Letzte Umarmung - Roland Benito-Krimi 3. Inger Gammelgaard Madsen

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Letzte Umarmung - Roland Benito-Krimi 3 - Inger Gammelgaard Madsen Roland Benito

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etwas passiert sein könnte. Als ob die Kriminalität aufhören würde, wenn das Tageblatt nicht länger existierte.

      »Natürlich von der Sache mit dem Bauern, den sie totgeschlagen haben sollen. Das waren die nicht. Sagen sie. Und Adomas weiß, dass sie die Wahrheit sagen. Das sind seine besten Freunde, die kennen sich, seit sie Kinder waren, sind zusammen in die Schule gegangen, und ...«

      »Freunde! Ist mein Cousin kriminell?«

      »Nein, ist er nicht«, knurrte sie näselnd, »er hat eine gute Arbeit und verdient sein eigenes Geld. Er kann dafür bezahlen, hier zu wohnen, aber er konnte plötzlich nicht länger in dem Zimmer wohnen, das er gefunden hatte, der Vermieter ...«

      »Aber seine Freunde sind also kriminell!«

      »Nur ein paar. Aber was sollen sie auch sonst machen, wenn sie keine Arbeit finden? Sie sind ja völlig blank, weil sie all ihr Geld dafür gebraucht haben, hierher zu kommen. Sie haben das Auto gestohlen, aber das andere haben sie jedenfalls nicht getan. Ach, Ann, darf er nicht doch? Nur bis er eine andere Unterkunft findet.«

      »Nein, ich will wirklich nicht helfen, da kannst du Gift drauf nehmen. Ich fasse es nicht, dass du dich wieder in so einen Kram reinziehen lässt, Mama!« Sie nahm zwei Becher und schenkte ihnen beiden ein. »Trink das hier und werd’ nüchtern. Du kannst heute Nacht hier schlafen, aber wenn ich morgen Nachmittag von der Arbeit komme, bist du bitte zurück nach Nørrebro gefahren. Da fühlen sich deine Freunde garantiert auch wohler.«

      7

      Eine Schneelandschaft ist in der Regel geruchlos. Man kann nur den Frost in den Nasenlöchern spüren. Aber als er die Autotür öffnete, schlug ihm der unverkennbar stechende Geruch von Schweinen entgegen. Ein großes Holzschild über der Einfahrt verkündete, dass er sich auf einem echt ökologischen Hof befand. Aus der Erde – frisch auf den Tisch stand da in schnörkeliger Pinselschrift. Der weiß getünchte Hof sah in der weißen Umgebung leblos aus. Er erinnerte ihn an eine Leiche auf einem weißen Laken. Das einzige Lebenszeichen waren ein paar Schweine, die in der gefrorenen Erde wühlten, die sie hinter einer Scheune ausgebuddelt hatten. Auf dem Dach des Stallgebäudes war etwas Schnee geschmolzen. Darunter verbarg sich ein altes, graues und moosbedecktes Eternitdach. Wären nicht zwei Tore im Stallgiebel schwedenrot gestrichen gewesen, hätte der Hof fast wie getarnt ausgesehen. Er versuchte, die Straße zu erspähen, aber von hier aus würde man das geparkte Auto nicht sehen können. Man konnte gerade so Gunda und Thorkild Hansens Giebel und etwas von ihrer Hofeinfahrt erahnen, aber trotzdem gab es einen ganz ordentlichen Abstand sowohl zu den Nachbarn als auch zu der Straße.

      Da oben zwischen den Bäumen hatte es nichts zu sehen gegeben. Frischer Schnee hatte alles zugedeckt, aber er hatte ein paar Kriminaltechniker angefordert, die vielleicht etwas ausfindig machen konnten – ein Haar, Kaugummi – einfach irgendetwas, obwohl Frost und Schnee sicher die DNA zerstört hatten. Hatte das Auto dort lange gestanden, konnte man vielleicht auch einen Reifenabdruck im Eis sicherstellen. Wenn sie Glück hatten.

      »Aus der Erde – frisch auf den Tisch«, murmelte er und schaute wieder auf das Schild. Auf Anhieb klang das nicht weiter verlockend. Glücklicherweise hatte es Irene anscheinend aufgegeben, mit diversen Diäten und einem neuen Lebensstil zu experimentieren. Der ökologischen Welle hatte sie sich nicht angeschlossen – bisher. Die Blutgruppen-Diät war im Herbst ihr Fimmel gewesen, der aber vor Weihnachten jäh aufgehört hatte. Plötzlich war es wieder erlaubt gewesen, alles zu essen. Vielleicht hatte Salvatores Besuch dieses Experiment gestoppt. Italienische Jungs waren solide Nahrung wie Pasta mit Fleischsoße und Pizza mit reichlich Käse und Belag gewohnt, und Irene wollte dem Jungen nicht zumuten, sich bei der Familie in Dänemark nicht heimisch zu fühlen.

      Ein aggressives Bellen, das bei dem schneebedeckten Dach eine Lawine auslösen konnte, ließ ihn zusammenzucken. Er drehte langsam den Kopf und war einem schwarz gescheckten Kampfhund gefährlich nahe, der plötzlich an der Stalltür aufgetaucht war. Zum Glück konnte das Tier ihn wegen einer soliden Stahlkette nicht erreichen, die ihn jäh stoppte und wie ein durchgehendes Pferd hochsteigen ließ. Er erkannte die Rasse als Amerikanische Bulldogge und erinnerte sich an Fälle, in denen Menschen von genau diesem Typ Hund angefallen und schrecklich zugerichtet worden waren. Er konnte sie nicht leiden, obwohl sich oft herausstellte, dass es die Hundebesitzer waren, die nicht in der Lage waren, einen Kampfhund zu erziehen; aber immer war es der Hund, der es büßen musste und getötet wurde. Es war deutlich, dass dieser hier auch nichts von ihm hielt. Mit blutunterlaufenen braunen Augen fixierte er ihn. Die abgespreizten Beine und der große Abstand zwischen allen vieren ließen ihn wie eine antike weiße Kommode aussehen, die an unpassenden Stellen mit schwarzer Farbe bekleckert war. Die eine Seite des Kopfes war schwarz, die andere weiß, und mit der flachen Schnauze und dem hängenden Kiefer sah er eher komisch als gefährlich aus. Aber die entblößten Zähne und das abgrundtiefe Knurren, das ihn nicht willkommen hieß, waren nicht misszuverstehen.

      Am Küchenfenster wurde eine Gardine angehoben. Das Wohnhaus war also nicht so tot, wie es aussah. Wenn sie sein Auto wegen der schallschluckenden Schneeschicht nicht auf den Hof hatten rutschen hören, hatte bestimmt der Hund seine Ankunft offenbart.

      Als er an der Tür klingelte, dauerte es lange, bis geöffnet wurde und er sich dem Mann vorstellen konnte, der über den Besuch der Polizei nicht besonders erstaunt aussah. Er musste ungefähr ein halbes Jahrhundert alt sein, vielleicht waren sie gleich alt. Roland war Anfang Januar gerade sechsundfünfzig geworden. An dem Tag herrschte Schneesturm, und keiner der geladenen Gäste war durchgekommen.

      Vagn Mortensen stellte sich reserviert vor und bat ihn mit einem gewissen Vorbehalt in der Körperhaltung herein. Den Hund ermahnte er mit Bestimmtheit zur Ruhe und der schlich kleinlaut wieder in den Stall. Roland ging hinter Vagn hinein und konnte nicht aufhören, seinen Stiernacken anzustarren. Der Mann war kräftig gebaut, man konnte seinem Körper ansehen, dass er harte Arbeit gewohnt war, die er sicher von Hand statt mit Maschinen erledigte. Seine Haare sahen wie ein Stoppelfeld aus, sowohl was die Länge, als auch die Farbe anging. Dagegen war der Bart eine ungezähmte, verblühte Wiese. Die Frau saß auf dem Sofa und war so mit den grauen Möbeln verschmolzen wie das Wohnhaus mit dem Schnee. Ihre Stimme war fast unhörbar, als sie ihren Namen sagte, und der Händedruck war schlaff, aber man konnte sehen, dass sie dem Mann bei der Arbeit half; sie war muskulöser, als man es von ihrem Typ erwartet hätte. Vagn setzte sich neben seine Frau. Roland nahm in einem Sessel ihnen gegenüber Platz.

      »Ich nehme an, Sie haben gehört, was vergangene Nacht bei Ihren Nachbarn geschehen ist, und ich will nur wissen, ob Sie in den letzten Tagen etwas Verdächtiges beobachtet haben. Ein geparktes Auto zum Beispiel?«

      »Nein, nichts. Alles war wie immer«, erwiderte Vagn.

      »Wie geht es Signe?«, erkundigte sich Olga Mortensen mit monotoner Stimme.

      »Wir konnten noch nicht mit ihr reden, aber im Krankenhaus sagen sie, dass es ihr den Umständen entsprechend gut geht«, antwortete Roland und begegnete ihrem unsteten Blick. Es kam ihm so vor, als würde sie etwas verbergen und deshalb nicht wagen, ihm in die Augen zu schauen.

      »Albert war nicht sonderlich beliebt. Er war ein Tyrann. Das wird auch Signe bestätigen können. Jeder könnte ihn totgeschlagen haben«, kam es brüsk von Vagn, und er rettete dadurch seine Frau vor Rolands Versuch, Augenkontakt aufzunehmen. Erschrocken schaute sie ihren Mann an.

      »Das glaube ich nicht, Signe hat doch zu Ella gesagt, dass die russisch gesprochen haben.« Olga starrte Vagn weiter mit Misstrauen im Blick an, dann wandte sie sich wieder Roland zu. »Könnt ihr so eine Bande schnell finden? Stellt ihr hier draußen Wachen auf?«

      »Leider haben wir dafür nicht die Kapazitäten. Aber wir tun natürlich, was wir können, um die Schuldigen schnellstmöglich zu fassen«, versprach er und wunderte sich insgeheim über ihre Angst,

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