Das letzte Gefecht - Tatsachenroman. Will Berthold

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Das letzte Gefecht - Tatsachenroman - Will Berthold

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      Hauptmann Prenelle steht neben ihr in der Küche, zieht die junge Frau an sich, streichelt sie.

      »So kommst du nie zu deinem Kaffee«, sagt Nicole.

      »Ich will keinen Kaffee«, antwortet er.

      »Sondern?«

      »Dich –«

      »Geduld, mon chéri –«, versetzt sie.

      »Geduld erfordert Zeit, und Zeit ist knapp.«

      »Warum?«

      »Der Dienst –«

      »Ist General Mast denn so eifrig?« wagt sich Nicole vor. Sie geht zurück in den Salon, setzt sich auf eine tiefe Couch, legt die Beine übereinander. »Na, kommt schon«, fordert sie den Zögernden auf, der sich dann ein wenig zu schnell neben ihr niederläßt.

      Prenelle küßt sie. Die Französin läßt es sich gefallen. Seine Hände wandern vom Nacken abwärts.

      Sie schlägt ihm spielerisch auf die Finger. »Lentement, mon ami«, sagt sie, als sie der Hauptmann um die Taille faßt und an sich zieht.

      Zeitweilig vergißt Nicole, was sie erfahren möchte, aber als der Offizier ein paar Stunden später direkt von ihrer Wohnung in seine Garnison geht, ist sich die junge Französin ziemlich sicher, daß ihr neuer Freund bald vor ihr keine Geheimnisse mehr haben wird, auch keine militärischen.

      Die »Operation Lightfoot« war schon vorbereitet worden, als Rommels Marsch nach Ägypten unaufhaltsam schien. In der Etappenstadt Kairo hatten längst junge ägyptische Offiziere unter Anführung des Obristen Abd el Nasser den Aufstand geprobt, aber Rommel, seinem Nachschub wieder einmal davongelaufen, war gezwungen, die Offensive 100 Kilometer vor Alexandria abzubrechen. »Gäbe man mir nur drei Schiffe mit Benzin für meine Panzer – ich wäre in achtundvierzig Stunden in Kairo«, stellte der Wüstenfuchs fest.

      Nunmehr lagen sich in der El-Alamein-Stellung die Deutschen und die Engländer schon fast zwei Monate scheinbar tatenlos gegenüber. Rommel nutzte die Zeit, seinen »Teufelsgarten«, das Vorgelände seiner Stellung, mit 249 849 Panzer- und 14500 Tretminen zu bestücken.

      Aber auch die Briten versäumten keine Zeit. In den ägyptischen Häfen, nach meist langwieriger Umschiffung ganz Afrikas, liefen die Schiffe mit fabrikneuen Sherman- und Grant-Kampfwagen, made in USA, ein. Geschütze, Munition, Proviant wurden entladen, in Mengen, wie man sie noch nie gesehen hatte. Die »Wüstenratten« – so nannte sich das britische Expeditionskorps in Nordafrika selbst – erhielten neue Panzer, neue Flugzeuge, neue Geschütze – und einen neuen Oberbefehlshaber. Die Truppenverstärkungen aus fast allen Teilen der Welt und die modernen Waffen waren ihnen nur zu willkommen – auf den General Montgomery hätten sie am liebsten verzichtet; es eilte ihm der Ruf voraus, ein sturer Kommißkopf zu sein, der streng auf die Einhaltung des militärischen Brimboriums achtete. Auf Afrikas heißem Boden jedoch hatten sich die Soldaten mit den flachen Stahlhelmen – Schotten, Engländer, Südafrikaner, Australier, Neuseeländer, Inder und andere Kolonialtruppen – längst hitzebedingte Erleichterungen verschafft. Von Ehrenbezeigungen, auch Vorgesetzten gegenüber, war man weitgehend abgekommen; was die Uniformvorschriften anbelangte, begnügten sich die meisten damit, sich ihre Rangabzeichen mit Heftpflaster auf die nackte Haut zu kleben.

      Es herrschte eine ungute, gereizte Stimmung, als der neue Oberbefehlshaber der 8. britischen Armee seine Kommandeure in Kairo in das Amaryia-Kino befohlen hatte, um ihnen sein strategisches Konzept für die »Operation Lightfoot« darzulegen. Es war umfassend, pedantisch bis in alle Einzelheiten vorbereitet. Die versammelten Offiziere zeigten sich überrascht, wie ein Neuling auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz die Besonderheiten des Wüstenkrieges vom grünen Tisch aus so exakt analysieren konnte. Sonst schien Auchinlecks Nachfolger, der seit der Katastrophe von Dünkirchen vor zwei Jahren kein Frontkommando mehr erhalten hatte, die Gerüchte zu bestätigen, die ihm vorausgeeilt waren. »Bernard Montgomery ist klein, drahtig, hat ein Vogelgesicht und spricht durch die Nase, mit hoher, unangenehmer Stimme«, schildert ihn in seinem Buch »The trail of the fox« der britische Autor David Irving. »Seine Knie sind weiß, sein Gesicht ist rosig. Trotzdem haben er und Rommel vieles gemeinsam. Beide sind sie einsam und haben unter gleichgestellten Offizieren mehr Feinde als Freunde; beide sind sie anmaßend und überheblich; beide sind gehemmt und im normalen Dienst unbequeme Offiziere, entwickeln sich aber, sobald sie Handlungsfreiheit erhalten, zu großartigen, erfindungsreichen Truppenführern; beide rauchen nicht und trinken sehr mäßig Alkohol; beide teilen die Liebe zum Wintersport und legen großen Wert auf erstklassige körperliche Verfassung.«

      Und beide lagen sich an der Pforte Ägyptens, in der El-Alamein-Stellung, gegenüber wie zwei Boxer im Clinch, unfähig, sich voneinander zu lösen. Beide wußten, daß sie die einzige Verteidigungslinie in der westlichen Wüste hielten, deren Südflanke nicht umgangen werden konnte. 65 Kilometer südlich der Küste zog sich die Qattara-Senke, eine unter dem Meeresspiegel liegende Salzniederung am Fuße einer Felsenlandschaft, dahin. »Panzer können Felsen nicht überwinden«, analysiert der englische Autor Mark Arnold-Forster die Situation, »und in Salzniederungen sacken sie ein. Vom Juli 1942 an standen die Gegner sich auf einem im Norden durch das Mittelmeer und im Süden durch die Qattara-Senke begrenzten Schlachtfeld gegenüber. Es war wie ein tödlicher Boxring, aus dem es kein Entrinnen gab. Die erste Julihälfte hindurch hielten Auchinlecks Streitkräfte die Linien gegen Rommels entschlossene und geschickte Angriffe. Rommel verausgabte seine Kräfte. Einmal wurden seine Mittel durch den Nachschub aufgefüllt, dann gingen sie wieder zur Neige ...«

      Montgomery war entschlossen, den ersten Stoß frontal zu führen und mit Hilfe seiner stärkeren und moderneren Panzer Rommels Front zu durchbrechen. Er hatte seinem Gegner einiges abgesehen: Er ließ zum Beispiel eine falsche Ölleitung in den Südabschnitt seiner Front verlegen. Die Panzerarmee Afrika sollte annehmen, der Hauptstoß der Großoffensive werde am Rande der Qattara-Senke geführt. Die britischen Panzer, die deutsche Vorposten sichteten, waren Attrappen, die tatsächlichen Kampfwagen wurden im Nordteil der Front als Lastwagen getarnt.

      Der Wüstenkrieg war ein Abnützungskrieg; wer am meisten Nachschub hatte, würde ihn gewinnen, ein wenig heldisches, dafür aber logisches Kalkül. Während Montgomery noch abwartete, bis seine Besatzungen mit den neuen Sherman-Panzern zurechtkamen, bis Munition in unübersehbarer Menge herangeschafft war, verstärkte er – als Vorbereitung zur Offensive – die geheimdienstliche Tätigkeit im Rücken Rommels, der in ständiger Nachschubsorge lebte. Während die Briten – zwar umständlich, doch risikolos – ihren Bedarf meistens um das Kap der Guten Hoffnung heranschafften, blieb dem Wüstenfuchs kaum die Hoffnung, durch italienische Konvois über das Mittelmeer versorgt zu werden.

      Am dringendsten benötigte er Sprit für seine Panzer, aber immer seltener kamen Tanker durch, und in letzter Zeit wurden ‒ es war die Handschrift der unter dem englischen Major Chapman im Hintergrund operierenden Long Range Desert Group – mit und ohne Erfolg Anschläge auf Tanker, die U-Boot- und Luftsperren durchbrachen und sich an Malta vorbeigemogelt hatten, verübt. Deshalb begann der Morgenappell der Soldaten an den Nachschubsträngen in der Etappe jeweils mit Warnungen und Belehrungen über die Tätigkeit feindlicher Agenten.

      Der Fahnenjunker-Unteroffizier Gerwegh, der in der Bomba-Bucht bei Benghasi – die bereits in der Antike ein klassisches Erholungszentrum gewesen war – eine leichtere Verwundung ausheilte, stand unter den Genesenden, die sich den Sermon des Hauptfeldwebels anhören mußten. Immer der gleiche Seich: »Achtung! Feind hört mit!«

      Gleich vorbei, tröstete sich der Rekonvaleszent, bald beginnt die Freizeit wieder, und das hieß für die meisten Besuch im zweistöckigen Nachtbums »Oasis«. Das wuchtige Steinhaus, fernab vom Schuß, gehörte dem Ägypter Ali Husseini, und

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