Die Beichte - Roland Benito-Krimi 4. Inger Gammelgaard Madsen

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Die Beichte - Roland Benito-Krimi 4 - Inger Gammelgaard Madsen Rolando Benito

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Sein Arbeitgeber hatte ihn als vermisst gemeldet, als er nicht zur Arbeit gekommen war und er nur Tobias’ verwirrten Vormund zu Hause angetroffen hatte.

      »Ja, er war nicht ganz sicher auf den Beinen«, antwortete Trine und starrte verloren ins Glas. Obwohl sie in der warmen Sonne saß, zog sie ihre Daunenjacke fester um sich. Ihre Wimperntusche war verschmiert und die Nase rot. Sie schniefte.

      »Wieso bist du auch nicht beim ihm geblieben?« Ein blondes Mädchen in Trines Alter warf ihr einen wütenden Blick zu.

      »Darüber haben wir doch geredet, Miriam, also lass es jetzt gut sein!« Bertram sah die beiden Mädchen verärgert an, als sei das ein Punkt, den sie schon reichlich durchdiskutiert hatten.

      »Welche Verbindung habt ihr jeweils zu Tobias Abrahamsen?« Mikkel Jensen stand auf, die Hände in der Tasche; der beengte Platz an dem runden Tisch war ihm offensichtlich zu unbequem geworden. Die Journalistin stand mit dem Rücken zu ihnen, den Blick auf das Wasser der Aarhus Å gerichtet, als würde sie im Fluss nach einer Leiche suchen, und sog an ihrer Zigarette.

      »Ja, also ich bin ja seine Freundin«, antwortete Trine als Erste. Das wurde nicht mit Stolz gesagt. Eher, als ob sie diejenige sei, die ihnen leidtun müsste, so wirkte es auf Roland. Keiner von ihnen schien besonders betroffen über das Verschwinden ihres Freundes, aber es stand ja auch keineswegs fest, dass er nicht bald wieder zurückkommen könnte. Das war bei Vermissten in diesem Alter schließlich öfters mal der Fall. Er hatte vielleicht einfach nur ein anderes Mädchen getroffen und war mit ihr nach Hause gegangen – genau den gleichen Gedanken hatte auch Roland bei Salvatore zunächst gehabt, als er nicht nach Hause gekommen war. Die Hubschraubersuche und die Hundestreife hatten nichts gefunden, was ihnen irgendeine Erklärung für Tobias’ Verschwinden hätte geben können. Brachten die Informationen der Freunde keine verwertbaren Neuigkeiten, kamen sie nicht weiter. Dann würden sie den Fall erst einmal zurückstellen und auf das Beste hoffen müssen – oder das Schlimmste befürchten. Rolands Blick wanderte ebenfalls zum Fluss. Das Wasser der Å strömte still und geheimnisvoll wie ein stummer Zeuge. Tobias könnte leicht hineingefallen und aufs offene Meer hinausgetrieben worden sein; dann könnten sie jetzt nur darauf warten, dass die Leiche irgendwann auftauchte. Falls sie es je tat. Bald mussten die Taucher raus, aber sie fanden selten etwas.

      »Und ich bin, wie gesagt, fast ein Nachbar von Tobias, wohne gerade mal ein paar Häuser entfernt«, machte Bertram weiter.

      »Aber wir sind alles alte Klassenkameraden. Wir haben verabredet, uns letzten Samstag zu treffen und ein bisschen zu feiern, weil es jetzt zwei Jahre her ist, dass wir mit der Volksschule fertig sind«, erläuterte ein Rothaariger mit schulterlanger Mähne näher. Wären da nicht die roten Bartstoppeln gewesen und die Tatsache, dass er sich als Aksel Møller Lund vorstellte, hätte er fast wie ein Mädchen gewirkt.

      Miriam zupfte an einem Fleck auf ihrem Jackenärmel und nickte.

      »Ihr habt ihn also mitten in der Nacht einfach allein und betrunken fortgehen lassen?« Mikkels Stimme war nicht ohne Empörung. Man vergisst schnell, wie es gewesen ist, als man selbst jung war.

      »Ja, das wollte er so«, erwiderte Bertram.

      »Und wir waren ja echt nicht weniger betrunken!«, fügte Aksel tonlos hinzu.

      »Wir wollten weiter durch die Stadt ziehen, es war ja noch nicht sehr spät, aber Tobias wollte lieber heim, er ist nie auf Partys gewesen, also …« Trines Stimme war heiser, sie räusperte sich und nahm einen Schluck von ihrem Bier.

      »Ich verstehe nicht, wie er einfach so verschwinden kann, er muss doch irgendwo sein«, murmelte Miriam. Sie schaute auch zum Fluss hinüber, aber mit einem leeren und gleichgültigen Ausdruck in den Augen.

      »Wir haben heute alle extra die weiterführende Schule sausen lassen, damit wir suchen können. Jetzt haben wir die hier in der ganzen Innenstadt aufgehängt, damit uns die Leute helfen, ihn zu finden.« Bertram hielt einen der DIN-A4-Handzettel mit Tobias’ Foto vor Roland in die Höhe. »Außerdem hoffen wir, dass die Sendung heute Abend die Leute zum Helfen motiviert und …«

      »Ja, und ich habe einen Suchaufruf bei Facebook gestartet«, unterbrach ihn Trine, »es sind schon fast zweitausend mit dabei.«

      Die Journalistin trat an den Tisch und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. »Jetzt kommt das Kamerateam, wir müssen uns also fertigmachen. Wollen Sie dabei teilnehmen?«, fragte sie, den Blick auf Roland gerichtet.

      Er nickte. »Wir haben ja nicht wirklich viele Informationen, aber es ist wichtig, dass wir eine präzise Suchmeldung rausgeben und all die Dinge vermitteln, die wir bisher wissen, daher … klar, selbstverständlich.«

      Mikkel Jensen schaute ihn verwundert an. Die Presse war keine Instanz, mit der Roland normalerweise freiwillig zusammenarbeitete. Am liebsten hatte er das immer Vizepolizeidirektor Kurt Olsen überlassen. Aber nun hatte er erfahren, wie es ist, als Angehöriger zurückzubleiben und nicht zu wissen, was aus einem Familienmitglied geworden ist. Die nagende Furcht. Die schwindende Hoffnung. Es war so wichtig, dass die Leute sich an der Suche beteiligten, ihren Teil beitrugen, und es bestand ja vielleicht noch Hoffnung für Tobias Abrahamsen.

      5

      »Putzen?!«

      Es hatte nicht so überrascht klingen sollen, wie es herauskam. Kamilla goss den Kaffee in die Thermoskanne. Es war lange her, dass sie Anne gesehen hatte. Eigentlich hatten sie sich nur einmal getroffen, seit Kamilla ihre Arbeit als Pressefotografin in der Redaktion des Tageblatts gekündigt hatte, um als Werbefotografin im Studio Pierre zu arbeiten – im Übrigen ein Glück für sie, da die Zeitungsredaktion einige Monate später ohnehin hatte schließen müssen, sodass alle, die dort gearbeitet hatten, plötzlich ohne Arbeit dastanden. Auch Anne hatte ihre Stelle als Journalistin und Kriminalreporterin verloren.

      »Vielleicht im Polizeipräsidium?«, neckte Kamilla.

      »Nein, bist du verrückt! Man braucht eine Genehmigung, um dort zu putzen. Die würde ich nie bekommen. Eine Journalistin, die in die Arbeit der Polizei hineingeschnüffelt und ihre Beamten mehr als einmal regelrecht auf die Palme gebracht hat! Dem würde Benito bestimmt einen Riegel vorschieben.«

      »Ja, aber, putzen, bist das denn du, Anne?«

      »Ich verstehe, dass du verwundert bist. Ich wollte eigentlich weiterstudieren, aber jetzt brauche ich einfach eine Pause – nach alldem mit meiner Mutter und so. Warum ist eine Reinigungskraft nicht genauso hoch angesehen wie ein Bankdirektor? Sie arbeiten beide. Wer von beiden mehr schuftet, kann man ja diskutieren. Wer im Verhältnis zu seinem Gehalt mehr leistet, ist jedenfalls offensichtlich. Von Adomas habe ich gelernt, dass eine Arbeit nicht unbedingt gut bezahlt oder besonders angesehen sein muss, Hauptsache, man kommt mit dem verdienten Geld aus, dann ist jede Arbeit gut genug. Er hatte eine Stelle als Zeitungsausträger und konnte damit mehr verdienen als mit einer qualifizierten Ausbildung zu Hause in Litauen.«

      »Adomas? Dein litauischer Cousin – äh, Freund?« Kamilla schenkte Kaffee in Annes Tasse und traute sich nicht richtig, ihr in die Augen zu sehen. Es fiel ihr schwer, ihren Widerwillen dagegen zu verbergen, dass Anne mit ihrem Cousin liiert war. Aber es war das erste Mal gewesen, dass sie sie mit einem verliebten Schimmer in den Augen gesehen hatte.

      »Hast du mal wieder was von ihm gehört?«, fragte sie stattdessen.

      Anne rührte sich abwesend Zucker in den Kaffee. »Nein. Ich hab wirklich Angst, dass ihm etwas Schreckliches passiert ist. Es war einfach merkwürdig, wie er verschwunden ist.«

      »Was ist denn passiert?«

      Anne

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