Wissensvernetzung und Metropolregion. Stefan Krätke
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Für das regionale Innovationssystem ist der Wissensaustausch innerhalb der Wirtschaft und zwischen der Wirtschaft und der Wissenschaft (Wissensspillover) von zentraler Bedeutung. Wissenschaftliche Studien lassen den Schluss zu, dass ein hohes Innovationspotenzial insbesondere an den Schnittstellen und Überlappungsbereichen unterschiedlicher, aber auch verwandter Kompetenzfelder („related variety“) (Frenken et al. 2007) zu verorten ist. Related variety oder technologische Verbundenheit beschreibt in diesem Zusammenhang das Vorhandensein von Unternehmen in Branchen, welche über verschiedene, aber dennoch ähnliche Kompetenzen verfügen und daher einen relativ engen Bezug zueinander aufweisen (Brachert und Titze 2012: 210). Diese Verbundenheit zwischen verwandten bzw. komplementären Branchen schafft besonders günstige Voraussetzungen für den Wissenstransfer (EU Kommission 2012). Eine Strategie der verwandten Diversifizierung geht daher von der Erkenntnis aus, dass sich Wissen primär dort überträgt, wo Regionen mit unterschiedlichen Branchen ausgestattet sind, die aber aufgrund ihrer gemeinsamen Wissensbasis miteinander eng verbunden sind (Boschma 2008, S. 13). Gerade an den Rändern bzw. Übergängen von Kompetenzfeldern werden weitaus bedeutendere Innovationen hervorgebracht als in ihren Kernen (Menzel 2012, S. 61f.). An den Rändern bzw. Überlappungsbereichen von unterschiedlichen Netzwerken bzw. Clustern können die regionalen Akteure aufgrund ihrer besonderen innovativen Potenziale eine wichtige Rolle im Rahmen der Weiterentwicklung des regionalen Innovationssystems spielen. Auch in diesem Zusammenhang kann eine Netzwerkanalyse konstruktive Hinweise liefern, wo entsprechende Schnittstellen und Überlappungsbereiche räumlich zu verorten sind.
Der theoretischen Erklärung für einen Zusammenhang zwischen technologischer Verbundenheit und ökonomischem Erfolg liegt die Annahme zugrunde, dass Innovationssprünge in vielen Fällen auf eine (Neu)-Kombination von Kompetenzen verschiedener Wirtschaftsakteure zurückzuführen sind.
Empirisch ist es außerordentlich schwierig, den Wissensaustausch, der innerhalb der Netzwerke stattfindet, direkt zu messen. Paul Krugman hat darauf verwiesen, dass Wissensflüsse unsichtbar sind und sie keine Spuren hinterlassen, die man gegebenenfalls messen könnte (Krugman 1991, S. 53). Auch wenn in empirischen Studien gezeigt werden kann, dass durch den Austausch von Wissen und Ideen immer wieder Lernen ermöglicht wird und damit neues Wissen entsteht, ist es schwer zu bestimmen, welche der am Wissensaustausch beteiligten Parteien den größeren Nutzen davon trägt. Die Aneignung von Wissen im Kontext von Wissensnetzwerken hängt nicht zuletzt auch von der Absorptionskapazität der an den Kooperationsverflechtungen beteiligten Akteuren ab (Krätke 2011, S. 101). Wissenstransfer ist kein linearer Vorgang, sondern erfordert sowohl einen permanenten Prozess der Interaktion zwischen den Akteuren als auch die entsprechenden Verarbeitungskapazitäten, um sich fremdes Wissen produktiv aneignen zu können. Krätke plädiert daher auch dafür, dass die Rede vom Wissenstransfer oder von den Wissensflüssen mehr als Metapher „for an interaction of considerable complexity“ verstanden werden sollte (Krätke 2011).
1.2 Metropolregionen als Knotenpunkte der wissensbasierten Ökonomie
Die für die wissensbasierte Ökonomie bedeutenden Wirtschaftsbereiche konzentrieren sich vornehmlich in urbanen Agglomerationsräumen (vgl. Läpple 2016; Bentlage, Thierstein, Lüthi 2014; Thierstein, Wiese 2011; Krätke 2011; Thierstein et al. 2006)4. Autoren wie Kujath, Siebel und Krätke sehen die Metropolregionen zu den bevorzugten Standorten der Wissensarbeit aufsteigen. Denn in einer wissensbasierten Ökonomie sind es gerade die großstädtischen Regionen und Agglomerationen, die die bedeutsamen Standorte darstellen (Kujath 2005, Siebel 2015; Läpple 2014; Krätke 2013; Krätke 2007; Helbrecht 2005, Eickelpasch 2017). Dabei richtet sich der Fokus immer weniger auf die urbanen Metropolen im engeren Sinne, sondern zunehmend auf ein breiter angelegtes funktionales Verständnis des urbanen Raums als Metropolregion. Die Metropolregionen, bestehend aus großstädtischen Zentren und dem damit eng verflochtenem Umland, gelten als die Knotenpunkte der wissensbasierten Ökonomie. „Gleichzeitig zeigt sich in diesen Regionen eine Regionalisierung des Städtischen. Nicht mehr einzelne Städte, sondern Stadtregionen sind die räumliche Maßstabsebene, auf der sich mehr und mehr räumliche Entwicklungsprozesse abspielen“ (Münter et al. 2016, S. 10).
Metropolregionen sind prädestinierte Orte einer wissensbasierten Ökonomie, weil sie zum einen über eine große Akteursdichte und über die Diversität verfügen, aus denen sich regionale Wissensnetzwerke und regionale Kontexte des Lernens entwickeln. „Zum anderen tragen die Ressourcen eines differenzierten Arbeitsmarktes mit spezialisierten Wissensarbeitern zu der Entwicklung bei, aber auch die Kommunikations- und Personentransportinfrastrukturen: Flughäfen, Bahnanschlüsse, Telekommunikationsnetze sowie eine breite Palette von Angeboten wie Messen. Dies alles macht Metropolregionen zu großen Informationsmarktplätzen, zu Kreuzungen des Informations- und Wissensaustausches“ (Kilper, Kujath 2006). Neben der räumlichen und institutionellen Nähe der Akteure untereinander sowie der Verfügbarkeit impliziten Wissens trägt zu dieser Einschätzung auch die Reduktion von Risiken durch die in den urbanen Räumen vorhandene höhere Kommunikationsdichte bei (vgl. Bentlage, Thierstein, Lüthi 2014; Krätke 2005, Läpple 2003). Mit ihren besonderen Raumqualitäten und ihrer kritischen Masse verfügen die deutschen Metropolregionen zudem über günstige Voraussetzungen, um auch in einem europäischen Kontext wahrgenommen zu werden und entsprechend agieren zu können.
Die in einer Metropolregion vorhandene große Akteursdichte und -vielfalt ermöglicht vielfältige persönliche Kontakte, wodurch enge regionale Kommunikationsnetze und damit die Entstehung regionaler Wissenskontexte und Lernprozesse begünstigt werden (vgl. Kujath 2005). Metropolregionen bieten zudem eine hohe Dichte und Diversität von Wissensressourcen. Diese Verdichtung stellt das ideale Umfeld für eine Wissensvernetzung dar. Den Metropolregionen gelingt es darüber hinaus am ehesten, eine Kopplung von regionalen und internationalen Ressourcen zu erreichen (Krätke 2007). Die räumliche Größe schafft zudem Verbundeffekte, die eine bessere Arbeitsteilung und größere Ausstrahlungskraft ermöglicht. Die vorhandene Dichte bedingt zudem eine räumliche Nähe, die für den Austausch von implizitem Wissen und für die Anbahnung von Kooperationen besonders vorteilhaft ist.
Metropolregionen stellen einen hochwertigen Ressourcenpool in Hinblick auf qualifizierte Arbeitskräfte, Zuliefermärkte und eine gut ausgestattete Kommunikations- und Transportinfrastruktur dar. Als Knoten globaler Wissensnetzwerke bieten sie die erforderlichen Standortqualitäten für hochwertige Dienstleistungen wie Forschung und Entwicklung oder die Informations-, Medien- und Kreativindustrien (vgl. Bentlage, Thierstein 2013; Thierstein, Wiese 2011; Kujath 2005; Krätke 2002). Gerade bei den wissensintensiven Wirtschaftsaktivitäten lassen sich Konzentrationen auf einige wenige Standorte in Deutschland empirisch nachweisen (vgl. Bentlage, Thierstein, Lüthi 2014). Metropolregionen und große Städte repräsentieren die Standortzentren für neue wissensbasierte Wertschöpfungsketten sowie innovationsstarke Produktionscluster in wissensintensiven Industrien (IuK, Medientechnik, Biotechnologie, Medizintechnik etc.). Für den Zusammenhang zwischen Wissensgenerierung, Innovation, und Regionalentwicklung ist dabei entscheidend, dass den Netzwerken und Clustern im Sinne von regional vernetzten Ensembles von spezialisierten Unternehmen eine „kollektive Effizienz“ zugeschrieben wird, die aus Unternehmens-externen Skalenvorteilen der Produktion und aus Transaktionskostenersparnissen infolge räumlicher und kultureller Nähe der zusammenwirkenden Unternehmen hervorgeht (Krätke 2001).
Metropolregionen bieten zudem besondere personenbezogene Standortqualitäten. Dazu tragen die vielfältigen Kultur- und Freizeitangebote ebenso wie die zahlreichen Bildungseinrichtungen bei. Ein urbanes Milieu, das Offenheit und Kreativität fördert, wird zunehmend als entscheidender Faktor der Standortattraktivität angesehen. Nach Florida (2005, 2001) sind dies Faktoren, die entscheidend dazu beitragen, qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen und am Standort zu halten. Florida (2002) hat am Beispiel des US-amerikanischen Stadtsystems gezeigt, dass eine urbane Vielfalt mit diversen Kultur- und Freizeitangeboten und einem offenen Klima eine große Anziehungskraft