Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel. Nadine Erdmann

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Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel - Nadine Erdmann Die Totenbändiger - Die gesamte Staffel

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Wächter sich um Babys, die als Totenbändiger zur Welt kamen. Da solche Kinder in normalen Familien aus Angst vor der sozialen Ächtung nicht willkommen waren, ließen die Eltern diese Babys in den Kliniken zurück. Die Wächter brachten sie dann in die Akademie, wo sie von Totenbändigern aufgezogen wurden.

      Manchmal nahmen Klinikwächter die Babys aber auch zu sich und gaben ihnen in ihren Familien ein Zuhause. So wie Sue. Als Gabriel und Ella in ihrer Klinik zur Welt gekommen und von ihren leiblichen Eltern verstoßen worden waren, hatte Sue es nicht übers Herz gebracht, sie in die Akademie zu bringen. Keiner der beiden sollte dort aufwachsen müssen – und keins ihrer Kinder sollte dort zur Schule gehen. Deshalb hatte Granny den normalen Schulunterricht übernommen, während Sue ihnen beibrachte, ihre Kräfte zu beherrschen und richtig einzusetzen.

      Beide waren ziemlich strenge Lehrerinnen gewesen. Es hatte Leistungspläne gegeben, die absolut verbindlich waren, und Cam, Jules und Ella hatten immer wieder staatlich festgelegte Onlineprüfungen ablegen müssen, mit denen der Leistungsstand aller Homeschooling-Schüler offiziell überprüft wurde.

      Trotzdem war es nie ein Problem gewesen, wenn Cam für manche Aufgaben länger gebraucht hatte als Jules oder Ella. Oder wenn er sie nur in Etappen erledigen konnte. An Tagen, an denen die Unruhe zu schlimm war, fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Granny hatte ihn dann zwischendurch andere Dinge machen lassen, wie sich im Garten um die Beete zu kümmern, Blätter zu fegen oder Gemüse fürs Abendessen vorzubereiten, bevor er sich wieder mit Matheformeln oder französischer Grammatik herumschlagen musste.

      Das hatte prima funktioniert. In den Onlineprüfungen war er fast genauso gut gewesen wie Jules und Ella.

      Aber jetzt gab es solche Sonderbehandlungen nicht mehr und er musste mit dem Unterricht in einer Regelschule klarkommen. Und mit jeder Menge fremder Leute. Vermutlich war das einer der Gründe, warum die ätzende Unruhe ihn heute wieder so rappelig machte.

      Als vor zwei Monaten klargewesen war, dass sie nach den Sommerferien zur Schule gehen durften, hatte Phil angeboten, ihm ein Medikament zu geben, das ruhiger machte und half, dass er sich besser konzentrieren konnte. Aber Cam hatte abgelehnt. Vor ein paar Jahren hatte er schon einmal so ein Mittel ausprobiert, doch das hatte er nicht vertragen. Wenn man mit Übelkeit und migräneartigen Kopfschmerzen im Bett lag, war das kein guter Tausch für ein bisschen inneren Frieden, der sich zu allem Übel auch noch eher wie bleierne Müdigkeit angefühlt hatte. Auch wenn Phil ihm versichert hatte, dass es noch andere Medikamente gab mit Wirkstoffen, die seinem Körper vielleicht nicht so sehr zu schaffen machen würden, war Cam nicht scharf auf eine Wiederholung dieses Experiments gewesen. Er kam sich ohnehin schon oft genug wie ein Freak vor, da musste er nicht auch noch irgendwelche Pillen schlucken, die ihn noch mehr zu einem machten.

      Jules zog die Tür zum Verwaltungstrakt auf. Dahinter lag ein kurzer Flur, von dem links das Sekretariat sowie das Büro der Direktorin und das Krankenzimmer der Schule abgingen. Rechts führte ein weiterer Gang tiefer ins Gebäude und ein Hinweisschild verriet, dass man dort Lehrerzimmer, Abteilungsleitungen, Stundenplanbüro, Hausmeister, Kopierraum und die Besprechungszimmer 1 bis 3 fand.

      Die Tür zum Sekretariat stand einladend offen. Hinter einer Theke sortierte eine ältere Frau einen Stapel Kopien, sah aber sofort auf, als die drei eintraten.

      »Hallo, da seid ihr ja! Na, schon aufgeregt?«

      Sie kannten Ms Margret schon von ihrer Anmeldung. Genau wie Direktorin Carroll hatte sie keinerlei Vorbehalte gegen Totenbändiger an ihrer Schule und brachte ihren neuen Schülern von Anfang an das Gefühl entgegen, an der Ravencourt willkommen zu sein.

      »Ja, ein bisschen«, gestand Ella ehrlich wie immer. »Aber vor allen Dingen freuen wir uns, dass es endlich losgeht.«

      »Das ist die richtige Einstellung.« Ms Margret zwinkerte ihr gutgelaunt zu und reichte dann jedem einen kleinen Papierstapel über den Tresen. »Das hier sind eure Schülerausweise, Spindnummern, ein Lageplan der Schule, die Brandschutzverordnung und eine Kopie der Schulordnung. Die lest ihr bitte bis zum Ende des Schultags durch und gebt sie mir dann unterschrieben zurück. Außerdem habt ihr hier noch eine Liste mit allen Workshops, AGs und Clubs, die in diesem Semester angeboten werden. Eins dieser Angebote müsst ihr euch als Wahlpflichtveranstaltung aussuchen. Eure Stundenpläne bekommt ihr gleich von Direktorin Carroll. Sie möchte noch kurz mit euch sprechen, bevor es losgeht.«

      Während Cam noch den Zettelwust sortierte, fragte Jules: »Ich würde gerne in die Basketball-AG, wenn das okay ist?«

      »Und ich in die Kunstwerkstatt?«, schob Ella gleich hinterher.

      »Sicher. Natürlich. Ich trage euch gleich ein.« Ms Margret wirkte erfreut, dass die beiden sich offensichtlich schon auf der Homepage über das Angebot schlaugemacht und etwas gefunden hatten, das sie interessierte.

      Sie blickte zu Cam. »Was ist mit dir? Weißt du auch schon, in welchen Wahlpflichtkurs du gehen möchtest?«

      Cam zog die Liste aus dem Zettelberg. Seine Finger waren eiskalt und seine Hände zitterten.

      Verdammte Unruhe.

      An die zwanzig Kurse standen auf der Liste und er überflog die Einträge.

      Basketball, Fußball, Leichtathletik, Kunstwerkstatt, Schach, Chor, Tanz, Theater, Computer, Naturwissenschaften, Ernährungslehre, Erste Hilfe …

      Sein Herz pochte zu schnell und die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen. Rasch blinzelte er ein paar Mal und zwang sich, tief durchzuatmen.

      Mann, krieg das in den Griff! Es ist nur irgendein blöder Extrakurs!

      »Keine Sorge«, hörte er Ms Margrets Stimme durch das Rauschen in seinen Ohren. »Du musst das nicht jetzt sofort entscheiden. Schau dir die Liste ganz in Ruhe in der Mittagspause an. Und wenn du Fragen hast – die Namen der Ansprechpartner stehen neben den Kursen. Innerhalb der ersten beiden Wochen des Schuljahres darfst du auch in mehrere Kurse reinschnuppern, bevor du dich endgültig entscheiden musst. Sag mir einfach heute nach der Schule Bescheid, was dich interessiert.«

      »Danke, das mache ich.« Cam war froh, dass er einen Aufschub bekam, und dass sich seine Stimme nicht so gepresst anhörte, wie sein Inneres sich gerade anfühlte. Er schaffte sogar ein kleines Lächeln, als er den ganzen Papierkram in seinen Rucksack stopfte.

      »Prima. Dann meldet euch jetzt bei Direktorin Carroll.« Ms Margret deutete auf die Tür zum Büro der Schulleiterin. »Klopft einfach an. Sie erwartet euch schon.«

      Direktorin Carroll war eine wohlbeleibte Afrobritin Ende fünfzig, und wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten die drei Hunts schon vor Jahren an ihre Schule kommen dürfen. Doch der Stadtrat hatte den Modellversuch immer wieder abgelehnt und auch im Kollegium sowie bei Schülern und Eltern hatte erst einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden müssen. Jetzt war Carroll jedoch ihre Zufriedenheit darüber, dass endlich alles geregelt war und ihre Schule ein längst überfälliges Zeichen für ein gemeinsames Miteinander und eine neue Form von Offenheit setzen konnte, deutlich anzusehen.

      Cam, Jules und Ella kannten die Direktorin schon von verschiedenen Gesprächen, die sie im Vorfeld geführt hatten, und Cam fand sie ganz okay. Sie schien ihre Unterstützung ernst zu meinen und ihr Lächeln wirkte immer echt. Auch jetzt, als sie die drei in ihrem Büro ganz offiziell als Schüler der Ravencourt Comprehensive willkommen hieß.

      »Ich freue mich, dass ihr endlich hier sein dürft, und ich hoffe, dass ihr euch bei uns wohlfühlen werdet.« Sie reichte ihnen ihre Stundenpläne. »Um euch den Einstieg zu erleichtern, haben wir euch dieselben

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