Shirley (Deutsche Ausgabe). Charlotte Bronte
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»Ja, ja, allerdings!« stimmte Malone ein. »Aber geben Sie nichts darauf.« Nun blickte er unruhig umher, als suche er etwas. Das bemerkte Moore und verstand recht gut, was er wollte.
»Mr. Malone«, sagte er also, »nach Ihrem nassen Weg werden Sie gewiss einer Erfrischung bedürfen. Ich war recht unaufmerksam.«
»Oh, ganz und gar nicht«, entgegnete Malone, sah aber dennoch so aus, als ob jener den Nagel auf den Kopf getroffen hätte. Moore stand also auf und öffnete einen Speiseschrank.
»Es ist meine Gewohnheit«, sagte er, »jede Bequemlichkeit hier zu haben, um nicht von den Weibspersonen im Haus dort wegen jedes Mundvolls, was ich esse, und jedes Tropfens, den ich trinke, abhängig zu sein. Ich bleibe oft den Abend hier, esse allein und schlafe mit Joe Scott in der Fabrik. Oft bin ich mein eigener Wächter. Ich brauche wenig Schlaf und wandere gern in einer schönen Nacht ein paar Stunden mit meiner Flinte im Tal herum. – Mr. Malone, können Sie Hammelrippchen braten?«
»Versuchen Sie es. Ich habe es hundertmal im College getan.«
»Da sind welche, und hier der Bratrost. Wenden Sie sie nur schnell um. Sie kennen doch das Geheimnis, wie der Saft darin bleibt?«
»Seien Sie ohne Sorge – Sie werden sehen! Geben Sie nur Messer und Gabeln her.«
Der Hilfsgeistliche schlug seine Aufschläge über und nahm sich eifrig des Kochens an. Der Fabrikant brachte Teller, einen Laib Brot, eine schwarze Flasche und zwei Tummler auf den Tisch. Dann nahm er einen kleinen kupfernen Kessel, ebenfalls aus dem gut ausgerüsteten Speiseschrank, füllte ihn mit Wasser aus einem großen steinernen Krug in einer Ecke, setzte ihn neben dem zischenden Bratrost aufs Feuer und holte Zitronen, Zucker und eine kleine Punschbowle aus Porzellan. Doch während er den Punsch braute, rief ihn ein Schlag an der Tür davon ab.
»Bist du es, Sarah?«
»Ja, Sir. Wollen Sie nicht zum Abendessen kommen?«
»Nein, ich komme diese Nacht nicht ins Haus. Ich werde hier in der Fabrik schlafen. Schließe also nur zu, und sag deiner Herrin, dass sie zu Bett gehen kann.« Darauf kam er wieder.
»Sie haben Ihren Haushalt in schönster Ordnung«, bemerkte Malone beifällig, als er mit seinem von den Kohlen, über die er sich beugte, hochgeröteten Gesicht die Hammelrippchen eifrig umwendete. »Sie stehen nicht unter Unterrockregierung wie der arme Sweeting. Ein Mann – oh weh! – wie das Fett spritzt! Ich habe mir die Hand verbrannt – ein Mann, der bestimmt ist, von Weibern beherrscht zu werden. Sie und ich, Moore – da ist eine recht braune für Sie, und recht saftig – Sie und ich werden keine grauen Stuten in unseren Ställen haben, wenn wir heiraten.«
»Das weiß ich nicht – ich denke nie daran, wenn aber die graue Stute schön und verständig ist, warum nicht?«
»Die Hammelrippchen sind fertig. Ist es der Punsch auch?«
»Da ist ein Glas voll. Kosten Sie ihn. Wenn Joe Scott und seine Männer nach Hause kommen, sollen sie etwas davon haben, vorausgesetzt, dass sie die Sachen unangetastet mitbringen.«
Malone war in der besten Laune beim Abendessen. Er lachte über Kleinigkeiten überlaut, machte schlechten Spaß und beklatschte sich dann selbst, kurz, er wurde unbescheiden lärmend. Dagegen blieb sein Wirt so ruhig wie zuvor.
Du aber, lieber Leser, musst doch eine Idee von dem Aussehen dieses Wirts erhalten. Ich will versuchen, sein Porträt zu entwerfen, wie er hier bei Tisch sitzt.
Er ist, wie du zweifellos auf den ersten Blick sagen würdest, ein sonderbar aussehender Mann, denn er ist mager, bleich, fremden Aussehens, mit dunklem Haar, das ihm ungeordnet über die Stirn hängt. Es scheint, als ob er wenig Zeit für seine Frisur verwende, sonst würde er sie wohl mit mehr Geschmack geordnet haben. Er scheint es nicht zu wissen, dass seine Züge schön sind und eine gewisse südländische Symmetrie, Reinheit und Regelmäßigkeit besitzen. Auch wird, wer ihn anschaut, dessen nicht eher gewahr, bis er ihn genau betrachtet hat, denn ein gewisser besorgter Ausdruck, eingefallene Wangen und gewisse verhärmte Züge verwandeln die Idee der Schönheit in die des Kummers. Seine Augen sind groß, ernst und grau. Ihr Ausdruck ist klug und nachdenklich, eher forschend als sanft, eher gedankenvoll als mild. Wenn er seine Lippen zu einem Lächeln öffnet, werden seine Züge angenehm, nicht dass sie selbst dann frei und freundlich wären, doch man empfindet den Einfluss eines gewissen ruhigen, verführerischen Reizes, ob wahr oder täuschend, von einer besonnenen, ja vielleicht wohlwollenden Natur, von Gefühlen, die daheim wohltätig wirken können, geduldigen, ertragenden, womöglich vertrauensvollen Gefühlen. Er ist noch jung – nicht älter als dreißig. Seine Gestalt ist schlank, sein Gesicht mager. Seine Art zu sprechen missfällt. Er hat einen ausländischen Akzent, der, ungeachtet einer studierten Sorglosigkeit in Aussprache und Redeweise, einem britischen Ohr, und insbesondere einem aus Yorkshire, wehtut.
Mr. Moore war in der Tat nur zur Hälfte Brite, und dies kaum. Er war von mütterlicher Seite her fremder Herkunft und selbst auf fremdem Boden geboren, ja zum Teil erzogen. Ein Mischling von Natur, besaß er auch zweifellos in vielen Beziehungen gemischte Gesinnungen, wenigstens in Bezug auf Patriotismus. Es ist wahrscheinlich, dass er unfähig war, sich an Parteien, Konfessionen, selbst Klimata und Gewohnheiten zu binden. Ebenso besaß er wohl auch eine Neigung, seine Individualität von aller Gemeinschaft, in welche sein Los temporär geworfen werden könnte, zu entfernen, und er hielt es für die größte Weisheit, die Geschäfte Robert Gérard Moores unter Ausschluss menschenfreundlicher Rücksichten auf allgemeine Interessen zu betreiben, denen er nach Ansicht besagten Robert Gérard Moores nicht verpflichtet zu sein glaubte. Handel war Mr. Moores ererbter Beruf.
Die Gérards aus Antwerpen waren seit zwei Jahrhunderten Kaufleute gewesen, ehemals reiche Kaufleute, aber Unsicherheiten und Geschäftsverwicklungen waren auch über sie gekommen, missglückte Spekulationen hatten nach und nach die Stützen ihres Kredits gelockert, das Haus hatte ein Dutzend Jahre lang auf schwankendem Grund gestanden und war endlich beim Anstoß der französischen Revolution in gänzlichen Ruin geraten. In den Fall desselben war die englische Firma Moores aus Yorkshire verwickelt worden, die mit dem Haus in Antwerpen in enger Verbindung stand und von welcher einer der in Antwerpen wohnenden Teilnehmer, Robert Moore, Hortense Gérard mit der Aussicht, dass sie ihres Vaters, Constantine Gérard, Teil an dem Geschäft erben werde, geheiratet hatte. Sie erbte jedoch, wie wir sahen, bloß ihren Anteil an den Verbindlichkeiten der Firma und diese übernahm, obgleich durch eine Übereinkunft mit den Kreditoren gänzlich beseitigt, ihr obengenannter Sohn Robert seinerseits als eine Erbschaft, die er eines Tages bei denselben zu tilgen und das gefallene Haus Gérard und Moore wieder in einen Zustand zu bringen strebte, der dessen früherer Größe wenigstens gleich käme. Wahrscheinlich nahm er sich die Vergangenheit sehr zu Herzen, und wenn eine an der Seite einer schwermütigen Mutter unter Ahnung kommenden Unglücks verlebte Jugend und Männerjahre durch das mitleidslose Hereinbrechen des Sturms verstört und entblättert und auf den Geist schmerzliche Eindrücke machen können, so war der seine wahrscheinlich nicht in goldenen Buchstaben geprägt.
Obgleich er nun Aussicht auf eine große Wiederherstellung hatte, stand es doch nicht in seinem Vermögen, große Mittel zu deren Verwirklichung aufzuwenden. Er war genötigt, mit dem Fortschritt kleiner Dinge zufrieden zu sein. Als er nach Yorkshire kam, er, dessen Vorfahren eigene Lagerhäuser in diesem Seehafen und Werkstätten in der inneren Stadt gehabt hatten, sah er keinen Weg für sich offen, als eine Tuchfabrik in einem abgelegenen Winkel einer abgelegenen Region zu mieten, eine nahegelegene Hütte zu seiner