Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel. Nadine Erdmann
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Читать онлайн книгу Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel - Nadine Erdmann страница 19
Doch Jules übernahm das für ihn und schenkte seiner aufgebrachten Mitschülerin ein gewinnendes Lächeln. »Hi, ich bin Julien, aber eigentlich nennen mich alle Jules. Wie heißt du?«
Einen Moment lang war sie von dieser direkten Art sichtlich überrumpelt, dann antwortete sie: »Larissa.«
»Hallo Larissa, schön, dich kennenzulernen.« Jules ging ein paar Schritte auf sie zu, wobei der komplette Kurs ihn nicht aus den Augen ließ. »Warum möchtest du nicht, dass wir neben dir sitzen? Hast du Angst vor uns?«
Bei seiner Annäherung war Larissa tatsächlich zurückgewichen, hielt jetzt aber inne und musterte erst ihn, dann Ella und Cam abschätzend.
»Na ja, klar. Ihr könnt schließlich töten«, sagte sie dann patzig. »Einfach so. Durch Handauflegen. Oder nicht?«
Jules nickte langsam. »Es ist nicht ganz so einfach, aber ja, im Prinzip schon.« Er deutete auf ihr Federmäppchen. »Aber töten kannst du auch. Ich wette, du hast da einen Bleistift drin. Wenn du den jemandem hier im Kurs ins Auge rammst, könntest du ihn damit genauso schnell töten wie ich.«
Larissa bedachte ihn mit einem ironischen Blick. »Ja, sicher.« Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust. »Aber warum sollte ich das tun? Ich bin ja kein durchgeknallter Freak.«
Die Provokation in ihrem Tonfall war nicht zu überhören und Cams Hand krallte sich um den Schulterriemen seines Rucksacks.
Jules dagegen blieb völlig gelassen und hob bloß die Schultern. »Das sind wir auch nicht. Unsere Kräfte machen uns nicht zu unberechenbaren Monstern. Sollte ein Totenbändiger wirklich jemanden töten wollen, muss er sich dazu entscheiden und seine Kräfte gezielt einsetzen. Genauso wie andere Menschen sich auch dazu entscheiden und eine Waffe einsetzen müssen, wenn sie jemanden töten wollen. Es sei denn, sie erwürgen ihr Opfer im Affekt mit bloßen Händen. In dem Fall sind eure Hände genauso gefährlich wie unsere.« Er schenkte Larissa ein vielsagendes Grinsen.
Die wirkte noch immer skeptisch. Doch dann zuckte sie mit den Schultern, und als sie Jules erneut musterte, lag in ihrem Blick deutlich mehr Interesse als Misstrauen.
»Okay. Kapiert.«
Ella trat an einen der leeren Plätze, legte ihren Rucksack ab und wandte sich zu ihrer Klasse um. »Ehrlich Leute, wir sind nicht gefährlicher als ihr. Und wir haben uns nicht ausgesucht, das zu sein, was wir sind. Aber genau wie jeder andere Mensch können wir uns entscheiden, die Besten zu sein, die in uns stecken. Und im Moment freuen wir uns einfach nur darüber, hier zu sein, euch kennenzulernen und hoffentlich ein paar Freunde zu finden.«
Sie lächelte in die Runde und Cam sah, dass ihre Ehrlichkeit und Direktheit bei vielen gut ankamen und sich die leicht angespannte Atmosphäre, die bisher im Raum geherrscht hatte, deutlich entspannte.
Jules streckte Larissa seine Hand entgegen. »Also, vertraust du mir?«
Sie zögerte. »Keine Ahnung.« Dann lächelte sie jedoch und legte ihre Hand in seine. »Aber ich lasse es einfach mal darauf ankommen.«
Kapitel 6
Gähnend schlurfte Gabriel mit Sky, Connor und einem lebensrettenden Kaffee den Branch Hill entlang zum Eingang des Golders Hill Parks. Es war halb elf am Vormittag und nach der Nachtschicht mit dem Erledigen eines Wiedergängers und anschließender Geisterjagd an der Finsbury Park Station hatten sie kaum Schlaf bekommen und es war eigentlich noch viel zu früh für einen neuen Einsatz.
Nein, nicht eigentlich.
Definitiv.
Da half auch Grannys extra starke Kaffee nicht viel.
Aber London war ein teures Pflaster und die Überstunden brachten gutes Geld. Daher hatten er, Connor und Sky sich bereiterklärt, den Beobachtungen einiger besorgter Mitbürger nachzugehen, die gemeldet hatten, dass seit einigen Wochen mehr Geister als üblich in der Dämmerung in und aus dem Park strömten.
Geister hassten Tageslicht und sobald der Morgen graute suchten sie Orte auf, die dunkle Verstecke boten. Da in der Stadt aber viele Gebäude mit Eisen geschützt wurden, blieben den Seelenlosen oft nur die Parks, um sich in Erdlöchern, leeren Tierbauten, hohlen Bäumen und ähnlichem zu verkriechen. Tagsüber waren Parks ungefährlich, außer es wurde im Winter nicht richtig hell oder es herrschten Nebeltage. Dann war es ratsamer, die Grünanlagen zu meiden. Genauso wie abends, wenn es dämmerte und die Geister aus ihren Verstecken in belebtere Gebiete zogen, um sich Lebensenergie zu beschaffen. Oder morgens, wenn sie in ihre sicheren Unterschlupfe zurückkehrten.
Aus diesem Grund waren die Straßenzüge rund um die Londoner Parks keine allzu beliebten Wohngegenden und Häuser standen dort häufig lange leer, bis sich Mieter oder Käufer fanden. Oft waren dies auch die einzigen Häuser, in denen Totenbändiger ohne größere Probleme ein Zuhause fanden. Makler und Vermieter waren froh, wenn sie die Objekte loswurden, und in diesen Nachbarschaften stand man Totenbändigern meist weniger feindlich gesinnt gegenüber als in den sogenannten anständigen Vierteln, in denen gruselige Freaks nicht willkommen waren.
Sky hatte eine Karte der Stadtverwaltung auf ihrem Smartphone aufgerufen und führte ihre Truppe zügig an. Im Gegensatz zu Gabriel und Connor war sie ein Morgenmensch und genoss es, mal eine Tagesschicht zu haben und den Vormittag in wunderschönem Sonnenschein zu verbringen, der in den Blättern der Baumwipfel spielte.
»Okay. Der nächste Lüftungsschacht müsste direkt hinter dem Parkeingang liegen. Dann gibt es noch einen Wartungszugang und zwei weitere Lüftungsschächte bis zum nördlichen Ende von Golders Hill. Aber dass mit denen irgendwas nicht stimmt, glaube ich eigentlich nicht. Dann hätten die Anwohner am Nordrand des Parks über mehr Geister geklagt. Das Problem scheint eher hier im Süden zu liegen.«
Eine mögliche Ursache für das erhöhte Geisteraufkommen konnte mit der U-Bahn zusammenhängen. Ein Teilstück der Northern Line verlief von der Station in Hampstead Richtung Norden unter dem Park entlang nach Golders Green. Weil der Untergrund ein Verlorener Ort war, waren beide Stationen versiegelt worden, ebenso wie alle Luftschächte und Wartungszugänge. Doch da diese an anderen Orten in London in den letzten Monaten immer wieder aufgebrochen worden waren, lag die Vermutung nahe, dass rücksichtslose Adrenalinjunkies auch hier im Park unterwegs gewesen waren.
Es kam hin und wieder allerdings auch vor, dass Versiegelungen schlichtweg marode wurden. Eisen rostete, wurde brüchig und durchlässig, besonders in der feuchten Umgebung eines Parks.
»Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn die Geistersichtungen im Norden passiert wären. Dann wären die Spuks aus Barnet dafür zuständig und wir hätten ausschlafen können«, grummelte Connor in seinen extra großen Kaffeebecher mit düsterem Totenkopfdesign, den Ella ihm zum Geburtstag bemalt hatte. Connor war nur unwesentlich wacher als Gabriel, aber zumindest schon bereit für Kommunikation, die aus mehr als Grunzlauten bestand.
Sky überging jegliches männliche Gejammer. Sie kannte ihre Jungs nicht anders als morgenmuffelig. So topfit, hellwach und allzeit bereit sie bei nächtlichen Einsätzen immer waren – vor zwölf Uhr mittags sollte man besser keine Glanzleistungen von ihnen erwarten.
»Wenn ich recht habe und es daran liegt, dass sie