Reise durch Nordwestamerika. Alexander Mackenzie

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Reise durch Nordwestamerika - Alexander Mackenzie Paperback

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besitze nicht die Kenntnisse eines Naturforschers, und hätte ich sie mir auch erworben, so wäre mein Forscherdrang auf diesen Reisen sicher nicht befriedigt worden. Ich konnte mich nicht damit aufhalten, in der Erde zu graben, sondern musste mit schnellen Schritten weitereilen; ich konnte auch nicht unsere Route verlassen, um seltene und unbekannte Pflanzen zu sammeln; denn ich musste ängstlich darum bemüht sein, für den täglichen Proviant zu sorgen und die verschiedenen Gefahren zu Wasser und zu Lande zu bewältigen; ich musste auf unsere Eingeborenenführer ein wachsames Auge haben und vor uns feindseligen Stämmen auf der Hut sein. Dazu kam, dass ich mich um meine Gefährten kümmern und mit ihren Gefühlen und Ängsten fertig werden musste. Heute waren sie verärgert, und ich hatte die Aufgabe, sie zu besänftigen; morgen waren sie mutlos, und ich musste sie aufheitern. Die Anstrengungen zu Wasser waren ohne Ende und oft außerordentlich, und auf den Landmärschen konnten wir uns gegen die Strenge der Elemente nur mit dem behelfen, was wir auf unseren Schultern trugen – abgesehen davon, dass uns die Lasten, die wir zu schleppen hatten, das Fortkommen nur noch erschwerten.

      Wenn nun in meinen Tagebüchern wenig steht, was die Phantasie derer reizt, die sich gern in Erstaunen versetzen lassen, und was die Neugier jener befriedigt, die romantische Abenteuer suchen, so werden, wie ich mir schmeichle, diese Berichte doch das Interesse der Leser erregen und mir ihre Achtung erwerben – wenn sie bedenken, dass ich Gewässer erforschte, die vorher nur von den Kanus der Eingeborenen befahren wurden, dass ich Einöden durchstreifte, in die noch nie ein Europäer den Fuß setzte, dass ich Menschen traf, die kein Weißer zuvor zu Gesicht bekam, und dass ich den Zweck dieser Reisen allen denkbaren Gefahren und Schwierigkeiten zum Trotz erreicht habe.

      Ehe ich nun schließe, möchte ich dem Leser noch sagen, dass er hier nicht eine beschönigende Erzählung oder lebhafte Beschreibung erwarten darf: Ich wage nur den Anspruch auf den der Einfachheit und der Wahrheit gebührenden Beifall, und diesen Anspruch wird man mir hoffentlich erlauben. Ich beschrieb, was ich sah, nach den Eindrücken des Augenblicks, ohne Übertreibung und Prahlerei. Selten habe ich Mutmaßungen angestellt, und wo dies doch der Fall sein sollte, wird man sicher feststellen, dass ich ein gemäßigter Mann bin, der nicht zu hoch von sich denkt. Und wenn ich zuversichtlich war, geschah es nur in Situationen, die mich aufgrund meiner Lebenseinstellung und Erfahrungen dazu berechtigten.

      Wenn ich auch keinerlei literarischen Ruhm suche, so hoffe ich doch, dass man dieses Werk, mit all seinen Unvollkommenheiten, nicht für unwert findet, die Aufmerksamkeit des Geografen zu erwecken, und dass man es wegen der darin beschriebenen, bisher unerforschten Landesteile, die man jetzt als zum britischen Gebiet zugehörig betrachten kann, als einen zum Wohle meines Vaterlandes dargebrachten Tribut aufnehmen wird. (…)

      London, den 30. November 1801Alexander MacKenzie

      TAGEBUCH EINER REISE ANS EISMEER IM JAHRE 1789

      ERSTES KAPITEL

      Am 3. Juni 1789 brachen wir früh um 9 Uhr von Fort Chipewyan an der Südseite des Athabaska-Sees mit einem aus Birkenrinde gefertigten Kanu auf. Meine Mannschaft bestand aus vier Kanadiern, von denen zwei ihre Frauen dabei hatten, und einem Deutschen. Dazu begleiteten uns noch in zwei kleineren Kanus ein Indianer, der »English Chief« genannt wurde, mit seinen beiden Frauen und zwei junge Indianer, die wir als Dolmetscher und Jäger in unsere Dienste genommen hatten. Der English Chief war schon bei der Expedition dabei gewesen, die Samuel Hearne zum Coppermine River geführt hatte10, und galt seitdem als einer der wichtigsten Männer unter den Eingeborenen, die ihre Pelze nach Fort Churchill, einer Niederlassung an der Hudson Bay, brachten.

      In einem weiteren Kanu saß Laurent Le Roux, ein Clerk der Company. Er führte einen Teil der Lebensmittel für uns und die Jäger mit sich, ebenfalls unsere Kleidung, ein großes Sortiment an Geschenkartikeln für die Eingeborenen, auf die wir treffen würden, sowie Waffen und Munition zu unserer Verteidigung.

      Zunächst fuhren wir etwa 30 Meilen11 in nordwestlicher Richtung über den See, bis wir in einen Flussarm gelangten, den wir sieben Meilen nordwärts hinaufsteuerten. Gegen sieben Uhr am Abend gingen wir an Land und schlugen unsere Zelte auf. Die Kanus wurden aus dem Wasser genommen und sorgfältig abgedichtet12; in der Zwischenzeit erlegte einer unserer Jäger eine Gans und ein paar Enten.

      Am nächsten Tag paddelten wir schon um vier Uhr früh den Flussarm weiter hinauf, bis dieser sich im Peace River verlor. – Die Ufer dieses Flussarms sind ziemlich flach, und das dahinterliegende Land ist mit Birken, Fichten der verschiedensten Arten, Pappeln und Weiden bewachsen.

      Der Peace River ist ungefähr eine Meile breit und seine Strömung viel stärker als die des mit dem See in Verbindung stehenden Kanals, den wir vordem befahren hatten. Einige Meilen flussabwärts heißt er dann Slave River13. Nun ging unsere Fahrt zwischen vielen kleinen Inseln hindurch und über ungefährliche Stromschnellen hinweg, bis wir die Mündung des Dog River passierten. Abends landeten wir am östlichen Ufer des Slave River in der Nähe einiger großer Stromschnellen und entluden unsere Kanus. – An dieser Stelle ist der Fluss fast zwei Leagues14 breit.

      Am 5. legten wir morgens um drei Uhr ab, nachdem wir wegen der Stromschnellen unsere Kanus um einige Gepäckstücke erleichtert hatten. Wir konnten dieses Hindernis ohne weitere Schwierigkeiten hinter uns bringen, steuerten nun in einen kleinen Kanal hinein und kamen nach etwa einer halben Stunde zu einer Portage15. Bis auf das letzte Stück war dieser Weg sehr bequem, allerdings hatten wir wegen des noch nicht aufgetauten Eises am Ufer erhebliche Probleme, die Boote wieder auf den Fluss zu setzen und sie zu beladen. Schon nach sechs Meilen mussten wir bei der »Portage d’Embarras« (Portage der Schwierigkeiten) wieder an Land, da Treibholz den kleinen Kanal hier völlig anfüllte.

      Noch drei weitere Portagen, und wir gelangten wieder in den großen Fluss. Nach kurzer Fahrt mussten wir wegen einer Meile voller gefährlicher Stromschnellen über die Portage, die »Pelican« genannt wird16; der Landungsplatz ist hier sehr steil und liegt nah an einem Wasserfall. Die ganze Gesellschaft musste jetzt das Gepäck samt den Kanus über einen Berg tragen. Doch bevor wir die mühsame Besteigung begannen, wäre fast noch ein Unglück geschehen, denn eins der indianischen Kanus ging den Wasserfall hinunter und wurde vollständig in Stücke zerschlagen. Die Indianerin, die darin saß, konnte es zwar gerade noch rechtzeitig verlassen und dadurch ihr Leben retten, doch verlor sie so ihre gesamte geringe Habe.

      Nach diesem Zwischenfall ging es weiter Richtung Nordwesten. Schon bald erreichten wir die »Portage des Noyés« (Portage der Ertrunkenen) und waren gezwungen, wegen riesiger Stromschnellen den Fluss zu verlassen und diese schlecht begehbare, etwa 535 Schritt lange Wegstrecke zu benutzen. Sie hat diesen Namen erhalten, weil an dieser Stelle im Herbst 1786 fünf Männer im Fluss ertrunken sind; sie waren unter der Führung von Cuthbert Grant auf dem Weg zum Sklavensee. – Am Nachmittag lagerten wir auf einer felsigen Landspitze, und obwohl die Mannschaft sehr ermattet war, schafften die Jäger sieben Gänse, vier Enten und einen Biber herbei.

      Am nächsten Tag bauten wir schon früh am Abend unser Lager auf und warfen in einem kleinen Kanal unsere Netze aus. – Den größten Teil des Tages hatten wir starken Gegenwind gehabt, und es war so kalt geworden, dass selbst die Indianer ihre Pelzhandschuhe anzogen. –

      In den folgenden zwei Tagen kamen wir nur circa 13 Meilen vorwärts, denn heftiger Regen zwang uns immer wieder, an Land zu gehen und auszuladen, damit unsere Waren nicht nass würden.

      Erst am 9. wurde das Wetter wieder ruhiger, allerdings lag dicker Nebel über dem Wasser. Bei unserer Weiterfahrt in nordwestlicher Richtung bemerkten wir am rechten Ufer eine Öffnung; da wir sie für den Eingang in einen Flussarm hielten, steuerten wir hinein, doch lag dahinter ein kleiner See, sodass wir wenden mussten. Nach drei Meilen in Richtung Südwesten kamen wir am östlichen Ufer des Flusses an einen winzigen Arm, der sich in nördlicher Richtung dahinschlängelte. Wir folgten

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