Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel. Nadine Erdmann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel - Nadine Erdmann страница 8

Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel - Nadine Erdmann Die Totenbändiger - Die gesamte Staffel

Скачать книгу

elf! Ich bin elf. Für jedes Jahr eine Sekunde. Das schaffe ich.«

      Wieder musste Sue lächeln. »Okay. Bis elf. Aber keine Sekunde länger. Wenn der kleine Mann morgen aufwacht, braucht er einen großen Bruder, der fit ist, klar?«

      Grinsend hob Gabriel den Daumen. »Glasklar.«

      Dann setzte er sich neben seinen neuen kleinen Bruder und legte eine Hand auf seine Stirn und eine auf sein Herz.

      Thaddeus sah noch einen Moment lang zu, wie Sue ihrem Ältesten Anweisungen gab, dann stand er auf und blickte zu Phil. »Ich muss zurück zum Tatort.«

      Phil nickte und begleitete seinen Freund zur Haustür. »Halte uns auf dem Laufenden.«

      »Natürlich. Ich komme wieder her, sobald ich kann.«

      Bevor Thad über die Türschwelle trat, drückte Phil ihm die Schulter. »Pass auf dich auf. Die Kinder waren noch viel zu klein, um die Geister von all diesen Toten bändigen zu können. Sei also vorsichtig. In diesem Herrenhaus muss es vor Geistern jetzt nur so wimmeln.«

      Thaddeus schüttelte den Kopf. »Nein.«

      »Wie, nein?«, hakte Phil stirnrunzelnd nach.

      »Ich habe keine Ahnung, warum, aber trotz all der Toten gab es am Tatort nicht einen einzigen Geist.«

      Dreizehn Jahre später

      1. September

      Ein Sonntagabend

      Camren Hunt starrte in den Spiegel und zwei dunkelblaue Augen starrten zurück – aus einem schmalen Gesicht mit bleicher Haut, umrahmt von einem schwarzen Haarschopf, der sich nie richtig bändigen ließ, völlig egal, was er damit anstellte. Manche Totenbändiger wurden mit krassen Haarfarben geboren. Sue hatte schneeweißes Haar, das sie an Sky und Jules weitervererbt hatte. Ellas Haare hatten einen blaugrünen Farbton. Gabriels dagegen waren einfach nur dunkelblond, doch er hatte einen Freund, dessen Haare zartrosa und himmelblau waren.

      Cam fuhr sich durch seinen eigenen struppigen Haarschopf und war froh, dass ihm so ein Farbwunder erspart geblieben war. Ella behauptete zwar steif und fest, dass seine Haare nicht einfach nur pechschwarz waren, sondern im Sonnenlicht einen mitternachtsblauen Schimmer hatten, doch ganz ehrlich, den hatte er noch nie gesehen.

      Aber solange seine Haare nicht rosa und hellblau waren, war ihm alles egal.

      Nur nicht auffallen.

      Er betrachtete sich prüfend.

      Er sah weder besonders gut noch schlecht aus.

      Normal halt.

      Durchschnittlich.

      Für seine geschätzten siebzehn Jahre war er eher klein und laut Granny zu dürr, doch das war okay. Besser, als ein muskelbepackter Riese mit rosablauen Haaren. Klein und dürr konnte man unsichtbar in der Menge untertauchen. Oder zumindest hätte er das gekonnt, wenn da nicht die schwarzen Linien an seiner linken Schläfe gewesen wären. Die machten es ihm unmöglich, morgen, an seinem ersten Schultag in einer öffentlichen Schule, unsichtbar zu bleiben.

      Bei jedem Totenbändiger zeichneten die Linien ein etwas anderes Muster und manche trugen sie rechts, andere links, doch immer gingen sie von der Schläfe aus und schlängelten sich hinunter bis zum Ohr.

      Sie zu verstecken, war strengstens verboten.

      Trotzdem gab es immer wieder Totenbändiger, die es taten. Auch wenn sich in den letzten Jahren in London einiges zum Besseren geändert hatte, gab es noch immer zu viel Ablehnung und dumme Vorurteile. Entgegen der Vorstellungen mancher ihrer Mitbürger ernährten Totenbändiger sich nämlich weder von der Energie der Toten noch von der der Lebenden. Sie brauchten die gleiche Nahrung wie alle anderen Menschen und für die mussten sie Geld verdienen. Genauso wie für die Miete, denn auch wenn Totenbändiger den Geistern und Wiedergängern nicht so schutzlos ausgeliefert waren wie der Rest der Bevölkerung, waren sie weder immun gegen sie noch unsterblich, was ein sicheres Zuhause äußerst erstrebenswert machte. Und dafür brauchte man einen Job. Doch es gab nur wenige Arbeitgeber, die Totenbändiger einstellten, deshalb blieb vielen oft keine andere Wahl, als ihre Zeichen zu verstecken, um Geld verdienen zu können.

      Cam hatte noch keine Ahnung, wie er später sein Leben finanzieren wollte. Aber er wusste definitiv, dass er sein Zeichen dafür nicht verstecken würde. Früher oder später flog es immer auf und die Strafe dafür waren bis zu sechs Wochen Gefängnis. In eine enge Zelle gesperrt zu werden, war schlimmer als zu hungern oder auf der Straße leben zu müssen. Allein die bloße Vorstellung, irgendwo eingesperrt zu sein, ließ ihm schon kalten Schweiß ausbrechen und es fühlte sich an, als würde irgendetwas seine Brust zusammenquetschen und ihn kaum atmen lassen.

      Seine Abneigung gegen geschlossene Räume war so schlimm, dass er selbst Nebeltage, an denen es zu gefährlich war, das Haus zu verlassen, nur schwer aushielt. Phil hatte ihm erklärt, dass seine Klaustrophobie vermutlich daher rührte, dass man ihn als kleines Kind in einer engen Kiste eingesperrt hatte. Irgendein Irrer hatte ihn und fünf andere Kinder gefangen gehalten und gequält, weil er Totenbändiger hasste. Gefasst worden war der Mistkerl leider nie.

      Cam schaute sich im Spiegel in die Augen und versuchte wie so oft, irgendeine Erinnerung an damals zu finden.

      Doch da war nichts.

      Selbst an die erste Zeit hier bei den Hunts konnte er sich kaum erinnern.

      Sue, Phil und Granny hatten ihm erzählt, dass er lange mit einer schweren Lungenentzündung krank gewesen war und schreckliche Angst gehabt hatte. Doch wovor er sich so sehr gefürchtet hatte, wusste Cam nicht. Selbst damals hatte er es nicht sagen können. Auch nicht, wenn er nachts schreiend aufgewacht war.

      Irgendwann waren diese Träume zum Glück seltener geworden und quälten ihn nur noch bei Nebel oder Vollmond. Und garantiert in jeder Unheiligen Nacht. Immer, wenn die Toten rastloser und gefährlicher waren als ohnehin schon, machte ihn das unruhig und das schien seine Albträume zu begünstigen. Er konnte sich noch immer nicht daran erinnern, was er träumte. Er wachte zwar nicht mehr schreiend auf, dafür aber meist nassgeschwitzt und mit solcher Todesangst, dass er in den ersten Momenten nach dem Aufwachen wie gelähmt war.

      Absolut ätzend.

      Vor allem, weil der Mist wieder deutlich schlimmer geworden war.

      Seit Beginn dieses verfluchten Unheiligen Jahres suchten die Albträume ihn wieder häufiger und ohne erkennbares Muster heim. Schlafen war die Hölle und die Schatten unter seinen Augen verrieten das ziemlich schonungslos.

      Auch die verdammte Unruhe, die er sonst nur in Unheiligen Nächten spürte, war in den letzten Monaten ein zu häufiger Begleiter, der sich oft nur durch drastische Maßnahmen abschütteln ließ.

      Aber hey, es hatte ja niemand behauptet, dass das Leben was für Weicheier war.

      Seufzend drehte Cam den Wasserhahn auf und klatschte sich ein paar Ladungen kaltes Wasser ins Gesicht. Mit nassen Fingern fuhr er sich durch die Haare, änderte damit an ihrer Strubbeligkeit allerdings rein

Скачать книгу