten waren und nur circa 1500 bereits vor dem 8. Mai 1945 der Polizei angehört hatten, stellten der UdSSR nahestehende Kreise gern heraus, daß im sowjetischen Sektor Berlins nur sieben Prozent der Schutzpolizisten schon während der Zeit von 1933 bis 1945 in der Polizei Verwendung fanden, während es im amerikanischen Sektor 17 Prozent, im britischen Sektor 25 Prozent und im französischen Sektor neun Prozent seien.
Persönliche Erinnerungen an die ersten Jahre
Über die Anfänge der Kriminalpolizei
von Hans Kaleth und
Georg Schießer, aufgezeichnet von
Eberhard Bergmann
Der Aufbau der Berliner Kriminalpolizei nach dem Zweiten Weltkrieg verlief so ungewöhnlich wie die Einstellung des damals 25jährigen Berliners Georg Schießer, der es später bis zum Ersten Hauptkommissar brachte, Leiter der Inspektion Brand und Katastrophe und danach lange Jahre Inspektionsleiter des Sittendezernats war.
Am 27. Mai 1945, einem Sonntag, trat Georg Schießer seinen Dienst in der Dircksenstraße am Alexanderplatz an. In der noch halbwegs erhaltenen Eingangshalle des alten Hausvogteigefängnisses, das während des Krieges bereits als Kripozentrale gedient hatte, versammelte sich eine Reihe von Männern, die schon am nächsten Tag die Kriminalität im zerstörten Berlin bekämpfen sollten. Bereits wenige Wochen nach Kriegsende waren vielfältige Delikte zu beklagen: vom eher harmlosen Schwarzmarktgeschäft bis hin zu Einbrüchen, Raubüberfällen und Morden. Die Versammelten wurden namentlich aufgerufen und einzelnen Fachdezernaten zugeteilt – Fahndung (F), Mord (M), Betrugsdezernat (B) und Einbruchsdezernat (E) –, die alle einen bestimmten Raum zugewiesen bekamen.
Im erhaltenen Polizeigefängnis des riesigen Präsidiumskomplexes residierte die Dienststelle »Kriminalkommissar vom Dienst« (KKVD) und der Vernehmungsrichter. Dieser hatte sogar eine Art Schnellgericht in seinen Amtsräumen eingerichtet-als Außenstelle des Kriminalgerichts Moabit. Der forsche Herr entpuppte sich später als Berufsverbrecher und mußte natürlich den Dienst quittieren.
Sehr bald stellte sich heraus, weshalb man die neu aufgestellte Truppe an einem Sonntag einbestellt hatte. Die frischgebackenen Kripoleute mußten nämlich erst einmal Hand anlegen und in den Büros Ordnung schaffen, zum Beispiel Schränke aufstellen, Unrat beseitigen und Stühle zusammensuchen.
Zur Kriminalpolizei war Georg Schießer durch einen Zufall gekommen. Er hatte seine Braut zu einer Polizeidienststelle begleitet, auf der sie früher gearbeitet hatte. Sie wollte dort nach Kollegen sehen und mitteilen, daß sie noch am Leben sei. Während Georg Schießer auf dem Flur wartete, fiel ihm auf, daß mehrere Männer in zwei verschiedenen Schlangen anstanden. Er erkundigte sich und erfuhr, daß es sich um Bewerber für die neu zu schaffende Kripo handele. Die eine Schlange bestand aus ehemaligen Beamten, die andere aus Bewerbern »ohne Vorkenntnisse«. Da der 25jährige noch keine neue Arbeit hatte, reihte er sich bei den »Unbedarften« ein – so wie er gekommen war, ohne Schlips und Kragen im Freizeitanzug.
Als er an der Reihe war, fragte ihn der Mann hinter dem Schreibtisch: »Waren Sie in der Partei oder SS?« Als Georg Schießer glaubwürdig verneinte, schüttelte ihm der andere die Hand und erklärte, er sei angenommen. Das hatte sich eine Woche vor seinem Dienstantritt in der Dircksenstraße zugetragen.
Um die Ausrüstung der neuen Kripo war es jämmerlich bestellt. Außer einem Ausweis, der zum Betreten der Straße nach der Sperrstunde berechtigte, hatten die neuen Polizisten nichts. Keine Kripomarke, keinen richtigen Polizeiausweis, keine Pistole, keine Handschellen. Etwas später gab es Pistolen, jeweils ein paar für jede Dienststelle. Die Waffen mußte man beantragen, wenn ein gefährlicher Einsatz bevorstand, und nach Beendigung des Auftrages sofort wieder abliefern.
Die Arbeitsbedingungen im Büro waren katastrophal. Es gab kein Papier und keine Vordrucke. Anzeigen wurden oft auf den Rückseiten alter Fahndungsplakate aufgenommen. Erst sehr viel später besorgte der damalige Präsident der Zentralverwaltung für die Brennstoffindustrie in der Sowjetzone und spätere stellvertretende Oberbürgermeister von Berlin, Ferdinand Friedensburg, zwanzig Schreibmaschinen für die Kripo, die er irgendwo beim Magistrat ergattert hatte.
Mit 180 Reichsmark netto im Monat konnte sich ein Kriminalanwärter damals gerade mal eine Packung Zigaretten kaufen. Deshalb wurden die Kripoleute oft angepflaumt: »Für ’ne Packung Zigaretten geht ihr den ganzen Monat arbeiten? Schön doof!«
Zu den ersten Aufgaben von Georg Schießer gehörte es, bei Razzien gehortete oder sogar gestohlene Lebensmittel aufzuspüren. Dabei wurden ganze Straßenzüge von der Schutzpolizei abgesperrt, und die Kripo mußte Wohnung für Wohnung durchsuchen. »Dabei waren wir aber großzügig«, erinnert sich Georg Schießer, »wir nahmen nur größere Mengen mit und erstatteten bloß dann Anzeige.«
Immer wieder kam es vor, daß ältere Kollegen von Schießer in diesen ersten Wochen plötzlich abgeholt wurden, zumeist von Russen. Sie standen unter dem Verdacht, entweder einer nationalsozialistischen Organisation angehört zu haben oder an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Das Sagen auf den Dienststellen hatte stets jemand, der Kommunist oder Häftling in einem Konzentrationslager gewesen war. Allerdings hatte auch jede Dienststelle noch einen ordentlichen Inspektionsleiter, der jedoch in personellen Fragen nicht allein entscheiden konnte.
Schlimm wurde der erste Winter. Die Büros waren mit alten eisernen Öfen ausgerüstet. Brennmaterial gab es nicht. Um nicht auf der Dienststelle zu erfrieren, mußten sich die Kripoleute selbst helfen. Und so machten sie sich auf den Weg ins angrenzende frühere Polizeipräsidium, hingen Türen aus, bauten die Rahmen ab, entfernten die Fensterkreuze und schleppten sie zu ihren Dienststellen. Dort wurden die Sachen zersägt und verfeuert.
Georg Schießer erinnert sich noch gut an die Probleme, die auftauchten, als die westlichen Alliierten ihre Sektoren übernahmen. Sie hingen damit zusammen, daß die Kripozentrale im Ostsektor lag. Das Untersuchungsgefängnis Moabit und die Vernehmungsrichter befanden sich hingegen im britischen Sektor, und es gab jedesmal Schwierigkeiten, Häftlinge und Festgenommene dorthin zu bringen. Die Genehmigung für derartige Transporte mußte stets von den Sowjets erteilt werden.
Auch ein Leichenschauhaus gab es in den frühen Tagen der Kripo bereits wieder. Es befand sich in der Hannoverschen Straße