Ewige Stille. Astrid Keim
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ewige Stille - Astrid Keim страница 11
Es dauert einen Moment, bis Johannes die Sprache wieder findet. »Ja, Côte de Nuits, einer der teuersten Weine überhaupt. Viele dieses Jahrgangs gibt es nicht mehr. Wir wollten ihn irgendwann auf einer Auktion versteigern lassen. Einige Tausender hätte er auf jeden Fall gebracht.« Er fährt sich mit beiden Händen durch die Haare, sucht nach Worten. »Er war mir anvertraut, ich bin für ihn verantwortlich. Es ist mir völlig unbegreiflich, wie das passieren konnte. Nur ganz wenige haben einen Schlüssel. Ich natürlich, André und Marcel, der Küchenchef. So viel ich weiß, war keiner von beiden in der letzten Zeit hier und bei mir ist es auch schon eine Weile her.«
»Wieso Marcel? Der hat doch eigentlich hier unten nichts verloren.«
»Eigentlich nicht, aber auch er schätzt edle Tropfen und kauft ab und zu einen, wenn sich eine günstige Gelegenheit bietet. Sein Keller eignet sich nicht zur Lagerung und so bot ich ihm an, die Flaschen hier aufzubewahren.« Er deutet auf ein kleineres Regal. »Die gehören ihm. Es sind interessante Sachen dabei.«
Vorsichtig die Pfütze umgehend nähert sich Laura den Flaschen und betrachtet die Etiketten ohne sie zu berühren. »Überwiegend Bordeaux und viele aus den 80er Jahren«, stellt sie fest.
Johannes nickt. Er hat die Fassung wiedergewonnen. Das Gespräch über sein Lieblingsthema gibt ihm Sicherheit zurück. »Ja, das beste Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts. Außer 1984 – und auch der ist teilweise noch gut in Form, obwohl gegenteilig prognostiziert – alles sensationelle Jahrgänge, im tradierten Stil ausgebaut.«
Sie erinnert sich daran, dass auch Christoph von einem neuen Stil sprach, der sich Ende des vergangenen Jahrhunderts durchgesetzt habe, war aber nicht weiter in die Materie eingedrungen. Jetzt allerdings ergreift sie die Gelegenheit, nachzufragen. »Was ist heute anders?«
»Um die Weine dunkler und dichter zu machen, konzentriert man den Most durch Wasserentzug. Das bedeutet, dass nicht nur der Zuckergehalt höher ist, sondern auch die Säure, die Inhalts-, Farb- und Aromastoffe. Die Bordeaux früher Zeiten wiesen niemals den intensiven, fast ins Violette spielenden Rotton auf, sondern waren wesentlich heller. Engländer, als große Liebhaber dieser Weine, bezeichneten sie als ›Claret‹ und bis heute hat sich dieses Synonym für Bordeaux im anglophonen Raum erhalten.«
»Ich verstehe. Allein daran kann man also schon mal eine grobe Datierung vornehmen.«
»Genau. Es gibt natürlich eine ganze Menge weiterer Kriterien der Zuordnung.«
»Von denen mir zumindest eines geläufig ist«, fügt Laura an. »Meistens erkenne ich, ob ein Wein rechts oder links der Rhone angebaut wird. Die von der rechten Seite mag ich lieber, weil der Merlotanteil höher ist.«
»Ich weiß, was du meinst. Sie sind etwas gefälliger, sanfter. Viele Damen sind der gleichen Meinung, was wohl damit zusammenhängen mag«, er lächelt charmant, »dass euch die gleichen Attribute auszeichnen.«
Laura ist noch immer mit dem Studium der Etiketten beschäftigt, als ihr plötzlich etwas auffällt. »Schau mal.« Sie deutet auf eine Flasche. »Die muss erst letztens rausgenommen worden sein. Ihre Staubschicht ist völlig verwischt.«
»Tatsächlich. Es sieht Marcel überhaupt nicht ähnlich, so unvorsichtig mit seinen Preziosen umzugehen. Château Canon 1947. Ausgezeichneter Jahrgang. Könnte durchaus noch gut trinkbar sein. Vielleicht hat er die Flasche neu verkorkt und deshalb herausgenommen. Das ist die einzige Möglichkeit, die mir einfällt. Aber wie dem auch sei, wenigstens ist sie noch heil und wird ihm irgendwann Freude machen, egal ob er sie selbst öffnet oder weiterverkauft. Ich frage mich nur, was mit dem Burgunder geschehen ist. Von allein ist er mit Sicherheit nicht aus dem Regal gerutscht. Irgendjemand hatte seine Hand im Spiel. Wer und warum ist mir allerdings ein Rätsel.«
»Vielleicht, um ihn zu stehlen«, schlägt Laura vor. »Ich denke an jemanden, der sich sehr gut mit Wein auskennt. Schließlich hat er zielstrebig mit zum teuersten gegriffen, der hier unten zu finden ist. Und das wiederum weist auf jemanden hin, der mit der Materie vertraut ist. Wie viele kennen sich denn hier aus?«
»Du hast in allen Punkten recht und genau das ist es auch, was mich so irritiert. Natürlich hat das Servicepersonal Zutritt, denn wir verkaufen jeden Abend einiges an Flaschenweinen und ich habe nicht immer die Zeit, sie heraufzuholen. Aber dieser Teil wird durch eine Tür gesichert, die immer verschlossen ist.«
»Und wenn die Tür durch ein Versehen nicht verschlossen war? Dann hätte jeder hineinspazieren und sich bedienen können. Nein«, Laura ignoriert die abwehrend erhobenen Hände, »sag nicht, das ist unmöglich. Wie oft ist man total davon überzeugt, alles richtig gemacht zu haben und das Gegenteil ist der Fall. Mir ist das vor ein paar Tagen so gegangen. Ich hätte schwören können, mein Auto wie immer abgeschlossen zu haben und als ich einsteigen wollte, waren alle Türen offen. Nur ein Glücksfall, dass nichts weggekommen ist. Was hast du jetzt vor? Willst du die Polizei informieren?«
Johannes zuckt unschlüssig mit den Schultern. »Ich weiß nicht genau, vielleicht sollte ich zunächst versuchen, die Sache intern zu klären.«
»Das würde ich dir ehrlich gesagt nicht empfehlen. Jetzt können noch Spuren gesichert werden. Eigene Recherchen dauern eine Weile. Du müsstest die Tür wieder verschließen, was bedeutet, dass Scherben beiseite geschoben werden, deren Lage möglicherweise Hinweise geben. Ein paar tausend Euro sind ja schließlich kein Pappenstiel. Ihr seid doch versichert?« Johannes nickt. »Selbstverständlich.«
»Also, dann muss auf jeden Fall Anzeige erstattet werden, ansonsten wird es Schwierigkeiten mit der Versicherung geben. Wenn ich es richtig sehe, kann das Debakel auch noch nicht lange her sein.« Sie bückt sich, um mit dem Zeigefinger in die Lache zu tupfen. »Siehst du, frisch. Da ist noch nichts eingetrocknet.« Sie zögert einen Moment. »Obwohl Luftfeuchtigkeit und Temperatur natürlich Einfluss haben. Ich will mich lieber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, vielleicht sind doch schon ein oder zwei Tage vergangen. Übrigens sieht es so aus, als hätte jemand halbherzig versucht, den Boden zu säubern«, sie deutet auf Wischspuren, »es aber dann wieder aufgegeben. Und schau mal, hier ist sogar der Teil eines Schuhabdrucks. Vielleicht kann der ja auch weiterhelfen.«
»Wenn auch ungern, muss ich zugeben, dass mir deine Argumente einleuchten. Auch im Ruhestand kannst du deinen früheren Beruf nicht verleugnen. Außerdem ist mir gerade noch etwas aufgefallen. Es riecht irgendwie merkwürdig.«
»Wie meinst du das? Es riecht nach verschüttetem Wein.«
»Nicht nur. Irgendetwas anderes ist noch dabei, ich kann es nur nicht genau definieren.« Auch er benetzt nun den Zeigefinger mit der Flüssigkeit auf dem Boden und hält ihn dicht an die Nase. »Wein, ganz eindeutig. Aber …« Er stutzt, riecht nochmals und schüttelt dann den Kopf. »Ein typisches Burgunderbukett ist das nicht.«
Auch Laura riecht noch einmal an der Flüssigkeit. »Das kann ich nicht beurteilen. So differenziert ist mein Geruchssinn nicht. Aber bedenke, dass der Wein sehr alt ist, da kann sich auch das Bukett ändern.«
Jonhannes seufzt. »Das liegt natürlich im Bereich des Möglichen, aber trotzdem … Nun, jedenfalls werde ich deinem Rat folgen und die Polizei benachrichtigen. Allerdings nicht sofort, ansonsten müssten wir alles abblasen, was schon deshalb nicht möglich ist, da die meisten Gäste sich bereits im Anmarsch befinden. Morgen Vormittag wird es wohl auch noch reichen.«
Laura zuckt die Achseln. »Wenn du meinst. Allerdings würde ich dir dringend raten, den Seitengang zu versperren.«
»Ja, das sollte man wirklich tun. Ich werde einfach eine Palette mit Weinkisten davor abstellen,