Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel. Nadine Erdmann

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Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel - Nadine Erdmann Die Totenbändiger - Die gesamte Staffel

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musste das Silber echt sein. Da man als Totenbändiger nicht auf Silber zum Schutz vor Geistern und Wiedergängern angewiesen war, spielte das Material für sie keine besonders große Rolle.

      Für unbegabte Menschen aber schon.

      Bei einem Pfandleiher ließ sich für die kleine Walnusshälfte daher bestimmt ein bisschen was bekommen.

      Jaz steckte den Briefbeschwerer ein.

      Stehlen war nicht okay. Aber sie gegen ihren Willen nach Newfield zu verfrachten auch nicht, daher entschied sie, dass das hier eine dieser berühmten Grauzonen war, mit denen man eben leben musste.

      Sie eilte weiter. Das Studierzimmer war nicht abgeschlossen. Rasch schlüpfte sie in den kleinen Raum und zog die Tür hinter sich zu. In alten Regalen stapelten sich aussortierte Bücher, in einer der Ecken standen zwei Lesesessel mit verschlissenen Polstern, in einer anderen lagen eingerollte Landkarten, die selbst vor dem letzten Jahrtausendwechsel schon lange nicht mehr aktuell gewesen waren. Vor dem Fenster stand ein altes Schreibtischungetüm und an der Wand daneben stapelten sich ungenutzte Stühle. Das Studierzimmer war eher eine Rumpelkammer, was wohl erklärte, warum niemand es benutzte.

      Jaz hatte es hier trotzdem immer gemocht. Und die Lesesessel waren echt bequem. Doch in denen würde sie nie wieder sitzen.

      Sie kletterte auf den Schreibtisch und öffnete das Fenster. Wildes Buschwerk, das bis an die Fensterbank heran wucherte, empfing sie. Die Nordseite der Akademie grenzte direkt an den Wald des Richmond Parks und bis zur Grundstücksmauer waren es keine zehn Meter. Da lohnte sich Gartenpflege nicht und alles durfte so wachsen, wie es wollte. Jaz sprang aus dem Fenster und zog es so gut sie konnte hinter sich zu. Dann zwängte sie sich durch die Sträucher an der Hauswand entlang. Ihr Zimmer lag gute zwanzig Meter entfernt.

      Es dauerte nicht lange, bis sie Boots und Rucksack gefunden und in Windeseile die Schuluniform gegen ihre eigenen Klamotten getauscht hatte. Wenn sie sich quer durch den Wald zur Hauptstraße durchschlagen wollte, ging das nicht in Rock und Ballerinas. Außerdem war die Uniform viel zu auffällig.

      Sie versteckte Rock, Blazer und Bluse unter den Sträuchern, packte einen Collegeblock, ihr Federmäppchen und das bisschen, was sie an Proviant in ihrem Zimmer gehabt hatte, von ihrer Schultasche in ihren Rucksack und legte die Tasche mit zur Uniform.

      Bloß keinen unnützen Kram mitschleppen.

      Vorsichtig blickte sie zu den Fenstern.

      Niemand war zu sehen.

      Das Mittagessen dauerte noch an und die meisten hielten sich mit Sicherheit gerade im Speisesaal auf.

      Jaz wandte sich um.

      Jenseits der Sträucher ragte die Grundstücksmauer in die Höhe. Gute drei Meter hoch. Plus Eisenstreben auf ihrer Spitze.

      Zu hoch zum Drüberklettern.

      Aber es gab ein altes Eisentor, das in den Wald führte. Vor Ewigkeiten hatte es dazu gedient, Feuerholz und erlegtes Wild aufs Grundstück zu bringen, ohne dass man sich erst mühsam und zeitaufwendig um das halbe Anwesen herum zum Haupttor begeben musste. Mittlerweile wurde das Tor nicht mehr genutzt und der Weg, der einmal hingeführt hatte, existierte schon lange nicht mehr.

      Bemüht, keine zu offensichtlichen Spuren zu hinterlassen, schob Jaz sich durchs Gestrüpp hin zur Mauer und folgte ihr, bis sie das Tor erreichte. Es bot erfreulich viele Schnörkel, die das Drüberklettern leicht machten. Leider war es aber auch ziemlich rostig. Zwei der Verzierungen brachen unter ihren Füßen ab. Doch Jaz war sportlich und schaffte es trotzdem auf die andere Seite. Sie sprang auf den Waldboden und schaute zurück zum Haus.

      Nichts regte sich.

      Ihr Herz klopfte freudig gegen ihre Rippen.

      Geschafft!

      Zumindest die erste, enorm wichtige Etappe.

      Als Nächstes musste sie so viel Abstand wie nur irgendwie möglich zwischen sich und die Akademie bringen – und dabei überlegen, wie zum Teufel es jetzt weitergehen sollte.

      Sie warf einen letzten Blick auf das Anwesen, dann wandte sie sich um und schlug sich in den Wald, fest entschlossen, niemals wieder hierher zurückzukommen.

      Das Glück blieb auf ihrer Seite. Als sie die Roehampton Lane erreichte, erwischte sie knapp noch einen der Busse, die zur Putney High Street fuhren. Dort stieg sie am Bahnhof aus und musste nur ein paar Minuten auf eine Bahn der South Western Railway Line warten, die sie zur Clapham Junction brachte. Hier gab es rund um den Bahnhof eine bunte Mischung aus Geschäften, Restaurants, Bars – und ein Internetcafé.

      Jaz bezahlte für eine Stunde und nahm dankbar den Becher Kaffee an, den es gratis dazu gab. Sie verkrümelte sich in eine ruhige Ecke vor einen der Monitore und suchte nach Pfandleihern und Juwelieren, die Silber ankauften. Mit einem Smartphone wäre die Sache einfacher gewesen, doch von solchen Luxusgütern konnten die Internen der Akademie nur träumen. Sie bekamen von der Schule Laptops für den Unterricht, die sie auch privat nutzen durften, das war alles. Wer ein Handy haben wollte, musste es sich mit seinen Verdiensten zusammensparen. Sarah hatte Jessica letztes Jahr ihr altes Smartphone zu einem äußerst fairen Preis abgekauft.

      Jaz dagegen hatte nur selten den Wunsch nach einem Handy verspürt. Den Großteil des Tages verbrachte sie in der Akademie bei Unterricht, Training oder Pflichten, und außerhalb der Akademie kannte sie niemandem, deshalb interessierten sie soziale Netzwerke nicht. Und wenn sie an den Wochenenden durch London streifte, war sie froh, dass niemand aus der Akademie sie erreichen konnte. Diese Zeit gehörte ihr ganz alleine.

      Natürlich wäre es da manchmal praktisch gewesen, sich Adressen oder Wege auf einem Smartphone anzeigen zu lassen. Aber sie besaß ein London A – Z, das funktionierte auch prima.

      Ihre Internetsuche zeigte ihr etliche Pfandleiher in den sozial schwächeren Stadtteilen und zig Juweliere in den Nobelvierteln. Jaz nippte an ihrem Kaffee und überlegte, welche Strategie die bessere war.

      Laut Internet verlangten Pfandleiher einen Besitzernachweis und man musste sich ausweisen, wenn man einen Gegenstand beleihen oder verkaufen wollte. Damit sollte vermieden werden, dass Diebesgut zu Geld gemacht werden konnte. Die Frage war allerdings, wie sehr Pfandleiher auf diese Regel achteten. Jaz konnte sich gut vorstellen, dass man in dem ein oder anderen Viertel drüber hinwegsah. Solange ein Kauf nicht zu offensichtlich Ärger bedeuten würde, war den meisten Händlern dort sicher egal, woher die angebotene Ware stammte. Allerdings würden sie sicher versuchen, den Preis entsprechend zu drücken.

      Juweliere zahlten vermutlich mehr. Die Reichen und Schönen ließen sich Schutzamulette und Silberschmuck einiges kosten. Doch ob angesehene Juweliere ein Geschäft mit einer Totenbändigerin machen würden, die einen Gegenstand ohne Nachweispapiere anbot, war mehr als fraglich. Um keine ungewollte Aufmerksamkeit zu erregen, waren die Pfandleiher daher wahrscheinlich die bessere Wahl.

      Jaz trank noch einen Schluck Kaffee, dann holte sie Block und Stift aus ihrem Rucksack und schrieb sich einige Adressen auf. Sie hätte sich auch eine Liste erstellen und ausdrucken lassen können, doch das hätte extra gekostet und sie musste ihr Geld zusammenhalten.

      Kurz vor Ablauf ihrer bezahlten

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