Das letzte Gefecht - Tatsachenroman. Will Berthold
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das letzte Gefecht - Tatsachenroman - Will Berthold страница 9
Obwohl der französische Admiral Michellier bald nur noch einige U-Boote haben sollte, lehnte er noch drei Tage nach dem Überfall einen Waffenstillstand ab, den ihm die Amerikaner anboten.
Die übertriebene Geheimhaltung rächte sich blutig: Natürliche Bundesgenossen, die Seite an Seite gegen den gemeinsamen Feind kämpfen sollten, die sich unter normalen Umständen freudig in die Arme gefallen wären, mordeten einander im nächtlichen Durcheinander. Tausende ereilte an diesem 8. November 1942 ein selbst noch für den Krieg sinnloser Tod.
Die Landung in Marokko war kein Spaziergang, auch wenn es dem ungestümen US-General Patton gelungen war, nach Brechung des französischen Widerstandes 37000 Soldaten und 200 Panzer an Land zu bringen.
Der Kavallerist, der nunmehr seine Attacken mit Panzern ritt, sollte sich schon bald den Ruf verdienen, Amerikas schillerndster Heerführer zu sein, geliebt von seinen Soldaten, die ihm den Ehrennamen »Lucky Forward« verliehen, doch eine ständige Provokation für die Politiker, die sich weit vom Schuß befanden. Patton wollte nicht auf die Franzosen feuern, sondern auf Hitlers Soldaten, aber kein einziger von ihnen war in Französisch-Nordafrika stationiert. Das Fiasko, das man bei der Planung der »Operation Torch« befürchtet hatte, schien sich nunmehr zur Katastrophe auszuweiten.
Die Verschwörer um General Mast im Salon der Madame Nicole Lemaire, im letzten Moment in die Landung eingeweiht, schüttelten die Verärgerung ab und begannen ihre Offizierskameraden zu überzeugen, daß sie künftig gegen einen andern Gegner zu kämpfen hätten. So war Algier die einzige Stadt, in der die amerkanischen Angreifer und der französische Untergrund von vornherein Hand in Hand arbeiteten.
Robert Murphy, der Sonderbeauftragte des US-Präsidenten, besuchte General Juin in seiner Villa Les Oliviers in El Bair und forderte ihn auf, den Kampf einstellen zu lassen. Der General, vor Zorn so rot wie sein Pyjama, berief sich auf Admiral Darlan, der sich in Algier aufhalte und formell der Oberbefehlshaber über alle Vichy-Truppen sei. Das Gerücht stimmte also. Tatsächlich war der Admiral inkognito nach Nordafrika gekommen, um seinen an Kinderlähmung erkrankten Sohn nach Frankreich zu holen.
Von General Juin begleitet, suchte Robert Murphy den Admiral, der in der Villa eines französischen Marineoffiziers abgestiegen war, auf, um ihm die Situation zu eröffnen. François Darlan – über den Churchill gesagt hatte: »So sehr ich Darlan auch hasse, ich würde vor ihm eine Meile auf dem Brauch kriechen, wenn er uns nur die Flotte von Toulon brächte« – erwiderte mit den Worten: »Ich weiß schon lange, daß die Engländer ein stupides Volk sind. Die Amerikaner hätte ich für klüger gehalten, aber jetzt sehe ich ein, daß die einen so gut sind wie die anderen. Wenn Sie nur ein paar Wochen Geduld gehabt hätten, wären wir zum gemeinsamen Handeln gekommen ... Jetzt muß ich mich fragen, was aus meinem Land werden soll.«
Zornig verließ Darlan die Wohnhalle. Der Amerikaner folgte ihm, redete auf ihn ein und sprach – die tatsächliche Zahl verdoppelnd – von einem 500000 Mann starken Invasionsheer. Er kannte offensichtlich den Ausspruch des Admirals: »Wenn die Anglo-Amerikaner mit 50000 Mann landen sollten, lasse ich auf sie schießen. Kommen sie aber mit 500000, dann heiße ich sie willkommen.«
Als Roosevelts Botschafter behauptete, General Giraud hätte um die Aktion gewußt und sich mit ihr einverstanden erklärt, war es, als hielte der Yankee dem Franzosen ein rotes Tuch vor.
»Giraud«, tobte Darlan, »der taugt allenfalls zum Divisionsgeneral! Er ist ein Kind. Er hat von nichts eine Ahnung. Er wird auch für Sie zu nichts gut sein.«
Beim Spaziergang im Garten beruhigte sich der Admiral allmählich wieder, aber er ließ sich auf keine Vereinbarung ein; er arbeitete auf Zeitgewinn und wollte sich vor seiner Entscheidung erst mit Marschall Pétain in Verbindung setzen. Auch General Juin war im Aufbruch zu seiner Truppe; Murphy konnte es nicht verhindern. Er war gezwungen, auf die Empfindlichkeit der beiden Franzosen Rücksicht zu nehmen, aber er stand unter extremem Termindruck.
Solcherlei Rücksicht nahm eine Gruppe junger Männer aus dem Kreis um General Mast, die plötzlich auftauchte und die Villa umstellte, nicht. Mit vorgehaltenen Maschinenpistolen verstellten sie Admiral und General den Weg.
»Was soll das heißen?« fuhr sie Juin an. »Sind wir nun Gefangene?«
»Es sieht so aus«, erwiderte Murphy trocken.
Kurze Zeit später nahmen die Wirren der Nacht eine weitere überraschende Wende: Mitglieder der Mobilgarde, einer Einheit der Polizei, erschienen, nahmen die Rebellen fest und befreiten ihre prominenten Landsleute, auf die es in dieser Stunde ankam. Als sich die verspäteten US-Fahrzeugkolonnen endlich Algier näherten, entschloß sich Darlan, den Franzosen Befehl zur Feuereinstellung zu geben. Die Amerikaner zählten 700 Gefallene, sie hatten bis jetzt 29 Schiffe verloren, darunter 3 Zerstörer und 7 Transporter, aber »dem Waffenstillstand in Algier war die Partnerschaft der französischen Streitkräfte in Nordafrika mit den Alliierten gefolgt«, stellte Raymond Cartier fest. »Giraud, der schriftlich sein Wort gegeben hatte, der Deutschlandpolitik Pétains kein Hindernis in den Weg zu legen, hatte am 13. November den Oberbefehl übernommen und den französischen Truppen Order erteilt, den Vorstoß der Alliierten nach Tunesien zu decken. Juin, der unterzeichnet hatte, was früher beim Militär ein ›Revers‹ genannt wurde, hatte sich unter Girauds Kommando gestellt und bis dahin unschlüssige Generale wie Mendigal und Koeltz mitgezogen. Darlan war mit Feuer in seine Rolle eines Rächers des Vaterlandes geschlüpft, wobei übrigens die Deutschen – nach dem Zeugnis von Goebbels’ Tagebuch – sein geheimes Einverständnis mit Pétain voraussetzten.«
Die Gaullisten, die eigentlichen Rebellen von Vichy, standen vergrämt noch immer im Abseits. Ihre Zeitungen schlugen einen harten antiamerikanischen Ton an. In »La Marseillaise« hieß es wörtlich: »Die Tatsache, daß unsere amerikanischen Verbündeten Gebiete besetzen, die uns so viel Blut gekostet haben, trifft unser Land viel mehr als die Besetzung einiger unserer Départements durch die Nazis, denn es trifft unsere Ehre.«
Ein leidenschaftlicher Anhänger de Gaulles beendete auch Darlans Auftreten als Freiheitskämpfer. Er verschaffte sich am Weihnachtsmorgen Zutritt zu dem Haus des Admirals und erschoß ihn. Er wurde dafür zum Tode verurteilt. Die halbe Welt bat um Gnade für den Attentäter. Vergeblich. Zwei Tage später wurde das Urteil – unangekündigt – vollstreckt. Die Hintergründe konnten niemals genau geklärt werden.
Jene Männer, die nun ihre Haltung änderten oder sich früherer Bindungen entledigten, hatten dafür sehr überzeugende Gründe, doch mußte man zugeben, daß sie Hitler keine schlechten Vorwände lieferten, sich durch entsprechende Maßnahmen vor weiterem Schaden zu schützen.
Pétain wurde von seiner Umgebung bestürmt, mit einem bereitstehenden Flugzeug nach Nordafrika zu flüchten und sich den Putschisten anzuschließen. Er lehnte ab, obwohl ihn Roosevelts Botschafter erst verständigt hatte, als die »Operation Torch« schon gelaufen war.
Wenige Stunden später erklärte der deutsche Botschafter dem Marschall, daß der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu den USA nicht als ausreichende Antwort angesehen würde: Deutschland verlange die Kriegserklärung. Nunmehr ging es Schlag auf Schlag: Die französischen Truppen wurden entwaffnet, der bisher unbesetzte Teil Frankreichs besetzt. Gleichzeitig wurde Frankreich aufgefordert, Tunesien den deutsch-italienischen Streitkräften zu öffnen.
Inzwischen hatten die Alliierten die tunesische Grenze bereits erreicht und überschritten; bis zur Hauptstadt hatten sie nur noch 25 Kilometer vor sich. Der Generalresident Jean-Pierre Estéva wurde von zwei Seiten in die Zange genommen. Der bärtige Admiral war ein strenggläubiger Katholik, der täglich