Gestohlene Identität - Roland Benito-Krimi 5. Inger Gammelgaard Madsen
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Der Zwischenfall mit der Tasche war Sara plötzlich wieder präsent. Sie hatten niemandem in der Familie oder im Bekanntenkreis erzählt, dass ihre Tasche gestohlen worden war, weil sie sie aufgrund von zu viel Sambuca einfach in der Bar vergessen hatte. Auch die Facebook-Freunde wussten das nicht. Sie fand es peinlich, und nach einer Menge Neckerei und Spott darüber, dass er es allen – besonders ihren Eltern – erzählen würde, hatte Kasper eingewilligt, dass sie es für sich behalten würden. Das ging andere nichts an. Kasper hatte damals nach vielen Telefonaten mit dem Außenministerium die Auskunft bekommen, er solle das dänische Konsulat in Venedig kontaktieren. Sara hatte einen vorläufigen Pass ausgestellt bekommen, der sie beinahe 40 Euro gekostet hatte. Als sie nach Hause gekommen waren, hatte Kasper die dänische Polizei kontaktiert, aber die konnte selbstverständlich nichts bei einer Tasche machen, die im Ausland gestohlen worden war. Insgesamt war dieser schöne Winterurlaub der reinste Albtraum geworden.
Sie blieben den ganzen Nachmittag im Garten. Freja in der Sonne, Sara im Schatten. Kasper kam mit frischen dänischen Erdbeeren und Gemüse aus einer naheliegenden Gärtnerei und bestand darauf, für die Damen Abendessen zu kochen. Freja ließ sich leicht von ihm zum Bleiben überreden. Sara zwang sich selbst zu genießen, ihren gut aufgelegten Liebsten nicht aufmuntern und unterhalten zu müssen. Sie war selbst müde und ausgelaugt, nachdem sie plötzlich gesellig sein musste an einem Tag, den sie eigentlich allein im Garten zu verbringen geplant hatte, um einfach nur zu entspannen.
Freja nahm den letzten Bus. Kasper wollte sie nicht heimfahren, weil er Rotwein getrunken hatte. Sara war auf dem Sofa eingeschlafen, während sie Kaffee tranken, und Kasper ließ sie schlummern, bis Freja gegangen war. Freja hatte darauf bestanden, dass er sie nicht wecken durfte.
Das Schlafzimmer war unerträglich heiß. Die Abendsonne fiel durch das Dachfenster. Im Winter war es schön, aber in einer heißen Sommernacht wie dieser war es fast unmöglich zu schlafen. Zum Glück würde es Winter sein, wenn sie hochschwanger wäre. Kasper legte eine warme Hand auf die kleine Beule auf ihrem Bauch, als sie sich neben ihn gelegt hatte.
»Ich kann’s echt kaum erwarten, bis er rauskommt.«
»Sie.«
»Er.«
»Sie … willst du gerne wissen, was es wird?«
»Nein, das ist mir egal. Hauptsache es wird ein Kind.«
Sara lachte. »Das kann ich dir nicht mal versprechen. Ich finde, mein Bauch wächst ziemlich schnell im Vergleich zu denen der anderen.«
»Der anderen? Du hast doch wohl nicht die Fotos, die ich von deinem Bauch gemacht habe, hochgeladen?«
»Doch, natürlich. Alle sollen doch wissen, wie es läuft. Wie glücklich wir sind, nicht?« Sie küsste ihn überredend.
»Hmmm.«
Kasper hielt nicht viel von ihrer Begeisterung für Facebook, aber der Tag wäre nicht der gleiche, wenn sie ihre Erlebnisse nicht mit den anderen teilte. Mit ihren Freunden. Kasper war nicht der Meinung, dass man sie als Freunde bezeichnen könnte. Das war wohl das Einzige, worüber sie uneins waren. Er wurde schweigsam.
»Ist irgendwas? Du bist doch wohl nicht sauer, dass ich das mache?«
»Dass du unser Privatleben vor dem Pöbel ausbreitest? Natürlich nicht, Schatz. Mama ist sicher begeistert davon, es mitverfolgen zu können«, sagte er sarkastisch.
Sie schnitt ihm eine Grimasse. Kaspers Mutter war ein richtiges Klatschweib, das falsche Gerüchte über alles verbreitete, von dem sie glaubte, sie hätte es richtig verstanden. Sie war der Typ, der nur Überschriften las und den Rest riet.
»Hey, hast du übrigens daran gedacht, mein Paket bei der Post abzuholen?«
»Jep. Die Postdame hat deine Vollmacht bekommen und ich dein Paket. Es liegt unten in der Waschküche. Warte doch bis morgen, Sara«, sagte er ärgerlich, als sie aus dem Bett sprang und seine Hand daran hinderte, in ihren Slip zu wandern.
»Ich bin doch gespannt, was es ist. Ich erwarte kein Paket von irgendwem.«
Kasper schüttelte den Kopf, drehte sich um und knipste die Lampe auf dem Nachttisch aus.
»Lass das, Kasper. Warte auf mich, ja?« Sie lächelte seinem Rücken versöhnlich zu und huschte schnell die Treppe hinunter in die Waschküche und nahm das Paket mit auf den Wohnzimmertisch. Es war nicht besonders schwer, in gewöhnlichem braunen Packpapier, das sie immer Schlachterpapier nannte, und mit braunem Paketband zusammengeklebt. Kein schönes Päckchen. Es gab keinen Absender. Ihr Name und ihre Adresse waren auf einen Aufkleber gedruckt und sorgfältig auf der linken Seite platziert. Sie riss das Papier in Stücke und starrte verblüfft auf den Inhalt. Es war fast ein halbes Jahr her, dass die Tasche gestohlen worden war, nun lag sie hier auf ihrem Tisch, direkt an ihre Adresse geschickt. Die braune Friis & Company-Tasche aus Kunstleder mit zwei Außentaschen. Sie öffnete die Tasche, aber sie war leer. Die Seitentasche, in der der Pass gelegen hatte, war ebenfalls leer. Es sah aus, als ob die Tasche nass gewesen wäre. Es waren Flecken darauf und als sie die Finger hineinsteckte und suchend darin umherfuhr, spürte sie die Feuchtigkeit. Die Finger stießen auf etwas Kaltes und Rundes. Sie nahm es heraus. Es war ein kleines Schmuckstück, das wie die Miniaturausgabe einer alten Taschenuhr aussah. Die Uhr hing nicht an einer Kette, sondern an einer rot-weißen Wollschnur, die an einem Ende in einer weißen und am anderen in einer roten Quaste endete. Sie öffnete sie und schaute auf die Uhr mit römischen Zahlen. Die Zeiger waren um vier Uhr stehen geblieben. Sie sah antik aus und war auf jeden Fall weder ihre noch Kaspers. Sie fror, obwohl eine Tropennacht angekündigt worden war. »Was ist das für ein kranker Scherz?«, rief sie die Treppe zum Schlafzimmer hoch.
Kasper antwortete nicht, und sie rechnete damit, dass er eingeschlafen war. Sie setzte sich auf einen Stuhl und starrte auf die Tasche und die silberne Uhr.
***
6
Die Villa sah aus wie viele dieser modernen phantasielosen Bauwerke, viereckige Kästen, wie verkehrt übereinandergestapelt, mit riesigen Fensterfronten. Hier heuert man wohl einfach einen Fensterputzer an, dachte Roland. Aber sie war schön gelegen, nicht weit von der umstrittenen Badebrücke, die trotz des Verbots der Gemeinde, des Küstenamts und des Verkehrsministeriums im Begriff war wiederzuerstehen. Ein beharrlicher Verein mit hundert Mitgliedern, der sich Verein Risskover Badebrücke nannte, war dabei, trotz Strafanzeige für ihr Recht auf Fortbestand zu kämpfen. Ein halbes Jahrhundert hatte diese Brücke ohne die Genehmigung der Behörden existiert, aber nun fühlten sich offenbar einige Bewohner davon gestört und klagten. Die Intoleranz der Gegenwart. Roland wusste nicht recht, was er von der Sache halten sollte; er war selbst ein großer Freund der Badebrücke im Ballehagener Seebad, wo er auch im Winter badete. Aber eins war sicher; die Sache zehrte an vielen Ressourcen. Kräfte, die man an anderen Stellen besser gebrauchen könnte. Jedoch war er sich mit sich selbst uneins, ob der Verein oder die Behörden Recht hatten.
Isabella knallte die Autotür zu und atmete geräuschvoll die salzige Meeresluft ein. Der Wind spielte mit ihrem Pferdeschwanz. »Hier müsste man wohnen!«, rief sie mit einem überzeugenden Lächeln aus.
»Na, bist du euer neuerworbenes Landhaus in Skåde schon leid?«
Isabella sah ihn bloß an, ohne zu antworten, und setzte die dunkle Sonnenbrille wieder auf. Das war kein Thema, das sie diskutieren sollten. Die Schlacht war längst verloren. Dieses Haus hätte seins sein können, wenn nur …
»Aber wenn Freja so nah an der Gerichtspsychiatrie