Die Beichte - Roland Benito-Krimi 4. Inger Gammelgaard Madsen

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Die Beichte - Roland Benito-Krimi 4 - Inger Gammelgaard Madsen Rolando Benito

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hat. Meine Oma und mein Opa haben sie vielmehr aus dem Haus rausgeworfen. Meine Mutter war ein wenig rebellisch, wie meine Tante es ausgedrückt hat.«

      »Ja, das geht ja echt nicht!«

      In Annes Augen lag ein spöttischer Schimmer, und in Kamilla regten sich erneut Zweifel, ob sie weiterreden sollte.

      »Eines Abends ist meine Mutter zusammen mit einem Mann auf dem Boot meines Opas rausgesegelt. Der kleine Bruder meiner Mutter war mit dabei, er war sieben.« Sie merkte, dass sie zu schnell redete, und atmete tief ein. »Meine Mutter war unaufmerksam und passte nicht auf ihren Bruder auf. Der Mann war ihr Geliebter, und während die beiden … zusammen waren, ist der Junge über die Reling gefallen und ertrunken.«

      »Er ist ertrunken, während sie gebum…«

      »Die Nordsee hat ihn verschlungen, er wurde nie gefunden.«

      »Verdammt, Kamilla. Deshalb haben sie sie also rausgeworfen!«

      »Nee, eigentlich nicht. Unfälle durch Ertrinken sind in einem Fischerdorf an der Nordsee normal. Darauf ist man vorbereitet. Aber meine Mutter wurde schwanger, sie war sehr jung, und er war ein ganzes Stück älter …« Ihr fehlten die Worte und sie schaute Anne an. Hoffte, dass sie den Zusammenhang selbst erriet. Und das tat sie auch – fast.

      »Aber sie haben doch geheiratet. Ist dein Vater deiner Mutter gefolgt, als sie abgereist ist?«

      »Ja, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Der, von dem ich immer geglaubt habe, dass er mein Vater ist, war es gar nicht.«

      »Also hast du einen biologischen Vater, den du nun finden willst.«

      Kamilla kannte Annes Gesichtsausdruck, wenn sie eine gute Story witterte. »Ich habe ihn gefunden.«

      »Kamilla, das ist doch fantastisch!« Anne sah sie an und merkte, dass Kamilla nicht zurücklächelte. Der begeisterte Ausdruck verschwand. »Oder nicht? Wer ist es?«

      »Er heißt Mogens Arnskov Aagaard und ist Fischer in Bønnerup Strand. Er ist verheiratet und hat einen Sohn, Mathias, der ungefähr in Rasmus’ Alter ist. Sie sind sich so ähnlich.« Das Lächeln kam spontan, verschwand aber schnell wieder.

      »Du hast ihn – und deinen Halbbruder – also getroffen. Meine Güte! Ich bin also nicht die Einzige, die eine neue Familie gefunden hat. Aber was ist schiefgegangen?«

      »Am Anfang lief es gut, bis mein Vater herausgefunden hat, wer ich bin. Er will mich nicht sehen und es soll nicht herauskommen, dass ich seine Tochter bin. Seine Frau darf das nicht wissen.«

      »Warum nicht? Steht es um ihre Ehe so schlecht, dass eine alte Affäre sie zerstören würde?«

      »Keine Ahnung.«

      Anne kraulte die Katze hinter den Ohren. Auf ihrer Stirn erschien eine Falte – wie immer, wenn sie über ein Problem nachdachte und nach Lösungen suchte.

      »Irgendwas muss damals passiert sein. Etwas, von dem er nicht will, dass es herauskommt«, sagte sie schließlich.

      »Was meinst du damit, Anne?«

      »Was sollte es sonst sein? Irgendetwas ist passiert, was er um jeden Preis verbergen will. Du musst rausfinden, was es ist!«

      Kamilla warf das Kissen zur Seite und ging in die Küche, um neuen Kaffee zu kochen. Sie kannte niemanden, der das schwarze Gebräu so in sich hineinschüttete wie Anne. Von hier aus konnte sie das Foto von Rasmus sehen, das im Wohnzimmer im Regal stand. Die Sonne traf das Glas und ließ seine Augen im Licht glänzen, wie sie es bei einem glücklichen zehnjährigen Jungen tun. Es war ein Unfall gewesen. Einfach nur ein tragischer Unfall. Verkehrsunfälle passieren jeden Tag. Danny war schuldlos. So war das. Alle sagten, dass es so war.

      »Ich mein’s ernst, Kamilla.« Anne kam resolut in die Küche getreten und stellte sich hinter sie. Kamilla löffelte Kaffeepulver in den Filter.

      »Es muss etwas wirklich Ernstes sein, wenn er seine eigene Tochter verleugnen will, nur um es zu verbergen. Bist du nicht auch neugierig, was da passiert ist?«

      Kamilla warf den Kaffeelöffel zurück in die Dose, schaltete die Kaffeemaschine an und drehte sich dann zu Anne um.

      »Willst du mir helfen, es herauszufinden?«, fragte sie.

      6

      Roland sah dem Auto von der Treppe aus nach. Marianna saß wie eine kleine Prinzessin auf dem Rücksitz und winkte wie Königin Margrethe. Lächelnd winkte er zurück. Er hatte es immerhin noch rechtzeitig nach Hause geschafft, damit sie alle zusammen hatten essen können – das aber nur, weil sie auf ihn gewartet hatten. Das Auto verschwand aus dem Villenweg. Er blieb noch einen Augenblick stehen und sog die Luft ein. Genoss den Duft des Frühlings in der Nase und den Anblick von Irenes Blumenbeeten, die sich nach der harten Prüfung des Winters nun zurück ins Leben kämpften. Irene hatte sich darangemacht, in der Küche aufzuräumen. Er konnte sie durchs Küchenfenster sehen. Trotz ihrer vierundfünfzig Jahre – sie war etwas jünger als er – waren es nicht die Falten, die in ihrem herzförmigen Gesicht dominierten. Obwohl sie immer mit ihrem Gewicht kämpfte, fand er eigentlich nicht, dass sie auch nur ein Gramm abnehmen müsste. Frauen sollten runde Formen haben. In ihren Haaren fand sich keine graue Strähne, dafür sorgte der Friseur. Heute hatte sie sich das Haar locker auf dem Kopf festgesteckt, sodass Hals und Nacken zu sehen waren.

      Er stand auf der Treppe, während ihn die frische Luft ein wenig frösteln ließ, und genoss den Anblick. Freute sich darüber, dass diese Frau die seine war, und das schon so lange, dass sie die Jahre nicht länger zählten. Hübsch war sie, wie immer, trotz des etwas unnahbaren Ausdrucks, der in letzter Zeit über ihrem Gesicht lag. Während des Essens hatte sie nicht viel geredet. Marianna hatte wie gewöhnlich lustig geplaudert, und er hatte mit Rikke ein biss­chen über Alltagsdinge und Politik diskutiert. Sie waren sich selten einig, da sie beide unterschiedlichen Flügeln angehörten, aber sie bekamen sich auch nie wirklich in die Haare; so viel bedeutete die Politik ihnen beiden auch wieder nicht. Irenes Schweigen bedrückte ihn. Er wusste nicht, wie er ihr helfen sollte. Hätten sie Salvatore bloß hierbleiben lassen und ihn nicht nach Hause auf die Straßen Neapels und in die Gewalt der Camorra geschickt. Verdammt! Ergrimmt fuhr er sich durch das dichte dunkle Haar. Sein Friseur hielt sich immer mit dem Kürzen zurück; er meinte, die grauen Haare an den Schläfen würden ihn nur maskuliner machen. Irene sagte das Gleiche. Er ging zu ihr hinein und stellte Teller und Gläser in die Spülmaschine.

      »Warum hast du dein Handy ausgeschaltet? Ich habe versucht dich anzurufen, weil ich spät dran war.«

      Irene zuckte zusammen. »Gott, ich hab vergessen, es wieder anzumachen. Ich hab es ausgemacht, damit ich nicht gestört werde, wenn Rikke und Marianne schon mal hier sind. Schließlich kommen sie nicht alle Tage, und da …« Sie drehte ihm den Rücken zu und stellte etwas in den Kühlschrank.

      »Als ob dein Handy sonst ständig bimmeln würde«, murmelte er.

      »Entschuldigung, Rolando.«

      »Ach, egal, so wichtig war es jetzt auch wieder nicht …«

      Die Spülmaschine war voll. Ihr leises Brummen und Plätschern waren die einzigen Geräusche, die man in der Stille hörte. Der orangefarbene Knopf leuchtete im Halbdunkel der Küche. Roland schielte zu Irene hinüber, sie versuchte, sich aufs Lesen zu konzentrieren, aber er sah deutlich, dass es nicht klappte. Erneut ertappte er sich dabei, wie er sie beobachtete. Einer kritischen Prüfung

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