Wissensvernetzung und Metropolregion. Stefan Krätke
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Ein weiterer wichtiger Indikator für das regionale Innovationspotenzial ist die Gründungsintensität. Unternehmensgründungen und Spin-offs gelten als besonders nachhaltige Form des Wissens- und Technologietransfers (EFI 2009: 41). Sie bringen Ideen und Produkte auf den Markt, die von großen Unternehmen aufgrund mangelnder Flexibilitäten eventuell nicht aufgegriffen werden. Gründungen in forschungs- und wissensintensiven Sektoren kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Gerade in neuen Technologiefeldern, beim Aufkommen neuer Nachfragetrends und in frühen Phasen der Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren eröffnen junge Unternehmen Marktnischen und verhelfen Innovationsideen zum Durchbruch, die von großen Unternehmen nicht aufgegriffen werden. Unternehmensgründungen stellen somit einen wichtigen Motor für den technologischen Wandel einer Region dar (Blind, Wachsen 2013: 47). Der Indikator für die Gründungsintensität setzt die Zahl der Gründungen ins Verhältnis zur erwerbsfähigen Bevölkerung einer Region. In der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg liegt die Anzahl der Gründungen pro 10.000 Erwerbsfähigen bei 0,06 für den Bereich Spitzentechnik im Verarbeitenden Gewerbe, bei 0,14 im Bereich der höherwertigen Technik im Verarbeitenden Gewerbe und bei 1,48 im Bereich der technologieorientierten Dienstleistungen. Diese Werte liegen in etwa auf der Höhe der niedersächsischen Vergleichswerte, bleiben jedoch deutlich hinter den Gründungsintensitäten auf Bundesebene zurück. Auch die Entwicklung der Indikatorwerte zwischen den Zeiträumen 2009–2012 und 2013–2016 zeigt sich weniger dynamisch als dies auf der Ebene des Bundes der Fall ist. Im Bereich Spitzentechnik im Verarbeitenden Gewerbe hat die Metropolregion jedoch im Vergleich zum deutschen Durchschnitt aufgeholt. Die grundsätzlich positiven Indikatorwerte im Bereich der FuE-Intensität der Wirtschaft sowie für die Beschäftigtenanteile in wissensintensiven Wirtschaftszweigen schlagen sich folglich nicht stets unmittelbar in erhöhten Gründungsintensitäten nieder.
Abb. 4: Das regionale Innovationssystem
Quelle: CIMA Institut für Regionalwirtschaft GmbH
Neben den Innovationsaktivitäten der Wirtschaft sind bei der Analyse regionaler Innovationspotenziale auch die Hochschulen in den Blick zu nehmen. Während die Anzahl der Studierenden je 1.000 Einwohner in der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg mit einem Wert von 33,9 sehr nah an dem Vergleichswert für Deutschland (34,0) liegt, ist für das Lehr- und Forschungspersonal an den Hochschulen der Metropolregion ein stark überdurchschnittlicher Wert festzustellen. Mit 50,8 Personen je 10.000 Einwohner, die im Bereich der Lehre und Forschung an Hochschulen beschäftigt sind, liegt der Indikatorwert deutlich über den Vergleichswerten für Deutschland (47,5) und Niedersachsen (36,3). Durch diesen vergleichsweise hohen Anteil an Humankapitalressourcen, der explizit zur Generierung neuen Wissens eingesetzt wird, kann das Innovationspotenzial der Metropolregion ebenfalls gesteigert werden.
Die Analyse quantitativer Innovationsindikatoren ermöglicht eine erste Einschätzung der regionalen Innovationskraft, kann die spezifischen Stärken, Schwächen und Wachstumspotenziale eines Wirtschaftsraums jedoch nur zum Teil abbilden. Um ein breites Verständnis für die Innovationskraft einer Region entwickeln zu können ist es deshalb notwendig, die verschiedenen Komponenten des regionalen Innovationssystems vertiefend zu analysieren sowie die Austauschbeziehungen der einzelnen Elemente zu beleuchten. Die Bedeutung solcher regionalen Zusammenhänge bei der Generierung innovativer Produkte und Dienstleistungen wird im folgenden Teilkapitel diskutiert.
1.5 Das regionale Innovationssystem
Die Metropolregion ist aufgrund ihrer hohen Diversität von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und anderen Institutionen eine wichtige Plattform für den Austausch von Information und Wissen und zur Generierung von Lernprozessen. Der Innovationsprozess verläuft in der Regel jedoch nicht linear. Innovationen basieren vielmehr auf starken Rückkopplungsprozessen und erfordern somit intensive Verflechtungsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Akteuren. Vor diesem Hintergrund hat sich in der regionalökonomischen Theorie der Begriff des Innovationssystems durchgesetzt. Diesem Verständnis nach nehmen auch soziokulturelle Faktoren eine wichtige Funktion im Innovationsgeschehen ein, da sie entscheidenden Einfluss auf die Wissensressourcen und die Austauschbeziehungen zwischen den Akteuren im Innovationsprozess haben (Revilla Diez 2002; Koschatzky 2001).
In metropolitanen Verdichtungsräumen ergeben sich viefältige Agglomerations- und Lokalisationsvorteile, die sich positiv auf die Entstehung von Innovationen auswirken: Dazu gehören das große Angebot hoch qualifizierter Arbeitskräfte, der dichte Besatz mit universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, betriebliche Forschungs- und Entwicklungszentren, spezialisierte Dienstleistungsunternehmen und die räumliche Nähe von Akteuren, die persönliche Kontakte und somit Wissensspillover begünstigt. Metropolitane Verdichtungsräume lassen sich aus diesem Grund auch als metropolitane Innovationssysteme interpretieren. Gerade in metropolitanen Innovationssystemen sind die Bedingungen für kompetenzfeldübergreifende Innovationsaktivitäten sehr günstig. Die Ergebnisse einer Vielzahl empirischer Studien deuten darüber hinaus darauf hin, dass regionale Innovationssysteme vor allem dann bedeutsame Innovationen hervorbringen, wenn die verschiedenen regionalen Kompetenzfelder inhaltliche Schnittstellen aufweisen (vgl. van Oort et al. 2014; Boschma et al. 2012; Mameli et al. 2012). Metropolregionen verfügen aufgrund ihrer räumlichen Ausdehnung über eine hinreichende kritische Masse, um unterschiedliche Spezialisierungen (Kompetenzfelder) herauszubilden, so dass sich i.d.R. eine Vielzahl von Optionen der „verwandten Diversifizierung“ ergeben.
Dem Konzept der Innovationssysteme zufolge existieren in Regionen „spezifische Umfeldbedingungen und Verflechtungsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Akteuren […], die das regionale Innovationsgeschehen beeinflussen und sich positiv oder negativ auf die Ausschöpfung des regionalen Innovationspotenzials auswirken.“ (Revilla Diez 2002: 26). Im Mittelpunkt eines solchen Innovationssystems stehen Forschungseinrichtungen und Unternehmen mit ihren Innovationsaktivitäten. Darüber hinaus sind auch die regionalen Umfeldbedingungen von Bedeutung, die durch folgende Faktoren determiniert werden:
• Das Bildungssystem, welches für das Vorhandensein qualifizierter Arbeitskräfte verschiedener Qualifikationsstufen von elementarer Bedeutung ist. Insbesondere das deutsche Modell der dualen Ausbildung hat sich in diesem Zusammenhang bewährt. Angebote zur berufsbegleitenden Weiterbildung gewinnen vor dem Hintergrund verkürzter Innovationszyklen und den Auswirkungen des demografischen Wandels ebenfalls an Bedeutung.
• Politische Akteure und die öffentliche Verwaltung, die beispielsweise im Rahmen der Forschungspolitik sowie durch die Konzeption von Förderprogrammen und Wettbewerben Einfluss auf das Innovationsverhalten der regionalen Akteure nehmen können.
• Innovations- und diffusionsunterstützende Einrichtungen des privaten und öffentlichen Sektors (z.B. Institutionen des Technologie- und Wissenstransfers, Technologie- und Gründerzentren, Förderbanken etc.).
• Die Unternehmenskultur, die Einfluss auf die Kooperationsneigung der Akteure haben kann.
• Der Markt, der als ein zentraler Anreizmechanismus für die Entstehung von Innovationen zu verstehen ist.
• Weitere Rahmenbedingungen