Letzte Umarmung - Roland Benito-Krimi 3. Inger Gammelgaard Madsen

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Letzte Umarmung - Roland Benito-Krimi 3 - Inger Gammelgaard Madsen Roland Benito

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die Finanzkrise beklagen. Dadurch hatten sie mehr Arbeit, aber viele andere hatten die Krise nicht überstanden. Kleine und mittelständische Unternehmen, denen die Bank plötzlich den Kredithahn zugedreht hatte, trotz des Finanzpakets der Regierung, das genau das hätte verhindern sollen. Und nun hatte es dem Tageblatt offenbar auch das Genick gebrochen. Anne Larsen war also nicht länger eine Plage. Er hatte sich tatsächlich schon gewundert, wo sie in der Mordnacht abgeblieben war. Normalerweise tauchte sie noch vor ihnen auf, als könnte sie Blut riechen. Das können Vampire ja. Über den Vergleich lächelte er grimmig. Erst kamen die Freude und die Erleichterung, dann ein anderes Gefühl. Ärger? Obwohl sie – milde ausgedrückt – scheißnervig gewesen war, hatten sie viele kreative Zusammenstöße gehabt, die von Zeit zu Zeit einen frischen Wind in die Ermittlungen und die Aufklärung gebracht hatten. Würde er sie vermissen? Er stand auf und zog sich eine Jacke an. Nein, natürlich nicht.

      Der Schnee lag hoch bis zum Fenster und verwandelte das Licht im Büro in ein weiches, gedämpftes Schimmern. Es war in Dänemark wirklich Winter geworden. Er fror schon, wenn er nur hinaussah, zog seinen Lammfellmantel und die Handschuhe an und schlang den Schal dreimal um den Hals. Ein Gespräch mit den Anwohnern konnte nicht länger aufgeschoben werden. Jemand musste ein Fahrzeug bemerkt haben, und so lange jemand sich noch gut erinnerte und eine nähere Beschreibung liefern konnte, die die Fahndung voranbrachte, könnte das helfen, die Täter zu erwischen. Das Fluchtauto wäre ein guter Anfang. Es würde ihn sicher auch ein bisschen aufmuntern, raus aufs Land zu kommen.

      5

      Der Mann vor der Tür sah nicht so aus, als gehörte er in diese kalte Klimazone. Er wirkte in dem weißen Schnee wie fehl am Platz, aber Gunda Hansen konnte leicht erkennen, dass es nicht einfach an einer Überdosis Solarium lag. Die südeuropäischen Züge waren deutlich. Er war nicht besonders groß, seine Haare waren fast schwarz, genauso wie die Augen, die Stimme war tief und Ehrfurcht gebietend, aber angenehm und akzentfrei.

      »Gunda Hansen?«

      »Ja.«

      Er zeigte seinen Ausweis. Um ihn entziffern zu können, musste sie ein wenig näher herangehen. Sie hatte ihre Brille nicht mitgenommen, als es an der Tür geklingelt hatte. Die eine Socke wurde nass, als sie auf die Treppe trat.

      »Kriminalkommissar Roland Benito. Darf ich einen Augenblick rein in die Wärme kommen?«, fragte er mit einem freundlichen, aber müden Lächeln und einem schnellen Blick auf ihre nasse Socke.

      »Wir haben nichts von dem gesehen oder gehört, was letzte Nacht passiert ist, daher ...« Sie wollte die Tür wieder schließen, aber der Kriminalkommissar schaffte es, die Hand dazwischen zu stecken und der Blick, den er ihr zuwarf, war nicht misszuverstehen.

      »Wir müssen mit allen Nachbarn sprechen; auch wenn sie nichts gesehen oder gehört haben. Ich fange nun bei Ihnen an, weil Sie der Straße am nächsten wohnen.«

      Gunda öffnete die Tür und warf einen schnellen Blick nach draußen, bevor sie wieder zumachte. Aber wie gewöhnlich war niemand zu sehen. Sie zog die Socken aus und steckte ihre kalten Füße in ein Paar Lammfell-Hausschuhe.

      »Ist Ihr Mann im Stall?«, erkundigte sich der Kriminalkommissar und zog Mantel, Handschuhe und Schal aus, als rechnete er damit, länger zu bleiben. Gunda setzte sich an den Küchentisch, auf dem noch die benutzten Tassen und Teller vom Frühstück standen. Der Käse roch streng, und zusammen mit dem Geruch nach Kühen, der aus der Waschküche kam, war das sicher nicht die Atmosphäre, die der Kommissar gewohnt war. Sie hatte keine Ahnung, wie es in einem Polizeirevier roch, aber Roland Benito schien das nicht zu stören. Dennoch legte er den Mantel über den Stuhl, statt ihn draußen in der Waschküche aufzuhängen. Er setzte sich ihr gegenüber und nahm dankend einen Kaffee an. Sie holte eine saubere Tasse aus dem Schrank und schenkte ihm ein.

      »Er kommt sicher bald rein, um seinen Vormittagskaffee zu trinken. Wie gesagt, wir haben heute Nacht nichts gehört.« Bevor sie fertig eingeschenkt hatte, knallte die Tür in der Waschküche und die Kälte drang in die Küche ein. Sie schauderte. Ob es bei Signe und Albert wohl auch kalt geworden war, als die Mörder letzte Nacht einbrachen? Wenn man schläft, merkt man das wohl nicht gleich. Sie füllte auch Thorkilds benutzte Tasse und stand auf, um mehr Weißbrot zu schneiden. Er war eine Weile in der Waschküche. Der Wasserhahn lief lange. Bestimmt hatte er das Auto im Hof nicht gehört oder gesehen und wusste nicht, dass sie hohen Besuch hatten. Als er den fremden, dunklen Mann in seiner Küche entdeckte, war er auch tatsächlich überrascht. Der Kriminalkommissar erhob sich höflich, reichte ihm die Hand und stellte sich vor. Thorkild erwiderte den Händedruck, und seine Grimasse sagte ihr, dass er es auch nicht mochte, die Polizei im Haus zu haben. Die Nachbarn würden reden, und es sollte ja nicht so werden wie auf dem Hof oben am Ende der Straße, wo die jungen Menschen in einer Kommune wohnten. Ein paar von ihnen kamen aus Kopenhagen, hatte sie gehört. Oft war ein Streifenwagen vorbeigekommen. Vielleicht waren sie es gewesen? Könnte einer von ihnen Albert getötet haben?

      Thorkild setzte sich, schmierte eine dicke Schicht Butter auf eine Scheibe Weißbrot und legte danach eine noch dickere Scheibe Käse darauf. Der Gast hatte mit der Entschuldigung, er habe gerade gegessen, dankend abgelehnt.

      »Sie haben also gestern Abend und Nacht nichts Ungewöhnliches gesehen oder gehört, wenn ich das richtig verstehe?« Der Kriminalkommissar schaute Thorkild an und trank einen Schluck Kaffee. Er schien auch etwas Belebendes zu brauchen. Bestimmt war er es, der heute Nacht ausgerückt war. Ella hatte irgendetwas von einem Kriminalkommissar erzählt, der sie brutal verhört hatte.

      »Ich glaube, Sie sollten mit denen oben in der Kommune reden, glaubst du nicht auch, Thorkild?«

      »Mit der Kommune! Warum das denn?«

      »Diese jungen Menschen halten sich doch nicht immer ans Gesetz. Die Polizei war schon mehrfach da oben.«

      Roland Benito wirkte nicht überrascht. »Ja, wir wissen ein bisschen was über die, und natürlich werden wir auch mit ihnen sprechen, aber gerade eilt es damit, ein Fahrzeug ausfindig zu machen. Sie haben keine parkenden Autos bemerkt?«

      »Aber falls es die da oben waren, dann sind die einfach zu Fuß gekommen und dann gibt’s auch kein Auto.« Sie war völlig überzeugt davon, Recht zu haben. Einige in diesem Haufen hatten Dreck am Stecken, obwohl ein paar von den Mädchen sehr nett wirkten. Eines von ihnen erinnerte sie sogar an sich selbst als junge Frau. Flowerpower. Make love, not war.

      »Es kann ein Auto sein, das hier längere Zeit gestanden hat.«

      Irgendwie lag ein verärgertes Denkt-jetzt-richtig-gut-nach in seinen Worten, und plötzlich schaute sie Thorkild an.

      »Wir haben nichts gesehen«, wiederholte er und durchbohrte sie mit seinem Blick.

      »Aber du hast doch gestern Abend dieses merkwürdige Auto auf der Straße stehen sehen? Erinnerst du dich nicht daran?« Sie beeilte sich, in die freundlichen braunen Augen des Kommissars zu schauen. Sie wusste genau, dass sich Thorkild am liebsten nicht in irgendetwas einmischen wollte, das mit der Polizei zu tun hatte, aber nun ging es ja um den Tod eines Nachbarn. Albert, klar, aber trotzdem. Es hätte auch sie treffen können, sie wohnten ja am dichtesten an der Straße und wären das nächstliegende Ziel gewesen, und zu Signe hatte sie immer ein gutes Verhältnis gehabt. Sie hatten sogar mehr gemeinsam, als sie es mit den anderen Nachbarinnen hatte. Aber das war nichts, worüber sie sprachen.

      »Inwiefern war es merkwürdig? Was war das für ein Auto?«

      »Das war schwer zu sehen«, antwortete Thorkild zurückhaltend.

      »Es war weiß, sagtest du«, half sie ihm auf die Sprünge.

      Thorkild

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