Das letzte Gefecht - Tatsachenroman. Will Berthold
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Um 21 Uhr 40 hatten auf einer Frontbreite von 60 Kilometern 1500 Geschütze den Tod in die Nacht gespuckt. Schwere Werfer waren herangeschafft worden, die neuen 10,5-cm-Kanonen hatten auf diesem Kriegsschauplatz eine schaurige Premiere. Das Feuer wurde alle 500 Sekunden 100 Meter tiefer in die deutschen Linien verlegt, und im Schutz der Feuerwalze starteten Infanteristen unter großen Verlusten den Angriff, aber 150000 britische Soldaten trieben die Offensive voran.
»Im Norden, wo Montgomery seinen Hauptangriff vorzutragen gedachte, lagen zwei Minenfelder: eines vor den vordersten Linien der Deutschen, eines dahinter«, schreibt Mark Arnold-Forster. »Die ersten Angriffe, die von der neuseeländischen Division vorgetragen wurden, schlugen Breschen durch das erste Minenfeld ...«
An der Spitze marschierten Dudelsackpfeifer, und in kurzen Feuerpausen konnte man ihre grelle Musik hören. General Stumme wurde als verschollen gemeldet, und Hitler rief Rommel an und beorderte ihn nach Nordafrika zurück.
Sein Eintreffen und die Auffindung seines toten Stellvertreters fielen zeitlich zusammen: In der Nähe der Höhe 28 war Stumme in seinem Kübelwagen in einen Überfall geraten. Sein Begleiter fiel; der korpulente General, der an Bluthochdruck laborierte, erlitt, vom Trittbrett fallend, einen tödlichen Herzanfall, während sein Fahrer, ohne es zu bemerken, weiterrollte.
Zwei Tage lang hatte man nach dem General gesucht, und zwei Tage lang war der englische Einbruch weiter vorangekommen. Die 15. Panzerdivision verfügte nur noch über 31 einsatzfähige Kampfwagen, von 119. Rommel sah sofort, daß ihm nur die Chance blieb, sich in die Fuka-Stellung zurückzuziehen und dort auf Nachschub zu warten. Aber der Tanker »Proserpina« wurde mit 7000 Tonnen beim Einlaufen in Tobruk versenkt, und auch das Ersatzschiff »Louisiano« landete auf dem Meeresgrund. Der Wüstenfuchs verfügte mittlerweile nur noch über 32 Panzer – 32 gegen 1100 gegnerische.
Beim sogenannten Heiligen Grab von Sidi Omar schlug er seinen neuen Gefechtsstand auf, und hier erreichte ihn, wie befürchtet, Hitlers Durchhaltebefehl. »Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, daß der stärkere Wille über die stärkeren Bataillone des Feindes triumphiert«, hatte ihm der Führer telegrafiert. »Ihrer Truppe aber können Sie keinen anderen Weg zeigen als den zum Sieg oder zum Tod.«
Rommel gehorchte zunächst und brach den Rückzug ab. Die italienische Elitedivision »Ariete« schlug sich bravourös, wurde aber von Montgomerys Truppen restlos aufgerieben. Das gleiche Schicksal erlitt die Division »Littorio«. Auf dem rechten Flügel wartete die italienische Division »Trieste« die Katastrophe nicht erst ab, sondern ging befehlswidrig in den Rückzug.
An der deutschen Front gelangen den Engländern weitere Einbrüche. Sie überrannten den Gefechtsstand der 15. Panzerdivision, fanden Kisten mit Eisernen Kreuzen und schmückten sich damit, bevor sie weiterstürmten. Das Afrikakorps verfügte jetzt noch über 12 Panzer. Schon in der ersten Etappe der britischen Offensive hatten die Achsenmächte 25000 Tote und Verwundete zu beklagten: 30000 Soldaten – mehr als jeder dritte davon ein deutscher – hatten sich ergeben. Rommel war kein Paulus; in dieser aussichtslosen Lage befahl der Wüstenfuchs – entgegen ausdrücklichem Hitler-Befehl – den Rückzug auf die Fuka-Linie. »Ich werde vors Kriegsgericht kommen«, sagte er zu seinen Offizieren, »aber bei den gegenwärtigen Umständen ist es meine Pflicht, nicht zu gehorchen.«
Am nächsten Tag hatte Hitler begriffen, daß mit Phrasen ein mindestens zehnfach überlegener Feind nicht zu schlagen war. Er billigte nachträglich Rommels Rückzugsbefehl, aber es war klar, daß die Briten auch in der Fuka-Linie nicht aufgehalten werden konnten. Obwohl Montgomery ein fast übervorsichtiger Verfolger war und den Deutschen ein schwerer Sandsturm zu Hilfe kam, näherten sich die englischen Angriffsspitzen bereits Tobruk und Benghasi: Es drohte der Verlust der ganzen Cyrenaika, und schon vor Anlaufen der »Operation Torch« hielt der Wüstenfuchs den Krieg in Nordafrika für verloren.
Wie an jedem anderen Tag lacht, tanzt, trinkt und flirtet Algier an diesem 7. November 1942. Die Gesellschaft benimmt sich, als wollte sie den Krieg gewaltsam ignorieren, und niemand scheint zu ahnen, daß die Kriegsfurie in wenigen Stunden auch in dieses Reservat des Friedens und der Neutralität einbrechen wird. Die Nachrichten, die von der Montgomery-Front kommen, lassen die meisten Franzosen aufhorchen, aber sie bleiben zurückhaltend, wissend, daß im Krieg noch mehr gelogen wird als auf der Jagd und in der Liebe.
Algiers Straßenbild wirkt friedlich, aber unter einer oberflächlichen Tarnung wird gehaßt und gehofft, geheuchelt und gedroht, angedeutet und verwischt. Es scheint Nicole Lemaire, die immer tiefer in die Maschen dieses Verwirrspiels verstrickt wird, als wollten alle Franzosen das gleiche und kämpfte doch jeder gegen jeden. Vielleicht hätte sich eine schöne Frau aus diesen politischen Zeitläuften heraushalten sollen, noch dazu, wenn ihr Bruder auf der anderen Seite kämpft, aber vielleicht ist gerade das der Grund, warum die junge Witwe im Lager des Hauptmanns Prenelle und seiner Hintermänner steht. Sie weiß nicht genau, ob es Liebe ist oder Patriotismus, vielleicht von beidem die Hälfte.
Schon sammeln sich die alliierten Verbände an den vorbestimmten Positionen, aber die Landung steht Spitz auf Knopf: Englische U-Boote haben vor der marokkanischen Küste eine meterhohe Brandung gemeldet, ein gefährliches Hindernis für die flachen Landungsboote.
In seinem Hauptquartier auf dem Felsennest Gibraltar überlegt General Eisenhower – zu diesem Zeitpunkt des Krieges als wenig erfahrener Offizier noch ein unbeschriebenes Blatt –, ob er die »Operation Torch« verschieben soll.
Aber wohin mit den vielen Schiffseinheiten in dem allzu engen Hafen?
Mit unguten Gefühlen entschließt sich der US-Oberkommandierende zur Flucht nach vorne – die Landung soll anlaufen. Torch heißt zu deutsch »Fackel«, aber niemand kann zur Stunde sagen, ob sie leuchten oder verglühen wird. Gelingt die Landung, wird sie eine Wende des Krieges einleiten.
Aber zunächst wissen nur wenige Menschen in Frankreichs nordwestafrikanischen Kolonien um das Landeunternehmen, und diese sind nervös wie Debütantinnen vor der Polonaise – denn diese Polonaise kann blutig sein.
Den ganzen Tag ist US-Vizekonsul Miller – gleich seinen zehn Kollegen – auf den Beinen. Eine Verabredung jagt die andere, aber nicht jede ist so reizvoll wie das Rendezvous mit Nicole, die er in einem kleinen Tagescafé – wie zufällig – trifft.
»Noch immer verliebt in Hauptmann Prenelle?« fragt er belustigt.
»Ein wenig«, antwortet Nicole.
»Ich bin richtig eifersüchtig«, behauptet der angebliche Diplomat, »aber der Mann ist der Richtige für Sie.« Miller lächelt anzüglich. »Und sicher auch für uns.« Der angebliche Diplomat spricht halben Klartext. Er muß sich auf diese Französin verlassen, vor allem, weil er etwas von ihr will. Sie wirkt adrett und gepflegt wie immer, aber sie zeigt Spuren von Nervosität.
»Was ist los, Nicole?« fragt der Untergrundmann.
»Der deutsche Attaché, dieser Melzer, will Namen französischer Offiziere haben, die mit den Alliierten sympathisieren«, erwidert sie. »Heute noch – ich hab’ ihn schon eine Weile hingehalten.«
»Diesen Wunsch können wir ihm gerne erfüllen«, versetzt der OSS-Agent, nennt aus dem Kopf eine lange Reihe von Namen, ausnahmslos Offiziere des französischen 200000-Mann-Heeres, die er für Vichy-treu hält. »Wenn Sie die Hälfte behalten«, sagt Miller, »haben Sie Freund Melzer bereits bestens