Wissensvernetzung und Metropolregion. Stefan Krätke
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Nicht zuletzt sind Metropolregionen ein „Wahrnehmungsraum“ mit Ausstrahlungseffekten, die nicht zuletzt im internationalen Rahmen eine erhöhte Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ein gemeinsamer Wahrnehmungsraum findet international stärkere Beachtung als seine einzelnen Teilräume. In diesem Zusammenhang ist jedoch ein Akzeptanzvorteil von historisch gewachsenen gegenüber politisch konstruierten Metropolregionen zu konstatieren, wodurch sich z.T. auch die unterschiedlichen Entwicklungsstände der institutionalisierten Kooperation in den einzelnen Metropolregionen erklären lassen. In diesem Zusammenhang zeigt sich aber auch, dass die mit den Metropolregionen gegebenen Wahrnehmungsräume auch Möglichkeitsräume bilden, die durch das aktive Zusammenspiel der regionalen Akteure mit Leben zu füllen sind.
Erkennbar ist auch eine deutliche Hierarchisierung der Metropolregionen. So sind vor allem die wirtschaftlichen Beziehungen und Aktivitäten der wissensbasierten Ökonomie primär auf ausgewählte Großstadtregionen der „ersten Liga“ ausgerichtet. Dies zeigt sich europaweit mit London und Paris als führenden Standorten, aber auch innerhalb Deutschlands anhand der Vormachtstellung von Regionen wie Frankfurt/Rhein-Main, München, Hamburg oder Berlin. Innerhalb des Systems der Metropolregionen kommt es gleichzeitig zu sektoralen Spezialisierungen und zur Ausdifferenzierung von wirtschaftlichen Entwicklungspfaden (vgl. Krätke 2013, Krätke 2011, Krätke 2007). In Folge dessen können auch kleinere Metropolregionen, die als Ganzes nicht in vergleichbarem Maße stark positioniert sind, ganz im Sinne der zunehmenden internationalen Arbeitsteilung und Spezialisierung innerhalb bestimmter Sektoren eine europaweite Beachtung finden. Der Anspruch, Metropolregion zu sein, kann sich somit für Regionen der „zweiten Liga“ auch aus dem strukturbildenden Potenzial einzelner Branchen ableiten. Zumal der Status „Europäische Metropolregion“ in vielen Fällen das Ergebnis eines politischen Ringens um Anerkennung ist („to be on the map“).
1.3 Metropolregionen in Deutschland und ihre Funktionen
Seit Mitte der 1990er Jahre wird auch in der deutschen Raumordnungspolitik der Bedeutung von Metropolen und Metropolregionen für die Raumentwicklung eine stärkere Beachtung beigemessen. Im 19. Jahrhundert war eine Metropole der Ort, an dem sich die politischen, kulturellen und ökonomischen Funktionen höchster Zentralität und Dichte überlagerten und der ein hohes Maß an Urbanität aufwies. Paris oder London galten lange Zeit als der Idealtyp einer Metropole (vgl. Siebel 2015, Häußermann 2000). Der Begriff Metropole entspricht damit eher den Raumvorstellungen im Zeitalter der Nationalstaaten und reicht heute nicht mehr aus, um die Verflechtungsbereiche der heutigen Metropolen, die mittlerweile weit über die politisch-administrativen Grenzen der Kernstädte hinausreichen, angemessen zu erfassen. Im Zeitalter der Globalisierung ist es angemessener von der Metropolregion, die international bedeutsame Funktionen im Raum wahrnimmt (vgl. NIW, NORD/LB 2005), als der zentralen Raumeinheit auszugehen. Diese funktionale Betrachtung markiert den Unterschied in der Definition einer heutigen Metropolregion zum herkömmlichen Metropolenverständnis.
Bereits 1995 wurden von der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) Berlin/Brandenburg, Hamburg, München, Rhein-Main, Rhein-Ruhr und Stuttgart als „Europäische Metropolregionen in Deutschland“ benannt (Priebs 2013). Hinzu kam als potenzielle Metropolregion das Sachsendreieck mit Leipzig, Dresden und Chemnitz. Im Jahr 2005 wurden die Regionen Nürnberg, das Rhein-Neckar-Dreieck, Bremen/Oldenburg sowie die heutige Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg5 von der MKRO in den Kreis der Metropolregionen aufgenommen. (vgl. Abb. 1). Mit der Metropolregion wurde somit ein neues raumordnerisches Prädikat oberhalb der bestehenden Kategorie Oberzentrum eingeführt (vgl. Priebs 2013, Priebs 2004).
In der Raumordnung wird der Begriff Metropolregion für jene Räume verwendet, die eine Konzentration politischer und wirtschaftlicher Steuerungsfunktionen, eine hohe Dichte spezialisierter Dienstleistungen, eine international wahrnehmbare kulturelle Ausstrahlung und eine hoch entwickelte Infrastrukturausstattung aufweisen (vgl. Blotevogel 2005). Es sind Regionen, die für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes von besonderer Bedeutung sind. Sie tragen maßgeblich zur Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bei, gewährleisten die weltwirtschaftliche Integration und sind Zentren des internationalen kulturellen Transfers (vgl. Priebs 2013; Krätke, Taylor 2004; Schäfer, Stackelberg, Stellmacher 2004). Metropolregionen nehmen dabei vier Hauptfunktionen wahr (vgl. Danielzyk, Blotevogel 2009; Blotevogel 2005; Schäfer, Stackelberg, Stellmacher 2004):
• die Entscheidungs- und Kontrollfunktion seitens wichtiger Entscheidungsträger der Privatwirtschaft, des Staates und sonstiger Organisationen, die am Standort ansässig sind,
• die Gateway-Funktion, die den Zugang zu Menschen (Fernverkehrsknotenpunkte), zu Wissen (Medien) und Märkten (Messen, Ausstellungen) durch eine überdurchschnittliche kommunikative und infrastrukturelle Anbindung und Ausstattung ermöglicht,
• die Innovations- und Wettbewerbsfunktion durch die Generierung und Verbreitung von Wissen, Einstellungen, Werten und Produkten sowie die Existenz einer leistungsfähigen materiellen sowie institutionellen Infrastruktur, die Innovationen, Wissenstransfer und Kooperationen befördert,
• die Symbolfunktion durch Erzeugung und Verbreitung von Zeichen, Vorbildern, Moden, Normen und Deutungsangeboten in vielfältigsten Formen.
Diese vier Funktionen werden nur noch teilweise innerhalb der politischen Grenzen der Kernstädte erfüllt – so befinden sich z.B. die meisten Flughäfen außerhalb der Stadtgrenzen –, sondern in einem Netzwerk unterschiedlicher Standorte innerhalb einer Region (vgl. Priebs 2004). Anders als in Frankreich mit Paris oder Großbritannien mit London gibt es in Deutschland aber aufgrund seiner föderalen und polyzentrischen Struktur keine einzelne dominierende Metropolregion. Da die Metropolenfunktionen auf mehrere Standorte im gesamten Bundesgebiet verteilt sind, zählt Deutschland aktuell elf Metropolregionen, darunter die Verdichtungsräume Hamburg, Berlin oder München, aber auch funktional und politisch mehrkernige Regionen wie Rhein-Main, das Sachsendreieck und die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg. Die deutschen Metropolregionen weisen damit keine homogene Struktur auf, sondern unterscheiden sich in ihrer Größe und Ausprägung der Metropolenfunktionen erheblich voneinander.
1.4 Die Innovationsfunktion der Metropolregion
Mit dem Konzept der europäischen Metropolregion wurde ein Instrument geschaffen, mit dem urbane Regionen im internationalen Wettbewerb positioniert werden sollten. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass dort ideale Rahmenbedingungen für Wachstum und Wettbewerb geschaffen werden sollen, wo die meisten Innovationspotenziale vorhanden sind und am aussichtsreichsten gestaltet werden können (Federwisch 2014: 142). Die Innovations- und Wettbewerbsfunktion ist in diesem Zusammenhang eine der strategischen Leitfunktionen, aufgrund derer Metropolregionen ihre regionalen, nationalen und internationalen Organisations- und Entwicklungsleistungen erbringen (Danielzyk, Blotevogel 2009; Blotevogel 2005).
Abb. 1: Die Metropolregionen in Deutschland (gemeindescharfe Abgrenzung)
Quelle: CIMA Institut für Regionalwirtschaft GmbH
Regionale Innovationsfähigkeit lässt sich definieren als das Potenzial zur Entwicklung neuer oder deutlich verbesserter Produkte, Dienstleistungen und Prozessabläufe. Die damit verbundenen Innovationsaktivitäten können sowohl im wissenschaftlichen als auch im organisatorischen oder finanziellen Bereich liegen. Insofern geht es dabei nicht nur um ökonomische und technische Innovationen.