Die Beichte - Roland Benito-Krimi 4. Inger Gammelgaard Madsen
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»Nein, Olivia und Giuseppe.«
7
Die Enten schnatterten frühjahrsübermütig im See. Im Winter war er komplett zugefroren gewesen, sodass sie sich im Entenhaus zusammengedrängt hatten, um sich gegenseitig warm zu halten. Es sah aus wie ein kleiner Holzpavillon, mit Pastellfarbe bemalt, die durch den Frost Risse bekommen hatte. Sie hatten das Häuschen für die Enten aus Holz gebaut, das sie vom ortsansässigen Schreiner geschenkt bekommen hatten.
Der Klostergarten hatte sich in den letzten Monaten gewaltig verändert, war kahl und tot gewesen. Nun hatten sich endlich wieder kleine, zarte Blätter entfaltet, und zusammen mit der Sonne verliehen sie der Umgebung einen weichen, hellgrünen Schimmer. Zuvor, in einem Winter, der ewig zu dauern schien, hatte das Ganze so hoffnungslos ausgesehen. Auch die Vögel wurden vom erwachenden neuen Leben beeinflusst und sangen laut oben in den Baumkronen.
Sie hatte die Gewohnheit, sich nach den Laudes einen ruhigen Ort zu suchen, an dem sie den Bibeltext des jeweiligen Tages durchgehen und sich dabei in eine meditationsähnliche Stimmung versetzen konnte. Sie hatte gerade noch genug Zeit, bevor sie sich im Refektorium zum Frühstück einstellen musste. Jetzt, da der Frühling Einzug hielt, war hierfür der Garten ihre bevorzugte Stelle. Hier, vor dem großen geschnitzten Holzkreuz. Der Gärtner hatte bereits wieder damit zu kämpfen, es von Schlingpflanzen und Unkraut freizuhalten.
Sie hatte nicht lange gesessen, als der Frieden gestört wurde. Jemand folgte ihr wie ein Schatten. Die junge Frau war längst hinter ihre Gewohnheit gekommen, vor dem Holzkreuz im Garten zu meditieren. Das Morgenlicht blendete ein bisschen und so kniff sie die Augen zusammen, als sie nun die Postulantin in ihrem schwarzen Rock, dem weißen Hemd und dem kleinen schwarzen Schleier vor sich sah. Diesen Schleier sollte die Postulantin mindestens ein halbes Jahr lang tragen – bis sie herausgefunden hatte, ob sie denn wirklich willens war, ihr Leben Gott zu weihen. Bis dahin war sie noch kein Mitglied des Konvents und konnte es sich anders überlegen und das Kloster verlassen, wann immer sie wollte.
Sie selbst war mit der weißen Tracht der Novizinnen bekleidet, die Unschuld und Reinheit symbolisierte. Sie trug sie schon seit zwei Jahren; davor war auch sie lange Zeit eine Postulantin gewesen. Der Tag ihrer endgültigen Vermählung mit Gott und dem Kloster näherte sich nun. Zugleich wuchsen Unsicherheit und Zweifel – aber war das vor einer Hochzeit nicht immer so? Das sagte jedenfalls Mutter Helene. Alle Jünger Jesu hätten irgendwann einmal gezweifelt, meinte sie, aber der Teufel dürfe nicht gewinnen; er sei es nämlich, der versuche, ihr Zweifel an ihrer Berufung einzuflüstern, doch sie solle ihrem Heiligennamen gerecht werden und stark bleiben. Aber die Postulantin stellte immer so viele Fragen, die zu beantworten ihr schwerfiel und die ihren eigenen Frieden störten. Schwester Laura war ein hübsches junges Mädchen, gerade zwanzig geworden. Zu hübsch, um in ein Kloster eingeschlossen zu werden, hatte sie gedacht, als sie sie das erste Mal gesehen hatte, und sich sogleich für ihren Gedanken geschämt. Gott urteilt nicht nach dem Aussehen, alle sollen ihm dienen, die Schönen wie die Hässlichen. Sie selbst war Mittelmaß, so ihre Einschätzung, wenn sie sich, selten genug, im Spiegel ansah. Doch hätte sie nie einen Mann finden können, so still und zurückgezogen, wie sie war. Das lag bei ihr in der Familie. Schon deshalb war Gott ihre Rettung. Auch er war fern und schwer zu erreichen; nur Gebete, siebenmal am Tag, ewige Treue und ein Leben im Zölibat brachten sie ihm näher. Sie hatte diese Stufe der Nähe noch nicht ganz erreicht, aber sie wusste, das würde kommen, sobald sie ihre endgültigen Gelübde ablegte.
»Störe ich, Schwester Margaretha?«
»Wir müssen gleich frühstücken, deshalb …«
Schwester Laura setzte sich neben sie ins Gras und sah sie mit ihren hellblauen Engelsaugen an. »Bin ich denn wirklich berufen, Schwester? Kannst du mich nicht irgendwie davon überzeugen? Einmal habe ich das fest in mir gespürt, aber jetzt ist es so, als ob es dabei wäre zu … Ich weiß nicht so recht …«
»Du solltest mit unserer Äbtissin reden, du weißt genau, dass sie es ist, die uns unterweist und uns Gottes Wort verkündet.«
»Ich habe mit Mutter Helene gesprochen, aber das hilft nicht. Ich glaube nicht, dass es der Teufel ist, der … Es ist eher … ich vermisse meinen Freund … und meine Familie. Wie kannst du nur auf deine verzichten?«
Schwester Margaretha zupfte vorsichtig einen Grashalm ab und drehte ihn zwischen den Fingern. Ein Marienkäfer saß darauf. Der erste, den sie dieses Jahr sah. Ein wunderbares Frühlingszeichen.
»Du darfst deine Familie ja doch gerne besuchen – aber deinen Freund? Er versucht wohl, dich unter Druck zu setzen? Ihr habt doch wohl nicht …?«
»Nein, nein!« Schwester Laura schüttelte heftig den Kopf. »Er hat es versucht, aber ich habe ihm gesagt, dass ich bis zur Ehe warten will. Davon war er natürlich nicht besonders begeistert. Er will nicht, dass ich ins Kloster gehe. Er sagt, das sei lächerlich. Mutter Helene meint, es wäre am besten, wenn ich ihn nicht sehe – und auch meine Familie nicht.«
Margaretha nickte und schob die Brille an ihren Platz auf dem Nasenrücken hinauf. Sie war selbst im katholischen Glauben erzogen worden, mit dem Auftrag, ihre Unschuld bis zur Ehe zu bewahren oder eben den Zölibat zu wählen; nun rang Schwester Laura mit dem Entschluss, so wie sie selbst es einst getan hatte. »Ist deine Familie auch dagegen, dass du Gott dienen willst?«, fragte sie die Jüngere.
»Ich bin ihr einziges Kind und ich glaube, sie wollen beide gerne mal Großeltern werden.«
»Also gibt es ja einen guten Grund dafür, dass Mutter Helene davon abrät, dass du heimfährst, wenn sie dort versuchen, dich dazu zu überreden, Gott und dem Kloster den Rücken zu kehren.« Margaretha stand auf und bürstete das Gras von der Rückseite ihres Kleides. »Komm, gehen wir frühstücken. Pater Josef kommt heute Nachmittag, daher sollten wir vor dem Mittagsgebet mit der Arbeit fertig sein.«
Sie gingen über einen der vielen Kieswege im Garten zurück. Das Kloster lag im Schein der Sonne, um die sich der Morgendunst wie ein goldener Heiligenschein gelegt hatte. Die verwitterten orangebraunen Steinmauern und der Turm mit dem giftgrünen kegelförmigen Dach sahen aus, als verbärgen sie eine Menge Geheimnisse, die niemals verraten werden würden. Der Turm und der Ostflügel stammten aus dem 12. Jahrhundert. Dieser Teil des Klosters war abgeschlossen, weil es zu teuer war, ihn zu beheizen, wenn sie ihn ohnehin nicht benutzten, außerdem war er baufällig geworden, und es fehlt das Geld, um ihn zu renovieren. Auch die Kirche stammte aus dem 12. Jahrhundert, war zusammen mit dem Ostflügel erbaut worden; dahinter lag eine kleine Kapelle. Der Rest des Gebäudes mit den Zimmern der Schwestern oben und dem Refektorium im Erdgeschoss war im 16. Jahrhundert erbaut, aber seither mehrmals renoviert worden. Dahinter lag der Küchengarten, für den Margaretha die Verantwortung trug. Mit dem Frühling und der Wärme kam auch das Unkraut. Der Einsatz von Dünger oder Spritzmittel war nicht erlaubt. Die Hühner und die Kaninchen bekamen auch nur natürliches Futter, damit sie selbst reines und unverdorbenes Fleisch essen konnten, wie Mutter Helene es ausdrückte.
Schwester Laura stolperte hinter ihr her. Sie war es gewohnt, moderne Jeans zu tragen, nicht lange Röcke. Es gab eine Menge, woran sie sich würde gewöhnen müssen. Margaretha war sich nicht so sicher, ob das Mädchen wirklich zum Dienste des Herrn berufen worden war.
»Du vermisst deine Familie also nicht?«
»Es ist sehr lange her, dass wir das letzte Mal Kontakt hatten. Aber ich vermisse niemanden. Ich habe genug in Gott. Seine Liebe ist größer als die, die meine Familie mir damals gegeben hat.« Die Worte taten trotzdem weh, als sie ausgesprochen wurden. Es war kein einziger Brief mehr von zu Hause gekommen, seit ihre Mutter sie förmlich angefleht hatte, wieder heimzukommen, und sie daraufhin Mutter Helene gebeten hatte, an