Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel. Nadine Erdmann
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Читать онлайн книгу Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel - Nadine Erdmann страница 16
Auch Connor atmete durch und wandte sich wieder seinem überaus reizenden Mitbürger zu.
»Sir, wir entschuldigen uns für alle Unannehmlichkeiten, die Ihnen der Polizeieinsatz auf Ihrem Grundstück bereitet hat. Es war nur zu Ihrem Besten. Schäden, die durch polizeiliche Mittel während unseres Einsatzes entstanden sind, werden Ihnen selbstverständlich von städtischer Seite ersetzt.« Er reichte dem Alten eine Visitenkarte. »Melden Sie sich morgen bei dieser Nummer, dann kommt ein Gutachter und bewertet den Schaden.«
»Na, wenigstens etwas!« Der Unsympath schnappte sich die Karte, wandte sich um und stampfte zurück ins Haus. »Und jetzt raus aus meinem Garten!«
Er knallte die Tür hinter sich zu und machte so unmissverständlich klar, dass er die drei nicht durch seine Wohnung zur Straße laufen lassen würde, sondern sie wieder über die Dächer klettern mussten.
»Hey Thad«, sagte Gabriel in betont heiterem Plauderton in sein Smartphone. »Der Einsatz ist beendet. Wir haben den Wiedergänger erledigt. Trotz Einmischung eines übereifrigen Anwohners, der uns alle verklagen will, weil er das Biest nicht selbst erledigen durfte. … Ja, natürlich will er auch Schadenersatz. Ein paar Spritzer Auraglue haben ein Fleckchen seines heiligen Rasens versengt. Davon sieht man morgen zwar vermutlich nichts mehr, aber hey, hier waren schließlich böse Totenbändiger am Werk. Vermutlich wächst da jetzt bis zum Sankt Nimmerleinstag nichts mehr.«
Zynismus triefte aus seiner Stimme. Einen Moment lang hörte er zu, dann verzog sich sein Gesicht zu einem ironischen Lächeln. »Ja, so was in die Richtung hätte ich gerade auch am liebsten mit ihm gemacht, aber du kennst doch Connor. Er ist unser Heiliger und fand den Einsatz von Gewalt gegen diesen Vollidioten leider ein No-Go.«
Er grinste unverschämt zu Connor hinüber, der jedoch bloß mit den Augen rollte und die Silberbox mit dem gefangenen Geist einsammelte.
»Yep. … Okay. … Kannst du für uns klären, ob der Geist ins Verließ geht oder eingeschmolzen werden soll? Ich hab keine Lust auf ewige Bürokratie, wenn wir mit dem Biest am Tower ankommen. … Danke. … Sollen wir vorher noch zur Finsbury Park Station? Können die Spuks dort noch Unterstützung gebrauchen?«
»Und da sagt er, ich bin hier der Heilige«, murmelte Connor und schlang sich den Rucksack über die Schulter.
Sky grinste und gab ihm einen Kuss. »Sagen wir mal so: Ich weiß, warum ich euch beide so unglaublich liebe. Jeden auf seine ganz eigene Art.«
Kapitel 5
Die Ravencourt Comprehensive School war ein typischer Schulkomplex aus mehreren Gebäuden, Schulhof, Parkplatz und angrenzendem Sportplatz. Irgendwann vor nicht allzu langer Zeit waren die Gebäude saniert worden und wirkten mit ihrem frischen Anstrich und den großen Fenstern hell und einladend. Auf dem Schulhof fanden sich die typischen Bänke und Picknicktische, ein paar Tischtennisplatten sowie ein Basketballfeld. Entlang des Eisenzauns, der das komplette Schulgelände schützte, standen alte Ahornbäume und Magnesiumlaternen. Unterricht fand zwar nur bei Tageslicht statt, doch man musste Gebäude wie Schulen und Kindergärten besonders absichern, damit sich nachts keine Seelenlosen einschlichen, die dann bei Tag in dunklen Ecken auf Schüler oder Lehrer lauern konnten.
Es war noch eine gute halbe Stunde bis zum Unterrichtsbeginn, als Cam mit Ella und Jules durch das Tor trat, trotzdem waren schon etliche ihrer Mitschüler auf dem Hof – und sie nahmen die Neuen gleich ins Visier.
Neugierig. Abschätzend. Misstrauisch.
Und mit jeder Menge Getuschel.
Cam spürte ihre Blicke wie Nadelstiche und widerstand nur mühsam dem Drang, an seiner Krawatte zu zerren, weil das blöde Ding ihm mehr und mehr die Luft abzuschnüren schien.
Bescheuerte Schuluniform.
Er verstand zwar deren Sinn – niemand sollte sich durch seine Kleidung hervortun und andere niedermachen können, die sich keine teuren Marken leisten konnten. Außerdem sollte einheitliche Kleidung das Gemeinschaftsgefühl und die Identifikation mit der Schule und den Mitschülern bestärken. Doch nicht jeder Mensch war ein Rudeltier und Cam war sich sicher, dass ihm dieser verfluchte erste Schultag deutlich leichter gefallen wäre, wenn er Klamotten hätte tragen dürfen, in denen er sich wohlfühlte und die ihm vertraut waren.
Er sah zu Ella, die neben ihm lief.
Normalerweise trug sie Leggins oder enge Jeans mit irgendeinem Pulli in Oversize oder Shirts im Lagenlook. Die meisten ihrer Klamotten nähte sie selbst aus ausgefallenen Stoffen, die sie auf den Märkten in ganz London auftrieb, oder sie kaufte Sachen in Secondhandläden und nähte sie um. Sie jetzt in einem schlichten Schulrock mit blaugrünem Schottenmuster, weißer Bluse, hellgrauem Pullunder und blauem Blazer zu sehen, war – schräg.
Aber seltsamerweise nicht schlecht schräg.
Im Gegenteil.
Trotz blaugrünen Haaren und schwarzen Linien an der Schläfe sah Ella so aus, als würde sie hierher passen. In ihrem Gesicht stand Vorfreude in Großbuchstaben und Fettdruck. Gleichzeitig begegnete sie den misstrauischen Blicken ihrer Mitschüler mit einem entwaffnenden Lächeln und winkte ihnen unbekümmert zu – und einige lächelten tatsächlich zurück.
Cam war beeindruckt. Und wieder einmal wurde ihm klar, warum Ella als der fröhliche Sonnenschein ihrer Familie galt. Bei ihm sorgten die ganzen Blicke nur dafür, dass die verdammte Unruhe, die er eigentlich ganz gut im Griff gehabt hatte, wieder schlimmer wurde, und er zerrte jetzt doch an der Krawatte, bevor das verdammte Ding ihn strangulieren konnte.
Die Uniform der Jungen bestand aus dunkelgrauen Chinos, weißem Hemd mit blaugrüner, extrem nervender Schottenmusterkrawatte, hellgrauem Pullunder und blauem Sakko. Auf dessen linker Brusttasche war – genau wie bei den Blazern der Mädchen – das Schulwappen aufgenäht: zwei Raben, die auf den Türflügeln eines eisernen Tores saßen. Damit war das Wappen ein exaktes Abbild des riesigen Eingangstores, das auf das Schulgelände führte.
Cam fühlte sich in der Uniform völlig verkleidet, auch wenn Sue und Granny beim Frühstück absolut verzückt gewesen waren und ihnen zig Mal versichert hatten, wie toll sie darin aussahen. Aber die beiden hatten ihnen diesen ganzen Schulmist ja auch maßgeblich eingebrockt. Klar, dass sie da etwas Nettes zu diesen blöden Uniformen sagen mussten.
Sehnsüchtig dachte Cam daran, wie sein Unterricht bisher ausgesehen hatte. Nur er, Ella und Jules zusammen mit Granny im Schulzimmer ihrer alten Stadtvilla, die seit vier Generationen das Zuhause von Phils Familie war. Granny hatte früher mal als Lehrerin an einer Schule in Kensington gearbeitet, ihren Job aber aufgegeben, um erst Gabriel und Sky, später dann auch ihn, Jules und Ella zu Hause zu unterrichten.
Eigentlich hätten sie auch in der Akademie der Totenbändiger zur Schule gehen können, doch Sue mochte die Akademie nicht – milde ausgedrückt. Sie war dort aufgewachsen, sprach aber nicht gerne darüber. Cam wusste nur, dass Sue die Mentalität und radikalen Erziehungsmethoden dort verabscheut und sich von der Akademie abgewandt hatte, sobald sie achtzehn gewesen war. Außerdem hatte sie verhindert, dass Gabriel, Ella und er selbst dort aufwachsen mussten.
Sue arbeitete als Klinikwächterin in einem Krankenhaus in Islington und bändigte die Geister der Opfer von Unfällen oder Gewaltverbrechen, wenn diese starben. Jede Klinik beschäftigte ein Team von Totenbändigern, die Patienten