Letzte Umarmung - Roland Benito-Krimi 3. Inger Gammelgaard Madsen
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Читать онлайн книгу Letzte Umarmung - Roland Benito-Krimi 3 - Inger Gammelgaard Madsen страница 12
Linda setzte ihre Drohung in die Tat um und machte Kaffee. Anita und Andreas stellten Becher und Teller auf den Couchtisch, wo sie in der Regel Tee und Kaffee tranken – und freitagabends, wenn das Wochenende vor der Tür stand, Bier.
Brian erwachte von dem Kaffeeduft, setzte sich hin und machte es sich mit einem Arm um Bittens Schultern und einer Hand auf ihrem Oberschenkel bequem. Das konnten die beiden am besten – bedient werden –, und das nervte sie langsam. Manchmal kam es ihr vor, als würde sie das meiste im Haushalt erledigen.
»Kaffee ist fertig!«, rief Linda und stellte die Thermoskanne auf den Tisch. Kurz darauf hörten sie die Tür im ersten Stock aufgehen und Bjørn kam die Treppe heruntergelaufen. Anita lächelte. Kaffee konnte ihn aus seiner Höhle locken. Und zwar deswegen, weil er durchgesetzt hatte, dass es der ökologische mit Fair-Trade-Siegel sein sollte. Bjørn war dabei, das zweite Jahr seines Biostudiums abzuschließen, daher war er die meiste Zeit des Tages in seinem Zimmer in seine Studien vertieft, wenn er nicht im Lesesaal der Biologie der Aarhuser Universität saß. Im Großen und Ganzen sahen sie ihn nur beim Essen und wenn er unten war, um seine häuslichen Pflichten zu erledigen. Er war ein ebenso großer Nerd wie Andreas, und die beiden waren es auch, die die intellektuellsten Gespräche führten, bei denen andere nicht mithalten konnten. Bjørn war ein großer Mann. Nicht in Bezug auf die Höhe, sondern auf die Breite. Sie war froh, dass sie nicht die Einzige war, die nicht ganz den korrekten Body Mass Index hatte. Er trug ein zerknittertes khaki und grün kariertes Fjällräven-Hemd, das teilweise aus seiner braunen Hose hing. Naturfarben. Er ließ sich schwer neben Bitten und Brian auf dem Sofa nieder und schien dankbar für die Pause zu sein. »Ich kauf nächstes Mal ein«, versprach er und nahm sich einen Keks. »War’s kalt draußen?« Ein Schimmer in seinen Augen forderte Bitten heraus.
»Lustige Frage für einen Biologen. Was zum Teufel glaubst du?«
Bjørn blinzelte ein paar Mal mit kleinen Augen unter buschigen Augenbrauen in einem rotwangigen Gesicht. Seine Haare waren ein Gewusel aus gekräuselten, hellblonden Locken. Er hatte es am schwersten, sich an diese zwei Neuen in der Familie zu gewöhnen, vielleicht weil er nicht so oft mit ihnen zusammen war.
»Wusstet ihr, dass die Polizei in der Umgebung unterwegs ist, um Zeugen zu finden? Die waren noch nicht hier, oder?«, beeilte er sich zu sagen.
Brian zuckte ein bisschen zusammen.
»Woher weißt du das?«, erkundigte sich Andreas in seiner ruhigen und besonnenen Art.
»Ich habe ihn vom Fenster aus gesehen. Es gibt echt keinen Zweifel daran, dass das ein Bulle ist, der von Hof zu Hof fährt.«
Die Kommune lag auf einem Hügel etwas höher als die Nachbarhöfe, sodass Bjørn von seinem Zimmer unterm Dach eine recht gute Aussicht über die Gegend hatte.
»Na und?« Bitten kaute auf einem Schokoladenkeks. »Warum sollte er herkommen, wenn wir so weit weg wohnen, dass wir unmöglich etwas sehen oder hören konnten? Du bist eigentlich der Einzige, der was bemerkt haben könnte.«
»Wenn es nicht dunkel gewesen wäre«, murmelte Bjørn.
»Ich hoffe wirklich, die finden etwas, dem sie nachgehen können. Es ist furchtbar, dass das passiert ist«, meinte Linda. Anita versuchte, Brian nicht anzusehen. Er hatte nur einen kranken Kommentar über Osteuropäer losgelassen, als sie beim Frühstück über das Thema gesprochen hatten. Als sie heute Morgen an der Straße entlang zur Bushaltestelle gelaufen war, hatte sie in den Hof geschielt, als sie daran vorbeigegangen war. Ihr war übel geworden und sie hatte innerlich gezittert. Bis zu den Knochen gefroren. Um den Garten herum war rot-weißes Absperrband. In dem weißen Feld stand Polizei, und die Tür zum Hauptgebäude war mit einem gelben Schild versiegelt. Im Seminar wurde nicht so viel über den Mord geredet, aber es fiel ihr schwer, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Das Ganze war zu nah gekommen. Es war letzte Nacht passiert, während sie nur ein paar Kilometer davon entfernt geschlafen hatten. Sie hätten bei ihnen einbrechen können. In der Zeitung stand, die Polizei vermute, der Hof sei längere Zeit beobachtet worden. Wenn das die Vorgehensweise war, hatten sie wohl schnell eingesehen, dass bei einem Haufen armer Studenten nichts zu holen war. Aber allein bei dem Gedanken, vielleicht von den Mördern überwacht worden zu sein, schauderte es sie.
»Die Leute können es doch echt mal lassen, damit anzugeben, dass sie Waffen haben«, fand Brian, legte ein Bein über die Armlehne des Sofas und trank einen Schluck Kaffee.
»Woher weißt du, dass sie Waffen haben?«, wollte Bitten wissen.
Brian richtete sich auf dem Sofa auf. »Es ist erst ein paar Tage her, dass er in der Zeitung war und damit geprotzt hat, dass er die Goldmedaille im Pistolenschießen gewonnen hat. So ein Idiot.« Höhnisch schüttelte er den Kopf.
»Das ist doch eine Sportart, was sollte daran verkehrt sein? Ich kann gut verstehen, dass er stolz ist«, widersprach Linda. Es war das erste Mal, dass sie Brian vorwurfsvoll ansah, obwohl Anita der Meinung war, dass es eine Menge anderer Gelegenheiten gegeben hatte, bei denen es berechtigter gewesen wäre.
»Trotzdem«, pflichtete Bitten ihrem Freund bei. »Das ist echt ziemlich dumm.« Sie schaute Linda vorwurfsvoll an.
»Es ist doch nicht sicher, dass das die Ursache ist. Raubüberfälle haben in der gesamten Menschheitsgeschichte stattgefunden«, beschwichtigte Andreas. Er griff immer diplomatisch ein, wenn ein Streit im Anzug war.
»Ach ja, bei deinen Wikingern ging es wild zu«, neckte Bjørn.
Sie forderten sich oft gegenseitig auf freundschaftlicher Ebene heraus – Geschichte gegen Biologie und umgekehrt. »Die haben geplündert, vergewaltigt und ihren Göttern geopfert.«
»Dein Tierreich ist da nicht besser. Die begnügen sich auch nicht immer damit, Fressen voneinander zu stehlen, die fressen sich, wenn sie hungrig genug sind.«
»Vergiss nicht, dass wir auch zum Tierreich gehören«, lächelte Bjørn und schnappte mit den Zähnen.
Linda lachte und schüttelte den Kopf. »Das weiß Andreas nur zu gut. Er faselt die ganze Zeit davon, dass er die Urzeit zurückhaben will, damals waren wir wohl eher Affen.«
Andreas sah sie ernst an. »Ja, und das meine ich auch so. Unsere Gehirne verkraften es überhaupt nicht, so zu leben, wie wir es tun. Teile des Gehirns haben sich seit damals nicht weiterentwickelt. Guckt