Nana. Emile Zola
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„Donnerwetter!“ sagte Fauchery lediglich zu La Faloise. Inzwischen kam Mars mit seinem Federbusch zu dem Stelldichein gelaufen und stand zwischen den beiden Göttinnen. Nun gab es eine Szene, die Prullière ausgezeichnet spielte: von Diana geliebkost, die einen letzten Versuch mit ihm anstellen wollte, bevor sie ihn Vulkan auslieferte, von Venus umschmeichelt, die die Gegenwart ihrer Rivalin aufstachelte, überließ er sich diesen Wonnen mit der seligen Miene eines Hahnes im Korbe. Dann schloß ein großes Terzett die Szene ab; und in dem Augenblick tauchte eine Logenschließerin in Lucy Stewarts Loge auf und warf zwei riesige weiße Fliedersträuße auf die Bühne. Es wurde geklatscht, Nana und Rose Mignon verneigten sich, während Prullière die Blumensträuße aufhob. Ein Teil des Sperrsitzes wandte sich lächelnd nach der Parterreloge um, die Steiner und Mignon innehatten. Der Bankier, blutrot im Gesicht, bekam ein schwaches, krampfartiges Zucken am Kinn, als sei ihm irgend etwas in der Kehle steckengeblieben.
Das Folgende packte den Zuschauerraum vollends. Diana war wütend davongegangen. Sogleich rief Venus, die auf einer bemoosten Bank saß, Mars zu sich. Noch niemals war eine hitzigere Verführungsszene gewagt worden. Nana hatte die Arme um Prullières Hals geschlungen und zog ihn an sich, als Fontan, der sich einer Mimik von spaßhafter Wut überließ und die Rolle eines beleidigten Ehemannes, der seine Frau auf frischer Tat ertappt, übertrieb, im Hintergrund der Grotte auftauchte. Er hielt das berühmte Netz mit den eisernen Maschen in der Hand. Einen Augenblick lang schwang er es hin und her wie ein Fischer, der ein Wurfnetz auswerfen will, und mit einem gewitzten Trick wurden Venus und Mars in der Falle gefangen. Das Netz umstrickte sie und machte sie in ihrer Stellung glücklich Liebender unbeweglich.
Ein Gemurmel stieg auf wie ein anschwellender Seufzer. Einige Hände klatschten, alle Operngläser waren auf Venus gerichtet. Nach und nach hatte Nana vom Publikum Besitz ergriffen, und jetzt war ihr jeder Mann hörig. Die Brunst, die von ihr aufstieg wie von einem läufigen Tier, hatte immer weiter um sich gegriffen und erfüllte den Zuschauerraum. Nun fachten ihre geringsten Bewegungen die Begierde an, mit einer Geste ihres kleinen Fingers wendete sie das Fleisch um und um. Rücken krümmten sich und bebten, als strichen unsichtbare Bogen über die Muskeln; auf Nakken waren Flaumhärchen zu sehen, die unter einem lauen, dahinhuschenden Hauch, der aus irgendeinem Frauenmund kam, aufflogen. Fauchery sah den Wildfang vor sich, den die Leidenschaft in seinem Sessel hochtrieb. Ihn packte die Neugierde, Graf de Vandeuvres zu betrachten, der sehr bleich war und die Lippen zusammengekniffen hatte, den dicken Steiner, dessen Apoplektikergesicht geradezu barst, Labordette, der mit der erstaunten Miene eines Pferdehändlers, der eine vollkommene Stute bewundert, durch sein Glas blickte, und Daguenet, dessen Ohren vor Erregung blutrot waren und zuckten. Dann ließ ihn eine dunkle Ahnung einen Blick nach hinten werfen, und er war ganz erstaunt über das, was er in der Loge der Muffats sah: hinter der bleichen und ernsten Gräfin stand hoch aufgerichtet der Graf mit offenem Mund, das Gesicht marmoriert von roten Flecken, während neben ihm im Dunkeln die schwachen Augen des Marquis de Chouard zu zwei phosphoreszierenden, mit goldenem Flitter durchsetzten Katzenaugen geworden waren. Man erstickte, das Haar lastete immer schwerer auf den schwitzenden Köpfen. Seit drei Stunden saß man da, der Atem hatte die Luft mit Menschengeruch erhitzt. Im Flackern des Gaslichts wurden die Staubschwaden, die unbeweglich unter dem Kronleuchter schwebten, immer dichter. Der ganze Zuschauerraum schwankte und taumelte matt und erregt in einem Rausch, von jenen schlummernden, mitternächtlichen Begierden ergriffen, die tief im Alkoven stammeln. Und diesem vor Wonne vergehenden Publikum, diesen fünfzehnhundert zusammengepferchten Menschen gegenüber, die in der Erschöpfung und der Nervenzerrüttung einer zu Ende gehenden Vorstellung ertrunken waren, blieb Nana siegreich mit ihrem marmornen Fleisch, ihrem Geschlecht, das stark genug war, alle diese Menschen zu vernichten und keine Schramme von ihnen abzubekommen.
Das Stück ging zu Ende. Auf Vulkans Triumphgeschrei hin zog der ganze Olymp mit verblüfften und anzüglichen Ohund Ah-Rufen an den Liebenden vorüber. Jupiter sagte: „Mein Sohn, ich finde es leichtfertig von dir, uns herzurufen, damit wir uns das ansehen.“ Jetzt schlug die Stimmung zugunsten von Venus um. Der Hahnreichor, der aufs neue von Iris hereingeführt wurde, flehte den Göttervater an, seinem Ansuchen nicht weiter stattzugeben; seitdem die Frauen zu Hause blieben, werde das Leben für die Männer dort unerträglich; lieber wollten sie betrogen werden und zufrieden sein, was die Moral der Komödie war. Nun wurde Venus befreit. Vulkan erreichte eine Trennung von Tisch und Bett. Mars versöhnte sich mit Diana. Jupiter schickte seine kleine Wäscherin in ein Sternbild, um Frieden in seiner Ehe zu haben. Und schließlich wurde Amor aus seinem Karzer gezogen, wo er Männchen gemalt hatte, statt das Verb „lieben“ zu konjugieren. Der Vorhang fiel über einer Apotheose, bei der der Hahnreichor niedergekniet war und einen Hymnus der Dankbarkeit an Venus sang, die lächelnd und erhaben in ihrer souveränen Nacktheit dastand.
Die Zuschauer waren schon aufgestanden und strebten den Türen zu. Man nannte die Namen der Autoren, und unter donnernden Bravorufen gab es zwei Hervorrufe. Rasend rollte der Ruf „Nana! Nana!“ Dann — der Zuschauerraum war noch nicht leer — wurde es dunkel; das Rampenlicht erlosch, der Kronleuchter wurde heruntergeschraubt, lange Überzüge aus grauem Leinen glitten aus den Proszeniumslogen und verhüllten die Vergoldungen der Ränge; und dieser so heiße, so lärmende Saal fiel mit einem Schlag in einen schweren Schlaf, während ein Geruch nach Moder und Staub aufstieg. Die Gräfin Muffat sah, hoch aufgerichtet an der Brüstung ihrer Loge, in Pelze eingemummt, in das Dunkel und wartete, bis sich die Menge verlaufen hatte.
Auf den Gängen wurden die Logenschließerinnen angerempelt, die zwischen Haufen von heruntergerutschten Kleidungsstücken den Kopf verloren. Fauchery und La Faloise hatten sich beeilt, um am Ausgang zugegen zu sein. Das ganze Vestibül entlang standen Männer Spalier, während langsam zwei nicht enden wollende lange Reihen gleichmäßig und dichtgedrängt die Doppeltreppe herunterkamen. Steiner, den Mignon fortgezogen hatte, war unter den ersten davongegangen. Graf de Vandeuvres ging Arm in Arm mit Blanche de Sivry fort. Einen Augenblick lang schienen Gaga und ihre Tochter verlegen, aber Labordette suchte ihnen eilfertig einen Wagen, dessen Schlag er galant hinter ihnen schloß. Niemand sah Daguenet vorbeikommen. Als der Wildfang mit brennenden Wangen und entschlossen, vor dem Künstlereingang zu warten, in die Passage des Panoramas rannte, deren Gitter er verschlossen fand, kam Satin, die auf dem Bürgersteig stand, heran und streifte ihn mit ihren Röcken; aber verzweifelt wies er sie roh ab und verschwand dann mit Tränen der Begierde und der Ohnmacht in den Augen in der Menge. Zuschauer zündeten Zigarren an und trällerten beim Weggehen: „Wenn Venus abends bummeln geht . . .“ Satin war wieder vor das Café des Variétés zurückgegangen, wo Auguste sie die von den Gästen übriggelassenen Zuckerreste essen ließ. Ein dicker Mann, der äußerst aufgeräumt herauskam, nahm sie schließlich mit in das Dunkel des allmählich eingeschlafenen Boulevards.
Doch immer noch kamen Leute herunter. La Faloise wartete auf Clarisse. Fauchery hatte versprochen, Lucy Stewart mit Caroline Héquet und ihrer Mutter abzuholen. Sie kamen an und nahmen sehr laut lachend eine ganze Ecke des Vestibüls ein, als die Muffats mit eisiger Miene vorübergingen. Bordenave hatte gerade eine kleine Tür aufgestoßen und erhielt von Fauchery die ausdrückliche Zusage für einen Artikel. Er war schweißgebadet, sein Gesicht gerötet wie von jäher Sonne, gleichsam berauscht von dem Erfolg.
„Das reicht für zweihundert Vorstellungen“, sagte La Faloise verbindlich zu ihm. „Ganz Paris wird in Ihrem Theater vorbeiziehen.“
Doch Bordenave wurde ärgerlich und deutete mit einer jähen Bewegung des Kinns auf das Publikum, das das Vestibül füllte, dieses Gewühl von Männern mit trocknen Lippen, glühenden Augen, noch ganz brennend vom Besitz Nanas, und schrie ungestüm:
„Sag doch: in meinem