50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2. Эдгар Аллан По
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Sie senkte ihr Gesicht schalkhaft und schämig.
»O Binia,« antwortete er, »du hast recht – ich will mich mit dir an dem schönen Tag freuen – es ist vielleicht der einzige, den wir erleben.«
Sie gingen weithin über die sonnigen Hügel mit den prangenden Herbstfarben, aber eine leise jugendliche Scheu schritt noch zwischen ihnen, die manches, was sie sagen wollten, zurückhielt. Um so mehr redeten ihre Augen. Immer und immer wieder betrachtete eins verstohlen das andere.
Vor sich an einer Höhe sahen sie in die welkenden Bäume hineingespannt die Netze eines Vogelstellers. Neugierig wie Kinder liefen sie hinzu und beschauten die malerisch hängenden Garne. Ein halbes Dutzend Amseln hing mit todesbangen Blicken darin. Binia zog einen Vogel um den anderen vorsichtig heraus, betrachtete lächelnd jedes Tierchen, preßte ihm einen Kuß auf den Schnabel und gab ihm die Freiheit. Die Vögel flatterten erst ängstlich, spürten dann die Befreiung, flogen in die Höhe und freudiges Geschrei stieg aus dem reinen Blau auf die Erde zurück.
Josi staunte Binia nur an: »Du herrliches Kind! Wenn aber der Mann käme, dem diese Vögel gehören!«
»O, ich habe den Nonnen manchmal den Spaß verdorben, und sie haben die Thäterin nie erwischt. Ich hätte mich auch für ein glückliches Vogelherzchen die ganze Woche einsperren lassen. – – – Josi« – ihre Finger berührten seine Hand – »vielleicht bin ich auch einmal so ein armes Schelmchen – und dann kommt jemand Barmherziger und löst mich.«
Ein Strahl ihres dunklen Auges traf ihn, ihr Mund aber lächelte herzgewinnend.
»Bini, ich habe mir schon fast den Kopf zerbrochen, wie wir trotz dem großen Zorn deines Vaters zusammenkommen könnten,« stammelte Josi. »Und ich weiß es – es bleibt mir nichts anders übrig, als daß ich für unsere Liebe an die Weißen Bretter steige.«
Da lehnte sie ihr Köpfchen schluchzend an seine Brust: »Das willst du für mich thun, Josi! Nein – nein. – Das darfst du nicht. – Du würdest fallen, wie dein Vater gefallen ist. – Und denke an meinen Vater – ich habe ihn, wenn er auch manchmal wüst und böse ist, doch so stark lieb; ich möchte nicht, daß die Nachtbuben kämen, um dem Gemeinderat im Werben zu helfen, und die rasselnden Ketten um das Haus schleiften und riefen: ›Presi, gebt die Binia heraus!‹ Ich glaube, da würde er auch erst recht wild über dich.«
Sie sah ihn hilflos an.
»Binia, so thöricht bin ich nicht. Ich plane es anders! Kein Mensch weiß es, was ich thun will, dir aber, liebes Bineli, will ich es verraten. – In drei Jahren komme ich wieder heim, dann will ich St. Peter aus der Blutfron an den Weißen Brettern befreien. Um zu lernen, wie ich's angreifen muß, gehe ich mit George Lemmy nach Indien.«
»Josi! – Du willst St. Peter aus der Blutfron befreien.« – Ein überirdischer Glanz lag in ihren Augen und das Wort tönte wie ein Schrei. Sie schaute ihn staunend an, sie preßte seine Hände. »Josi, kannst du das? – Josi, ich glaube, das hat dir Gott eingegeben. – Ich halte dich nicht zurück – nein, lieber Josi, thu's – thu's! – Meine Gedanken sind mit dir, wenn du an den Brettern schaffen wirst.«
Weiter, weiter führte sie die Sonne unter Kastanienbäumen dahin, die ihre stachlichten Früchte auf den Boden fallen ließen. Tief unter ihnen gegen den See hin jauchzten die Winzer in den Reben.
Sie sahen aber das Leuchten der Natur nicht, sie hatten zu viel von Brust zu Brust zu tauschen.
Binia glühte für Josis Plan.
»Josi, jetzt weiß ich, warum ich dich so lieb habe. Du hast halt ein großes, mutiges Herz – und als ich es noch nicht wußte, habe ich es doch schon geahnt, denn es strahlt aus deinen Augen. Und jetzt ist mir, ein Thor habe sich vor uns aufgethan, durch das unsere Liebe hinaus in den Frühling wandern kann. Es kommt alles, alles gut! Sieh, nur ein festes Vertrauen braucht es, dann werden zuletzt alle Träume und Wunder wahr – auch das unserer Liebe und unseres Glücks. Gewiß ist mein Vater der erste, der dich mit Freuden empfängt, wenn du die Blutfron von St. Peter nimmst. Er hat Sinn für alles Große.«
»Bini, wenn du so redest, so fange ich selber wieder zu glauben und zu hoffen an – du liebes, liebes Kind.« Er schlang den Arm um ihre Hüfte und so wanderten sie in heiligem Glück.
»Das ist ein herrlicher Tag,« jubelte Binia.
Auch Josi schwamm in stiller Seligkeit. Der Gedanke an den Fluch des Presi verschwand vor der blühenden Wirklichkeit. So schön hatte er sich das Leben nie gedacht. Wie das nur kam, daß er so allein mit Binia durch die lachende Welt wandern durfte? Womit hatte er es nur verdient? Rein wie der milde blaue Herbsthimmel erschien ihm sein Leben, es war ihm, als müßte es nun immer so bleiben und als stände nun die Zeit über ihm und Binia stille.
Wie lange ist so ein glücklicher Tag!
Unvermerkt lenkten sie ihre Schritte abwärts, und mit freundlichem Zuruf grüßte Binia das bunte Völklein der Winzer, dieses reichte ihnen dafür Trauben und Pfirsiche über Mauern und Hage und lachte dem wandernden Pärchen zu. Und wenn sie aus den Blicken der Erntenden waren, schob eines dem anderen scherzend die Beeren in den Mund.
»Ich habe gar nicht gemeint, Josi, daß du so lieb und artig sein könntest,« lachte Binia.
Als sie zu einer weinumrankten Osteria kamen, wo man die Aussicht auf den Spiegel des Sees frei genießt, setzten sie sich auf eine Bank im Garten. Die Wirtin, eine freundliche alte Frau, fragte, ob sie etwas zu essen und zu trinken wünschen.
Als aber der Wein und das Essen vor ihnen stand, da nippten sie nur an den Gläsern. Die Wirtin schaute ihnen etwas betrübt zu und versicherte sie, daß die Speisen gut seien. Da langte Binia keck zu und legte ein paar Schnitten des rötlichen Fleisches in den Teller Josis. Sie selber möge nichts. Und sie plauderte mit der Wirtin.
Josi, der von der Unterhaltung nichts verstand, sah, wie Binia plötzlich erglühte.
Als die Wirtin gegangen war, fragte er Binia, warum sie so rot geworden sei.
Sie senkte, aufs neue errötend, das Köpfchen, schlug die Augen auf und lächelte kaum merkbar: »Wenn ich's nur sagen dürfte – sie – hat gefragt – ob wir Brautleute seien.«
Da übergossen sich auch Josis Wangen mit dunklem Rot und seine Narbe trat deutlich hervor. Zögernd fragte er: »Was hast du ihr geantwortet?«
»Es hat mich halt so schön angemutet, da habe ich ›Ja‹ gesagt.« Sie flüsterte es mit seiner Stimme, sie lehnte sich zurück, daß er sie nicht sehen konnte, sie schmiegte sich so an ihn, daß ihr weiches Haar, das sich um die Schläfen wand, sein Ohr berührte und umschlang mit ihrem Arm seinen Arm.
»Hätte ich es nicht thun sollen, Josi?«
Da suchten sich ihre Hände, und als sie sich gefunden hatten, flüsterte sie: »Jetzt sind wir aber auch wirklich Brautleute.«
Josis Augen strahlten.
Da trat die Wirtin wieder zu ihnen. Von einem noch blühenden Stock schnitt sie die Rosen und gab sie Binia mit einem Glückwunsch. Binia steckte die Knospen an die Brust und nun drängte sie zum Fortgehen. Sie wollte mit Josi allein sein.
Das erste Stück Weges gingen sie schweigend. Da sagte Binia wie im Traum: »Ringe haben wir noch nicht!«