Nana. Emile Zola
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„Ich habe jemand für Sie heute . . . Wollen Sie?“
„Ja . . . Wieviel?“
„Zwanzig Louisdors.“
„Und um welche Zeit?“
„Um drei Uhr . . . Also, abgemacht?“
„Abgemacht.“
Die Tricon sprach sogleich vom herrschenden Wetter, einem trockenen Wetter, bei dem es gut sei, zu Fuß zu gehen. Sie habe noch vier oder fünf Leute zu besuchen. Und sie ging, wobei sie in einem kleinen Notizbuch nachschlug.
Allein geblieben, schien Nana erleichtert. Ein leichter Schauer glitt über ihre Schultern; mit der Trägheit einer fröstelnden Katze kuschelte sie sich wieder weich in das warme Bett. Nach und nach schlossen sich ihre Augen. Sie lächelte bei dem Gedanken, Louiset am folgenden Tage nett anzuziehen, während in dem Schlummer, der sie wieder überkam, ihr Fiebertraum der ganzen Nacht, ein lang anhaltendes Donnern von Bravorufen, wie ein Generalbaß wiederkehrte und ihre Müdigkeit einwiegte.
Als Zoé Frau Lerat um elf Uhr ins Zimmer treten ließ, schlief Nana noch immer. Aber bei dem Geräusch erwachte sie und sagte sofort:
„Du bist es . . . Du fährst heute nach Rambouillet.“
„Deswegen komme ich ja“, sagte die Tante. „Es geht ein Zug um zwölf Uhr zwanzig. Ich habe Zeit, um ihn zu schaffen.“
„Nein, ich bekomme das Geld erst nachher“, erwiderte die junge Frau und dehnte sich, den Busen hochgereckt. „Du kannst gleich Mittag essen, dann werden wir weitersehen.“ Zoé brachte einen Morgenrock.
„Madame“, murmelte sie, „der Friseur ist da.“
Aber Nana wollte durchaus nicht ins Ankleidezimmer hinübergehen. Sie rief selber:
„Kommen Sie herein, Francis.“
Ein tadellos angezogener Herr stieß die Tür auf. Er grüßte. Nana stieg gerade mit nackten Beinen aus dem Bett. Sie hatte keine Eile und streckte die Hände aus, damit ihr Zoé die Ärmel des Morgenrocks überstreifen konnte. Und Francis wartete völlig ungezwungen mit würdiger Miene, ohne sich umzudrehen. Als sie sich dann hingesetzt hatte und er ihr einmal mit dem Kamm durchs Haar gefahren war, redete er.
„Madame hat vielleicht nicht die Zeitungen gesehen . . . Es steht ein sehr guter Artikel im ,Figaroʻ.“ Er hatte die Zeitung gekauft.
Frau Lerat setzte ihre Brille auf und las, vor dem Fenster stehend, den Artikel laut vor. Sie richtete ihre Dragonerfigur in die Höhe; wenn sie ein galantes Adjektiv herausschleuderte, zog sich ihre Nase zusammen. Es war eine Besprechung von Fauchery, die er nach Verlassen des Theaters geschrieben hatte, zwei sehr warmherzige Spalten von geistreicher Boshaftigkeit für die Künstlerin und brutaler Bewunderung für die Frau.
„Ausgezeichnet!“ wiederholte Francis.
Nana machte sich nicht schlecht darüber lustig, daß man sie wegen ihrer Stimme aufzog! Er war nett, dieser Fauchery; sie würde ihm seine gute Art vergelten. Nachdem Frau Lerat den Artikel noch einmal vorgelesen hatte, erklärte sie brüsk, die Männer hätten alle den Teufel in den Waden; und sie weigerte sich, sich deutlicher auszudrücken, befriedigt über diese zweideutige Anspielung, die nur sie allein verstand.
Doch Francis war gerade damit fertig, Nanas Haar aufzustecken und zu knoten. Er grüßte und sagte:
„Ich werde auf die Abendzeitungen achten . . . Wie gewöhnlich um halb sechs, nicht wahr?“
„Bringen Sie mir einen Topf Pomade und ein Pfund gebrannte Mandeln von Boissier mit!“ rief ihm Nana in dem Augenblick durch den Salon nach, als er die Tür wieder schloß.
Dann fiel den beiden allein gebliebenen Frauen ein, daß sie sich nicht geküßt hatten, und sie gaben sich schallende Küsse auf die Wangen. Der Artikel erwärmte sie. Nana, die bis dahin schläfrig gewesen, wurde wieder vom Fieber ihres Triumphes erfaßt. Na, Rose Mignon mußte ja einen schönen Morgen verbringen! Da ihre Tante nicht zum Theater hatte kommen wollen, weil ihr die Aufregung — wie sie sagte — auf den Magen schlug, begann sie, ihr den Abend zu erzählen, wobei sie sich an ihrem eigenen Bericht berauschte, als sei ganz Paris unter dem Beifall zusammengestürzt. Sich plötzlich unterbrechend, fragte sie dann mit einem Lachen, ob man das geglaubt hätte, als sie ihren Kleinmädchenhintern in der Rue de la Goutte-d’Or herumschleppte.
Frau Lerat schüttelte den Kopf. Nein, nein, niemals hätte man das voraussehen können. Jetzt war sie mit Reden dran, wobei sie eine ernste Miene aufsetzte und Nana ihre Tochter nannte. Sei sie denn nicht ihre zweite Mutter, da die richtige Papa und Großmutter ins Grab nachgefolgt war. Nana war sehr gerührt und nahe daran, zu weinen. Aber Frau Lerat wiederholte, Vergangenheit sei Vergangenheit, oh, eine dreckige Vergangenheit, Dinge, die man nicht alle Tage aufrühren solle. Lange habe sie die Besuche bei ihrer Nichte eingestellt, denn in der Familie beschuldigte man sie, sich mit der Kleinen zugrunde zu richten. Gott, als ob das möglich wäre! Sie frage sie nicht nach vertraulichen Dingen; sie glaube, sie habe immer anständig gelebt. Augenblicklich genüge es ihr, sie in schönen Verhältnissen wiederzufinden und bei ihr zärtliche Gefühle für ihren Sohn zu sehen. Noch gelte in dieser Welt lediglich Anständigkeit und Arbeit.
„Von wem ist dieses Baby eigentlich?“ fragte sie, sich unterbrechend, die Augen von heftiger Neugierde entflammt. Überrascht zögerte Nana eine Sekunde.
„Von einem Herrn“, antwortete sie.
„Soso“, erwiderte die Tante, „es wurde behauptet, du hättest es von einem Maurer gekriegt, der dich schlug . . . Na, schließlich wirst du mir das eines Tages erzählen; du weißt, wie verschwiegen ich bin! — Bestimmt, ich werde es pflegen, als wäre es der Sohn eines Fürsten.“
Sie hatte das Gewerbe einer Blumenhändlerin aufgegeben und lebte von ihren Ersparnissen, die sie Sou für Sou angesammelt hatte und die ihr sechshundert Francs Jahresrente brachten. Nana versprach, eine hübsche kleine Wohnung für sie zu mieten; außerdem würde sie ihr hundert Francs im Monat geben. Bei dieser Zahl vergaß sich die Tante und schrie der Nichte zu, sie solle ihnen — sie sprachen von den Männern — die Gurgel zudrücken, da sie sie ja in der Hand habe. Sie küßten sich nochmals. Aber als Nana das Gespräch wieder auf Louiset brachte, schien sie mitten in ihrer Freude bei einer jähen Erinnerung mißmutig zu werden.
„Ist das ärgerlich, ich muß um drei Uhr weggehen!“ murmelte sie. „Das ist doch eine Plackerei!“
Soeben hatte Zoé gemeldet, es sei angerichtet. Man ging ins Eßzimmer hinüber, wo schon eine ältere Dame am Tisch saß. Sie hatte ihren Hut nicht abgenommen und trug ein dunkles Kleid von unbestimmter Farbe zwischen flohbraun und gelbgrün. Nana schien nicht erstaunt, sie dort zu sehen. Sie fragte sie lediglich, warum sie nicht ins Schlafzimmer gekommen sei.
„Ich habe Stimmen gehört“, antwortete die Alte. „Ich dachte, Sie seien in Gesellschaft.“
Frau Maloir, die achtbar aussah und gute Manieren hatte, diente Nana als alte Freundin; sie leistete ihr Gesellschaft und begleitete sie. Frau Lerats Gegenwart schien sie zuerst zu beunruhigen. Als sie dann erfuhr, daß es eine Tante sei, betrachtete sie sie mit freundlicher