Gestohlene Identität - Roland Benito-Krimi 5. Inger Gammelgaard Madsen

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Gestohlene Identität - Roland Benito-Krimi 5 - Inger Gammelgaard Madsen Roland Benito

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während ihrer Lauftouren, versuchte, Luft zu bekommen. Dann lief sie wieder los und stolperte beinahe über eine Baumwurzel, die auf dem Pfad eine Erhebung bildete. War der Fuchs nicht der Killer des Waldes? Vergeblich versuchte sie sich an die Biologiestunden zu erinnern, aber es war zehn Jahre her, dass sie zur Schule gegangen war. Dennoch war sie nicht der Meinung, dass ein anderes Tier als der Mensch der Feind des Fuchses war. Hatte ein Mensch das da gemacht? Die Sinne wurden geschärft, als wäre sie selbst ein Tier auf der Flucht. Die Instinkte des Urmenschen. Es klang, als ob jemand ihr folgte, aber sie entdeckte, dass es bloß das Schlagen ihres Pferdeschwanzes gegen das Nylon der Warnweste war. Aber nun war da etwas, das im Dunklen in den Blättern zwischen den Bäumen raschelte. Vögel machten oft Lärm am Waldboden, wenn sie in den verwelkten Blättern nach Futter suchten, aber nicht so viel Lärm. War das ein Hirsch, der neben ihr lief? Die flüchteten normalerweise oder standen mucksmäuschenstill da und guckten. Sie begann zu bereuen, dass sie sich so weit von ihrer normalen Route entfernt hatte. Ihr Herz pochte, sodass es schwer war, Luft zu holen. Das, was sich im Laub rechts von ihr bewegte, war kein Hirsch. Sie sah nur ab und zu einen Schatten davon. Etwas Geschecktes. Das war ein größeres, muskulöses Tier, das sich geschmeidig in hohem Tempo bewegte, aber sie schaffte es nicht zu sehen, was es war, bevor es wieder hinter Baumstämmen, abgehauenen Zweigen oder Büschen verschwand. Nach Luft schnappend fing sie an, Seitenstechen zu bekommen. Das kam selten vor, nur, wenn sie direkt nach dem Essen lief. »Du darfst nicht anfangen zu gehen, du darfst das Tempo nicht verlangsamen, du darfst nicht anhalten«, wiederholte sie für sich selbst. War es bloß ein Hund und würde sein Herrchen bald auf dem Pfad auftauchen, ihn am Halsband nehmen und zurückhalten, wenn sie vorbeilief? Sie hielt nach dem Besitzer Ausschau, aber sie war ganz allein. Gassigeher hielten sich in der Regel an die Wege am Waldrand. Der keuchende Atem übertönte alles andere. Wo war es jetzt? Letztes Jahr hatte es Gerede über einen Wolf gegeben, der in Südjütland gesichtet worden sein sollte, und soviel sie wusste, war da auch etwas mit einem Luchs gewesen, den einmal vor vielen Jahren einige am Kolding-Gebiet gesehen hatten. Vielleicht floh das Tier bloß vor ihr. Der Gedanke war beruhigend. An den Gerüchten um den Wolf oder Luchs damals war sicher nichts dran gewesen, soweit sie sich erinnerte. Nun durfte die Phantasie die Dinge auch nicht schlimmer machen, als sie waren. Um den Schmerz der Milz zu lindern, stemmte sie die Hand in die Seite und versuchte ein bisschen schneller zu laufen, aber dann sah sie es wieder. Es hatte auf sie gewartet. War vorgelaufen und hatte gewartet. Sie war die Beute. Wie der Fuchs es auch gewesen war. Es war einer dieser Kampfhunde, die sie im Fernsehen gesehen hatte. Die, die einem neuen Gesetz zufolge gesetzwidrig waren. Jetzt kam er ihr entgegen und setzte zum Sprung an. Reflexartig hielt sie die Arme abwehrend vors Gesicht und spürte zuerst, wie sich die Zähne in das Fleisch ihres einen Armes bohrten, bis ein knackendes Geräusch vom Knöchel kam, dann sein Gewicht, ungefähr wie ihr eigenes, das sie umwarf. Alles war ein schaumiger Wirrwarr aus Kampf, Geräuschen, Gerüchen und Schmerzen. Das Schnauben des Hundes, ihre panischen Schreie und Jammern, feuchte Wärme, Sabber und der Gestank fauligen Atems, als der große Kopf mit Augen ohne Zeichen von Gefühlen oder Versöhnung direkt über ihrem war. Das Ganze dauerte nur ein paar Sekunden. Eine Menge Gedanken schafften es trotzdem, durch ihr Gehirn zu schießen. Das letzte Bild, das sie sah, bevor alles verschwand, als ob sie eine gesegnete Spritze gegen den Schmerz bekäme, war der zerfleischte Fuchs.

      Der Hund, ein schwarzgescheckter American Staffordshire Terrier, zog seine Beute weg von dem Pfad zwischen die Bäume. Der Morgentau lag immer noch auf dem Gras.

      11

      Plötzlicher Kindstod. Roland legte den alten Bericht zur Seite und rieb seinen schmerzenden Nacken. Damals, als seine Mädchen klein gewesen waren, hatte er überhaupt nicht an so etwas gedacht. Hatte Irene? Und Rikke mit Marianna? Nun war bald Olivia an der Reihe zu befürchten, sein neues Enkelkind tot in der Krippe zu finden. Er war verstört, stand rastlos auf und holte einen Plastikbecher aus dem Stapel beim Drucker. Hatte eigentlich schon eine Menge Kaffee bei der morgendlichen Besprechung getrunken, aber schenkte sich dennoch ein, obwohl er es nicht brauchte. Natürlich würde das nicht passieren. Plötzlicher Kindstod war nicht mehr so gewöhnlich, hatte der Rechtsmediziner Leander gesagt. Nun war der kleine William ja auch nicht so gestorben wie zuerst angenommen. Und wenn jemand das wusste, dann doch wohl er? Es war Mord. War Sara Dupont geflohen, weil sie schuldig war oder weil sie es nicht war?

      »Ich dachte, du willst vielleicht dein übrig gebliebenes Puddingteilchen zum Kaffee haben«, sagte Niels Nyborg und legte eine Tüte vom Bäcker vor ihn.

      Roland schaute hinein. »Das sind ja zwei.«

      »Ja, Dan kommt doch später, also ist das wohl seins. Ich dachte, ich leiste dir ein wenig Gesellschaft, bevor ich mit der zweiten Befragung im Viertel um die Gerichtspsychiatrie anfange.« Niels holte sich auch einen Becher und ließ Roland einschenken. Dann zog er einen Stuhl an den Tisch, setzte sich und nahm das eine der Puddingteilchen. Das war die Strafe fürs Zuspätkommen. Kein Morgengebäck.

      »Sie muss sich ja irgendwo verstecken. Ich verstehe nicht, dass niemand etwas gesehen hat«, murmelte Roland und nahm einen Bissen von einer fetttriefenden Zimtschnecke.

      »Die Suchmeldungen im Radio und Fernsehen haben nichts Brauchbares ergeben. Wie uns doch die totale Überwachung fehlt. Kameras überall so wie in England. Die englische Polizei kann das Tun und Treiben des Mörders verfolgen, sobald er aus seiner Haustür geht. Das habe ich in einem Krimi auf BBC gesehen.«

      »Das ist doch ein Film, Niels«, lächelte Roland. »Tatsächlich hat Dänemark mehr Überwachungskameras pro Einwohner als Großbritannien.«

      »Ja, aber das gilt ja nicht für die öffentlichen Räume. Das sind Privatpersonen und private Unternehmen, die uns in dieser Statistik hochstufen. Ich bin echt der Meinung, dass wir hier sitzen und alles live auf einem Mosaik von Fernsehbildschirmen mitverfolgen können sollten.«

      »Meinst du das ernst, Niels? Glaubst du nicht, dass das die Leute noch paranoider machen würde, wenn ihnen an jeder Straßenecke eine Kamera hinterher schwenkt? So gefährlich ist das Leben trotz allem dann auch nicht.«

      »Was macht das, wenn man eine reine Weste hat? Und auf die Kameras achten die Leute überhaupt nicht. Wie viele wissen wohl, dass sie am Fluss, am Europaplatz und am Bahnhofsvorplatz von uns videoüberwacht werden?«

      Es gab keinen Zweifel daran, dass es ihrer Aufklärung von Verbrechen wie Vandalismus und Überfällen massiv helfen könnte, wenn es so werden würde, wie Niels es sich wünschte. Vielleicht sogar, ohne dass sie ihre Hintern bewegen mussten. Aber eine totale Überwachungsgesellschaft wie die alte DDR wünschte sich sicher niemand. Und brachte es überhaupt etwas? Neapel sollte eine der meist überwachtesten Städte in Italien sein im Kampf gegen die Camorra. Vor fünf Jahren waren 440 hypermoderne Kameras im Wert von sieben Millionen Euro angebracht worden; jetzt funktionierte nur noch die Hälfte. In Mailand werden alle Autos, die in die Stadt fahren, gefilmt und registriert, und damit auch alle Personen, und im Trentino wird außerdem die Friedhöfe überwacht, um Vandalismus zu vorzubeugen. Wann wurde man dann in Ruhe gelassen? Nicht einmal zusammen mit den Toten. In der Regel waren die Bilder von den Kameras so schlecht, dass es trotzdem nicht leicht war, die Täter zu finden, es sei denn sie hatten besondere Kennzeichen.

      »Was ist mit dem Auto, das der Taxifahrer gesehen hat? Ein silberfarbener Chevrolet, oder? Den hast du heute Morgen nicht erwähnt. Wird der nicht gesucht?«, kaute Niels.

      »Jedenfalls gab es einen Ansturm auf die Telefone. Von dieser Marke und in dieser Farbe fahren eine Menge herum, und ohne Kennzeichen ist es völlig unmöglich. Aber Mikkel untersucht, ob er der Familie Dupont gehören könnte. Vielleicht haben sie zwei Autos.«

      »Wer kann sich das heute leisten?«

      Rolands Gedanken wanderten sofort zu der Garage in Høj­bjerg und Irenes einsamem Hyundai, der sicher nie wieder herauskommen würde, um zu fahren. Sie hatten sich eigentlich auch keine zwei Autos leisten können, aber es war eine Notwendigkeit

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